Mordanschlag in Wächtersbach

Am 22.07.19 wurde ein aus Eritrea migrierter junger Mann auf offener Straße von einem Neonazi angeschossen. Aus einem fahrenden Auto gab der der 55jährige Neonazi Roland K. mehrere gezielte Schüsse ab, von denen zwei den jungen Mann trafen. Der Täter erschoss sich anschließend selbst.

Nur Dank der schnellen Hilfe von Passant_innen überlebte der Mann und ist inzwischen auf dem Weg der Genesung. In einem Interview mit dem Spiegel äußerte er aufgrund der traumatischen Erfahrung, Wächtersbach wahrscheinlich verlassen zu wollen.

An einer von Antifaschist_innen aus Frankfurt organisierten Demonstration gegen rechten Terror ein paar Tage nach der Tat nahmen um die 250 Menschen teil. Kritisch beäugt von den Anwohner_innen des Ortes und unter Beteiligung von nicht wenigen Menschen aus der migrantischen Community. Die Angst unter nichtweißen Menschen in Wächtersbach ist groß nach der Tat. Viele von ihnen berichteten, dass sie sich bisher in Wächtersbach sicher und unterstützt gefühlt hätten, dies habe sich nun radikal verändert.

Bereits seit Jahren ist der östliche Main-Kinzig Kreis eine Region, in der rassistische Position in Teilen der Bevölkerung auf Zustimmung stoßen. In manchen Orten knackte die Afd bei der Europawahl die 20% Marke und organisierte Neonazistrukturen gibt es schon sehr lange.

Als 2006 eine bundesweite Razzia gegen Mitglieder der rechten Terrororganisation Blood and Honour stattfand, wurde auch eine Wohnung in der Region durchsucht. Und als 2012 der Landesverband der Partei „die Rechte“ gegründet wurde, fand dies in Gelnhausen statt. Maßgeblich forciert vom Gelnhäuser Neonazi Pierre Levien, welcher vorher bereits in der NPD organisierte war und nach dem Scheitern von „Die Rechte“ in Hessen sich mit weiteren Neonazis zu den „Nationalen Sozialisten MKK“ und später zum im „Freien Widerstand MKK“ zusammenschloss.

Der ehemalige Landrat Pipa wird seit Jahren von der selbsternannten „Initative Heimatschutz Kinzigtal“ in Briefen mit dem Tode bedroht. Ähnlich wie Walter Lübcke hatte er die Unterbringung von Geflüchteten im Kreis in seiner Aufgabe als Landrat organisiert.

Medial bekannt wurde auch ein Bild des Neonazi Carsten Müller aus Linsengericht, das ihn zeigt, als er mit hassverzerrtem Gesicht und einem Schlagstock in der Hand am 1. Mai 2017 in Halle auf eine Gruppe Jugendlicher zustürmt. Bei der Heimfahrt machte die Nazigruppe „Aryans“ Jagd auf eine Gruppe Jugendlicher die sie für Antifaschist_Innen hielt. Die Jugendlichen wurden mit Reizgas, Steinen und Schlagstöcken angegriffen und zum Teil erheblich verletzt.

Müller sowie eine Frau wurden dafür zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Der Täter Roland K. wird vermutlich weder Pierre Levien noch Carsten Müller gekannt haben. Und auch, ob er jemals an einer politischen Aktion teilgenommen hat ist fraglich.

Und trotzdem war Roland K. ein gefestigter Rassist und dafür brauchte der im Schützenverein aktive Neonazi weder eine Kameradschaft, noch eine rechte Partei. Wenn Staat und Medien nun von einem Einzeltäter sprechen, der nicht in der Naziszene organisiert war liegen sie völlig falsch.

Roland K. trank sein Bier in der Kneipe „Martinseck“ in Biebergemünd-Kassel. Hier fand es offenbar niemand falsch, als er dort einen Mord ankündigte. Hier fand er sicher schon zuvor Zustimmung in seinem Hass auf Geflüchtete und nichtweiße Menschen. Roland war nicht Teil einer subkulturellen Naziszene. Seine rechte Szene hieß „Martinseck“.

Hier fand er Bestätigung für sein rechtes Weltbild, von einem Wirt, der selbst NPD-Beiträge verbreitete und von Gästen, die schweigen oder zustimmen, wenn sie hätten Einspruch erheben müssen.
In den letzten Monaten wurde deutlich was die rechte Szene heute sein kann. Das kann wie bei den Beamten auf dem 1. Revier in Frankfurt eine Chatgruppe mit den Kolleg_Innen sein. Das kann das Teilen der immer wieder selben widerlichen rassistischen Beiträge auf Facebook in der eigenen Filterblase sein.

Es ist die traurige und beschissene Wahrheit dass es nicht der letzte Mordversuch gewesen sein wird.

Wir leben aktuell in einer Gesellschaft in der rassistische Positionen in der Mitte der Gesellschaft, angekommen sind. Eine Gesellschaft in der Menschen wie Roland K. sich dazu ermutigt fühlen, einen anderen Menschen zu töten, nur weil er eine schwarze Hautfarbe hat.

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