Nr. 215

 

Be part of the Scene not just the Scenary

Du liest die Swing regelmäßig, findest sie aber in deiner Kneipe um die Ecke, am Kiosk oder deinem Lieblingsladen eher selten oder gar nicht? Du kannst dafür sorgen, dass die Swing auch an diesen Orten regelmäßig zu finden ist. Pack dir doch beim nächsten Mal ein paar Ausgaben mehr in die Tasche und bring sie wohin auch immer du möchtest. Wir freuen uns, wenn die Zeitung von vielen Menschen gelesen wird.


A future to win – Thesen zum klimapolitischen Aufbruch

Der 20.9. hat alle Erwartungen übertroffen. Er hat ein Zeichen gesetzt. Er ist ein Meilenstein gewesen. Das lässt sich daran erkennen, dass wir vom 20.9. schreiben und alle wissen was gemeint ist. Wir erleben den Aufbruch einer neuen Sozialen Bewegung.

Diese Bewegung produziert Widersprüche, sie formuliert Forderungen, sie ist pluralistisch und sie ist größer als die Summe ihrer Teile. Es gibt so viele Akteure, dass kein Akteur sie aktuell steuern kann. Statt dessen befruchten, motivieren und radikalisieren sich die verschiedenen Akteure gegenseitig. Die Bewegung fordert (Klima-)Gerechtigkeit ein, sie fordert ihr zukünftiges Glück ein. Und im Gegensatz zu ihr delegitimiert sich die herrschende politische Klasse (Stichwort: „Klimapaketchen“) vollständig.

Der Global Climate Strike ist nicht aus der linksradikalen Szene erwachsen, er ist keine 1-Punkt-Kampagne gewesen, was sich auch darin ausdrückt, dass er in diesem Heft nicht groß beworben worden ist. Es war ein Zusammenkommen verschiedener Menschen, die entweder seit Jahrzehnten oder seit kurzer Zeit umweltpolitisch bewegt sind.

Die klassische Autonome Szene ist der Klimabewegung zu großen Teilen skeptisch gegenüber eingestellt. Das hängt einerseits an dem Verlust ökologischer Themen und Bezugnahmen im urbanen und meist akademisch geprägten linksradikalen Milieu. Zum anderen wird vielen Akteuren (sicherlich zu Recht) unterstellt, auf dem Ticket einer Bewegung ihre individuelle Karriere zu boosten und/oder reformistisch abzubiegen. Und zu guter Letzt vermuten wir eine Kränkung, weil die Linksradikalen nicht am Frontbanner stehen, sondern junge Schülerinnen (Denn allen hierarchiefreien Ansprüchen zum Trotz behält sich gerade die radikale Linke eben doch oft vor, Avantgarde sein zu wollen…)

Dies halten wir für kurzsichtig. Denn die Klimabewegung stellt zum ersten Mal seit mindestens der Globalisierungsbewegung die Kapitalismus-Frage auf einer sehr großen Breite – jedenfalls deutlich größer als bei Blockupy, beim G20 in Hamburg oder in der kapitalismuskritischen Vorlesung an deiner Uni. Die Bewegung erwächst aus einem zentralen Widerspruch der kapitalistischen Produktionsweise: Denn der Ressourcenverbrauch und die Verschmutzung durch die kapitalistische Produktionsweise stellt ohne wenn und aber die Zukunft der Menschheit auf diesem Planeten infrage. Das Klimathema ist ein nicht zu verdeckender Widerspruch im Kapitalismus.

Die Klimabewegung stellt einen massenhaften Denkkorridor auf eine andere Zukunft auf. Zur Jahrtausendwende hieß es „Eine andere Welt ist möglich“, heute „Eine andere Zukunft ist notwendig“. Es ließe sich auch sagen, sie kreiert überhaupt den Gedanken einer Zukunft, die anders sein könnte als die Gegenwart. Dies ist etwas, an was es der Linken in ihrer Breite in den letzten Jahrzehnten gemangelt hat. Die Linke hat vor allem Abwehrkämpfe geführt, Widerstand gegenüber Ungerechtigkeiten benannt und entschiedene Neins gegenüber dem bestehenden formuliert – aber die Perspektive einer globalen, gesamtgesellschaftlichen Transformation von Produktionsweise und Lebensweise (ergo einer Revolution) hat sie selten eingenommen bzw. einnehmen können. In diesem letzten Punkt liegt die Chance, zusammen zu kommen oder die Kämpfe zusammen zu führen, wie es in Frankreich heißt.

Der Aufbruch der Klimabewegung lässt den immer wieder so genannten Rechtsruck im rechten Licht erscheinen. Nämlich als Zeichen einer klaren Polarisierung zwischen Menschen, die die Widersprüche im aktuellen System Ernst nehmen, in der Lage sind, kollektive Vorstellungen zu entwickeln und bereit sind, Veränderung zu denken und zu wagen. Und zwischen denjenigen, die all das nicht wollen oder können und sich für eine hochaggressive Art der Besitzstandwahrung entscheiden – bis hin zur faschistischen Option. Beide Bewegungen, müssen als Pole in einem Kampf miteinander verstanden werden.

Die Klimabewegung ist eine Chance für die radikale Linke. Sie stellt den Kapitalismus und dessen Vertreter*innen vor einen nicht zu verdeckenden Widerspruch. Sie stellt die Forderung nach einer Welt, in der alle Menschen das gleiche Recht auf Verwirklichung eines würdevollen Lebens und Glück haben. Sie mobilisiert entlang dieses Widerspruchs und der Forderung nach einer anderen Zukunft Millionen Menschen. Anders als die rechten Verschwörungstheoretiker glauben, wird die radikale Linke aber nicht die friday for future unterwandern. Das Gegenteil geschieht. Die Bewegung orientiert sich zwangsläufig an den Organisationsformen, die die Umweltbewegung, Bürgerrechtsbewegungen und undogmatische Linke in Jahrzehnten entwickelt hat.

Ein entscheidender Moment wird sein, wie sich die Mosaik-Linke zur Bewegung verhalten wird. Der umweltpolitische Teil der Linken ging der Bewegung voran (Stichwort: Hambi und Ende Gelände) und ist jetzt akzeptierter Teil von ihr. Allerdings sehen wir die Gefahr, dass große Teile der linken Szene in Selbstbezogenheit verharrt und wie so oft besserwisserisch neben einer vielfältigen Bewegung steht, die nicht alle Inhalte und Codes einer linksradikalen Bewegung vor sich herträgt. Wir denken, die große Chance läge darin, in die Klimabewegung einzutauchen und zu helfen, die Widersprüche im System zu verstärken. Dabei wird die Möglichkeit bestehen, die eigenen Erfahrungen zur Verfügung stellen zu können und zu potenzieren.

Als ein Knackpunkt wird sich hier die Frage der Militanz stellen, die sich die Klimabewegung ebenso wie jede Soziale Bewegung irgendwann stellen wird müssen. Bleibt der Großteil der Bewegung (insbesondere fridays for future) bei ihrem streng gewaltfreien Grundkonsens, dann wird sie Frustrationserfahrungen machen, weil die Effekte gering sind. Oder der Staat wird sich repressiver zeigen als er es jetzt tut, wenn die Blockaden und Störungen aller Art lästig, weil geschäftsschädigend werden. Spätestens dann werden sich Teile der Bewegung fragen, ob sie den Sprung vom Protest zum Widerstand gegen diese zerstörerischen Zustände wagen. Und dann ist es wichtig, dass Zusammenhänge mit entsprechenden Erfahrungen diese zur Verfügung stellen, im besten Falle die Bewegung von Anfang an entsprechend begleitet haben ohne diese zu verschrecken.

Ein zweiter Punkt ist die inhaltliche Zuspitzung. Wenn die Akteure sich nicht massenhaft frustriert zurückziehen oder nicht massenhaft in irgendeinem reformistischen Parteiprojekt aufgehen sollen, dann ist es wichtig, Forderungen aufzustellen, die das falsche Ganze benennen und keinen postkapitalistischen Ausweg à la Grüne Partei ermöglichen. Dann ist es wichtig, ein anderes Narrativ zu entwickeln, das klar macht, wie sehr wir alle zu gewinnen haben, wenn das kapitalistische System überwunden wird. Auf die Notwendigkeit zu beharren die zerstörerische Produktionsweise schnellstmöglich zu beenden, die auf endloses Wachstum basiert und eine globale Lebensweise erschafft, deren Glücksversprechen rein auf Konsum und Verknappung basiert. Den Entwurf einer Lebensweise zu transportieren, in der die Produktion an den Bedürfnissen der Menschen orientiert ist (Call it Communism, if you want). Und mit all diesem sofort zu beginnen. Je schneller, je umfassender wir uns aufmachen, desto besser. 0 Emission – statt 2 Grad! Werft radikale Fragen auf, stellt radikale Forderungen, schafft emanzipative frames, verbreitert alternative Narrative.

Als dritten wichtigen Punkt sehen wir die Organisationsweise an, der Prozess des Politikmachens. Zwar ist hier die Klimabewegung stellenweise progressiver als Teile der autonomen Linken, da sie sich hier viel an Erfahrungen und Methoden der gewaltfreien Strukturen orientiert. Aber je fester die Haltung hierarchiefreier und kollektiver Prozesse und Entscheidungsfindungen verankert ist, desto weniger können parteipolitische Projekte oder Karriereorientierte Einzelpersonen die Bewegung für ihre Zwecke kapern.

Einen vierten Punkt sehen wir in der Aufgabe und in der Chance linker Bewegung, explizite Verbindungen zu bestehenden Kämpfen um Befreiung zu schaffen. Klimapolitik erschöpft sich am allerwenigsten in technologischen Entwürfen, sondern steht in Verbindung zu vielen Kämpfen, in denen wir verortet sind. Migration und Fluchtursachen, das Recht zu gehen und das Recht zu bleiben. Der Entwurf eines guten Lebens für alle, ist ein Feld, in dem diese Verbindungen zusammenlaufen. Aber auch die Abschaffung des Militärs als Hauptakteur von klimaschädlichen Abgasen und als ein zentrales Mittel von Geopolitik, gelte es zu verknüpfen. Der Verweis auf die linke Tradition, andere Vorstellungen von Gesellschaft und Staat zu entwerfen sowie konkrete Aufbrüche hin zu anderen Lebensweisen auszumalen und wie etwa in Rojava zu verteidigen, ist ebenfalls unsere Aufgabe.

Zu guter Letzt: Eine Beteiligung an den Klimaprotesten und der Versuch, diese zu zuspitzen, ist tatsächlich nicht nur strategisch aus anti-kapitalistischer Sicht sinnvoll, sie ist auch alternativlos. Denn die Bewegung hat recht. Der Kapitalismus fährt diesen Planeten an die Wand. Wenn in absehbarer Zeit Kipppunkte des Erdklimas erreicht sind bzw. in Dynamik kommen, werden Milliarden Menschen in furchtbare Not geraten, die zu extrem kriegerischen Auseinandersetzung führen werden. Wenn wir uns dem verschließen, wenn wir dies ignorieren und nicht verhindern wollen, dann sind wir denjenigen, die auf alles scheißen, SUV fahren und Besitzstandswahrung betreiben, näher als wir je sein wollten.
Einige Autonome aus Rhein-Main 25.10.19


Wald statt Asphalt

Waldbesetzung im Dannenröder Wald in Mittelhessen

Seit dem 01.10.2019 ist ein Waldstück auf der geplanten Autobahntrasse im Dannenröder Wald in der Nähe von Lehrbach, Niederklein und Dannenrod besetzt. Ziel der Besetzung ist die Verhinderung eines seit 40 Jahren geplanten und ebenso lange umstrittenen Bauvorhabens. Dieses sieht den Ausbau der bereits zum Teil bestehenden A49 vor, welche die A5 und A7 verbinden soll. Für das nächste Teilstück zwischen Stadtallendorf und Gemünden sollen hierfür etwa 100 ha gesunder Mischwald weichen. Vom Bau betroffen ist außerdem ein FFH-Schutzgebiet und ein wichtiges Trinkwasserschutzgebiet.

Die für den Bau verantwortliche Gesellschaft DEGES hat gestern am 11.10. bekannt gegeben, dass die ab diesem Oktober geplanten Kahlschläge der Autobahntrasse auf die nächste Rodungssaison 2020/2021 verschoben werden. Wir sehen den von der DEGES erklärten Aufschub der Fällungen auf nächstes Jahr als einen ersten Erfolg. Auch wenn die DEGES die Besetzung und den allgemeinen Widerstand gegen das Projekt in ihrer Pressemitteilung mit keinem Wort erwähnt, sind wir überzeugt, dass der Druck und die öffentliche Aufmerksamkeit, die durch die Aktionen der letzten Wochen erzeugt wurden, zu dieser Entscheidung beigetragen haben.

Gleichzeitig ist für uns völlig klar: Die Besetzung bleibt, denn aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Solange der Dannenröder Wald durch die Baupläne bedroht ist, muss er beschützt werden. Das heißt, solange das Projekt nicht endgültig eingestellt und die bestehenden Teilabschnitte rückgebaut sind, werden wir unseren Widerstand fortsetzen und ausbauen. Zwar soll es vor Oktober 2020 keine Flächenrodungen geben, alle sonstigen Bauarbeiten werden aber fortgesetzt und können laut DEGES auch mit der Fällung einzelner Bäume einhergehen. Das werden wir mit allen angemessenen Mitteln verhindern!

Sowieso sind wir nicht nur hier, um eine einzelne Autobahn zu verhindern, sondern fordern ein radikales Umdenken in der Mobilitätsfrage weg von motorisiertem Individualverkehr und wirtschaftlicher Wachstumslogik und hin zu nachhaltigen und sozial verträglichen Verkehrskonzepten.

Der Aufschub der Kahlschläge durch die DEGES verschafft uns eine Verschnaufpause, gleichzeitig dürfen wir ihn aber auch nicht überbewerten. Grundsätzlich ist eine Pressemitteilung einer GmbH kein verlässliches Versprechen. Außerdem schränkt die Ankündigung der DEGES nicht ein, dass irgendeine Behörde die Besetzung unter einem beliebigen Vorwand räumen lässt – so wie es im letzten Herbst im Hambacher Forst passiert ist.

Auch wenn die Kahlschläge aufgeschoben sind, geht der Ausbau der A 49 weiter. Mit jedem gebauten Meter Autobahn werden Tatsachen geschaffen, mit denen später für die Zerstörung des Waldes argumentiert werden wird. Aber jede einzelne Teilbaustelle ist auch ein Spielfeld für kreative Aktionen. Jetzt ist die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt. Also packt eure Clownsnase, euer Kletterzeug und eure Akkuflex ein und bildet Banden…

Bitte denkt dabei den Kontext mit, in dem eure Aktionen stattfinden. Wir fühlen uns selbst als Gäste in einer Region und einem Konflikt, die viele von uns erst noch kennen lernen. Es gibt hier seit 40 Jahren Widerstand von verschiedenen Bürger*inneninitiativen, Umweltverbänden und Einzelpersonen, mit denen wir gerade Netzwerke aufbauen und Konzepte austauschen wollen.

Der Widerstand im Dannenröder Wald wächst. Seit dem Beginn der Besetzung vor 12 Tagen hat sich viel getan. Am Sportplatz in Dannenrod gibt es inzwischen ein Camp für Menschen, die gerne länger oder dauerhaft vor Ort sein wollen. Direkt daneben wurde eine Mahnwache eingerichtet, die rund um die Uhr besetzt ist. Sie dient als Anlaufpunkt für Informationen und Unterstützung jeglicher Art. Die Schutzgemeinschaft Gleental e.V. organisiert außerdem jeden Sonntag um 14 Uhr einen solidarischen Waldspaziergang. Hier wird Interessierten die Möglichkeit gegeben, sich am Ort der Besetzung selbst ein Bild zu machen und mit den Aktivisti ins Gespräch zu kommen. Zusätzlich zu den drei ersten Baumhäusern gibt es außerdem seit mehreren Tagen eine weitere Plattform, deren genauen Standort die Polizei scheinbar noch immer nicht kennt.

Insgesamt erfährt die Besetzung seit ihrem Beginn breite Resonanz. Uns wird großartige Unterstützung durch die lokale Bevölkerung, sowie durch Menschen von außerhalb zuteil. Wir sind unglaublich dankbar für all die Spenden, Geschichten und Gespräche. Wir sehen Menschen, die die Veränderung selbst in die Hand nehmen und sind überwältigt.

Dokumentation:

Wir werden die durch den Weiterbau der A49 resultierenden Zerstörungen nicht tatenlos hinnehmen. Viele Bäume im Dannenröder Forst wurden so präpariert, dass Motorsägen daran beim Einsatz kaputt gehen werden. Dafür wurden Fremdkörper auf eine Art und Weise im inneren der Bäume versenkt, sodass die Bäume davon keinen Schaden tragen, Kettensägen aber schon. Es besteht große Verletzungsgefahr, sollten Menschen dieser Warnung zum Trotz auf die Idee kommen, die Rodungen zu beginnen.

Forstarbeiter und der Feuerwehrobermeister von Homberg (Ohm) wurden umgehend informiert.

Wir fordern den Stopp jeglicher weiterer Baumaßnahmen und solidarisieren uns mit allen vergleichbaren Forderungen weltweit.

Wir sind eine autonom agierende Kleingruppe, die unabhängig von den Besetzern agiert, denen wir viel Erfolg wünschen.

Wir werden die durch den Weiterbau der A49 resultierenden Zerstörungen nicht tatenlos hinnehmen. Viele Bäume im Dannenröder Forst wurden so präpariert, dass Motorsägen daran beim Einsatz kaputt gehen werden. Dafür wurden Fremdkörper auf eine Art und Weise im inneren der Bäume versenkt, sodass die Bäume davon keinen Schaden tragen, Kettensägen aber schon. Es besteht große Verletzungsgefahr, sollten Menschen dieser Warnung zum Trotz auf die Idee kommen, die Rodungen zu beginnen.

Forstarbeiter und der Feuerwehrobermeister von Homberg (Ohm) wurden umgehend informiert.

Wir fordern den Stopp jeglicher weiterer Baumaßnahmen und solidarisieren uns mit allen vergleichbaren Forderungen weltweit.
Wir sind eine autonom agierende Kleingruppe, die unabhängig von den Besetzern agiert, denen wir viel Erfolg wünschen.


Dokumentation: Angriff auf Jaguar Deutschland in Kronberg

Unsere geplante Aktion ist ein Regelübertritt – deshalb haben wir ihn auch nicht offen angekündigt. Wir stellen uns damit in die Tradition kämpferischer sozialer Bewegungen. Wie die Bewegung, welche gegen die einst mächtige Atomindustrie den Atomausstieg erstritten hat. Wie diejenige die heute im Hambacher Forst versucht den Kohleausstieg durchzusetzen. Oder die hier am Flughafen Frankfurt jahrelang gegen den Bau und die Inbetriebnahme der Startbahn West gekämpft hat. In sozialen Bewegungen braucht es den Regelübertritt, den Ungehorsam, und eben auch die Militanz. Nur so wird es möglich, die eigenen Inhalte und Forderungen gegen die Regierenden und die Mehrheitsgesellschaft aufzuzeigen, denkbar zu machen und durchzusetzen. Militanz ist notwendig und legitim.

In zwei Wochen startet in Frankfurt einmal mehr die Propagandashow namens Internationale Automobilausstellung (IAA), bei der das zentrale klima- und umweltzerstörerische Verkehrssystem von Gestern ausgestellt und gehypt werden wird.

Wir unterstützen und solidarisieren uns mit den Aktivist*innen, die die IAA blockieren wollen (auch wenn es andersherum nicht so sein wird.) Ganz richtig heißt es in deren Aufruf: „Auf der IAA in Frankfurt werden das deutsche Autoverkaufsministerium und die Spitzen von VW, Daimler, BMW & Co. sich und ihre zerstörerischen Blechkisten feiern. Kein Wunder: Die Auto-Industrie gehört zu den mächtigsten Fraktionen der deutschen Wirtschaft und bildet das Fundament des deutschen Export-Modells – mit seinen verheerenden ökonomischen, sozialen und ökologischen Folgen weltweit.“ Diese Show wollen auch wir als das entlarven, was sie wirklich ist: Profitlogik auf dem Rücken der Ärmsten und der zukünftigen Generationen. Wir denken, es ist höchste Zeit, dem Automobilismusim Speziellen und der kapitalistischen Profitlogik als Ganzes Steine ins Getriebe zu werfen!

Der Kapitalismus rast mit Vollgas in eine globale Heißzeit mit unabsehbaren Folgen. Während die Verkehrswende längst in vollem Gange sein müsste, verkauft die Auto-Industrie ungebremst ihre Protzschlitten an die scheinbaren Gewinner des kapitalistischen Wirtschaftssystems. Je größer die Klimakrise wird, je weiter sich die soziale Schere öffnet, desto größer und monströser werden die Autos der Oberklasse. Völlig losgelöst von ihrem Gebrauchswert dienen sie als Statussymbol. Sie sollen symbolisieren: Ich habe im kapitalistischen Überlebenskampf stets die Pole Position inne. Ich bin stärker und fahr dich mit meinem Stadtpanzer platt. Ich denke heute nur an mich und meine Familie. Mir ist scheißegal wie das Morgen werden wird.

Wir sagen: Es reicht! Niemand muss Luxusautos fahren!

Sucht euch gefälligst andere Statussymbole, wenn ihr euch selbst nicht gut genug seid.

Und weil Appelle nichts nutzen, weil 1000 mal für alle offen kommuniziert worden ist, welche zerstörerische Technologie das Automobil ist und trotzdem Millionen davon fasziniert sind und sich stellenweise kaum etwas schöneres vorzustellen vermögen, als einmal in ihrem Leben einen Jaguar, einen Land Rover oder einen Aston Martin zu fahren, ist es Zeit sichtbare Fakten zu schaffen! Einfach mal anzufangen diese Dreckschleudern zu entsorgen. Deshalb haben wir uns in den frühen Morgenstunden des 26. August 2019 mit einigen vernünftigen Menschen getroffen. Wir haben die Eingangsbereiche von Jaguar Deutschland, Land Rover und Aston Martin in Kronberg zerstört und versucht so viele Luxuskarren wie möglich kaputt zu schlagen. Über 40 werden es wohl gewesen sein.

Wahrscheinlich heulen jetzt wieder welche rum, wegen den angeblich „gesicherten Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie“ und so… Bullshit! Erstens ist der massive Abbau von Arbeitsplätzen in anderen Sektionen kein Problem (als beispielsweise die Subventionen für die Solarzellenproduktion gestrichen wurden und zehntausende Jobs in der Solarenergie wegfielen.). Und darüber hinaus gilt das, wenn überhaupt, nur für die Arbeitsplätze hier in den westlichen Industriestandorten. Die globale Produktionskette von Autos ist geprägt von prekären bis mörderischen Arbeitsbedingungen: Unvorstellbare Bedingungen beim Abbau von Gold und Seltenen Erden für die Elektronik, Raubbau und sklavenähnliche Verhältnissen in der Gummi- und Baumwollherstellung, Manchesterkapitalismus in den Zuliefererbetrieben im globalen Süden, Billigausbeutung derer die auf Containerschiffen oder LKWs die Waren in die Metropolen bringen etc. pp. Und nicht zu vergessen, unwürdige und ressourcenintensive Massentierhaltung für das feine Leder des LandRovers…

Nicht nur ein fahrendes Auto ist eine Katastrophe, sondern auch die Produktion, und zwar eine ökologische wie eine soziale.
Wir stellen unsere Aktion auch in den Kontext um die Kämpfe um lebenswerte und solidarische Städte. Die LandRovers von heute fahren nicht offroad, sondern in den überhitzten In-Vierteln der Metropolen. Da wo es für die reiche urbane Oberschicht chic geworden ist zu leben, wo die Mieten steigen, wo gewachsene Nachbarschaften zerschlagen werden, wo einkommensschwache Menschen an den Rand der Metropolen verdrängt werden. Wir sagen: Stadt für Alle anstatt Stadt der Reichen.

Es ist alles gesagt. Alle wissen Bescheid. Alle haben sich zu entscheiden. Es ist Zeit zu handeln.

Wir rufen dazu auf, sich an den Aktionstagen, der Demo und den Blockaden der IAA am 14. und 15. September zu beteiligen.
Wir rufen dazu auf, sich an den lokalen fridays for future-Mobilisierungen der Schüler*innen sowie am Globalen Klimastreik solidarisch zu beteiligen.
Wir rufen dazu auf, sich ins Handeln zu begeben und eigene Aktionen gegen kapitalistischen Wahnsinn, die ökologische und soziale Zerstörung zu starten. Dies sagen wir insbesondere den möglichen Kritiker*innen unserer Aktionsform.

Wir senden solidarische Grüße an die Aktivist*innen im Baskenland, die gegen die Propagandashow namensG7-Gipfel protestieren, bei der das zentrale klima- und umweltzerstörerische Regierungssystem von Gestern gehypt werden wird.

Wir senden solidarische Grüße an alle Gefangene und Betroffene der Repression während und nach des G20-Gipfels in Hamburg, insbesondere Loic und die drei von der Parkbank.

Wir senden solidarische Grüße an alle, die sich gegen Gentrifizierung und Verdrängung einsetzen, insbesondere die Liebig 34 in Berlin.
Wir senden solidarische Grüße aus Kronberg an Lisa in den Knast! Steine ins Getriebe


Dokumentation: Greta und Kenny schlagen zurück

In dieser Woche haben wir in Österreich, der Schweiz und Deutschland in zahlreichen Städten hunderte von E-Scootern aus dem Verkehr gezogen.
Egal ob ins dornige Gebüsch geworfen, per Aufkleber über dem QR-Code unmietbar gemacht, per Kabelbinder um Vorderrad und Rahmen immobil gemacht, oder mit einem kräftigen Schlag mit dem Hammer auf das Display am Lenker und die darunter liegende Elektronik für längere Zeit unschädlich gemacht, unsere Aversion gegen diesen höchst unökologischen „Mobilitäts-Trend“ wird für alle sichtbar.

Die extrem umweltschädlichen Elektroroller stehen seit Juni in vielen Städten auf den Straßen. In dieser Zeit hat sich gezeigt: E-Scooter ersetzen kein einziges Auto. Mit E-Scootern fahren Touris und Hipster Kurzstrecken unter 2 Kilometern, die sie zuvor zu Fuß oder per Rad zurückgelegt haben. E-Roller sind überflüssige Stromfresser – mit einer überaus schlechten Ökobilanz: Der E-Scooter schneidet hinsichtlich der CO2-Emission pro Person und Kilometer deutlich schlechter ab als ein Dieselbus. Er erzeugt fast die Hälfte der klimaschädlichen Emissionen eines Auto(mit-)fahrers. Grund dafür ist vor allem der schnelle Verschleiß der Scooter, die schon nach wenigen Monaten ausgemustert werden müssen. Dazu kommt der Energieaufwand beim Einsammeln und Aufladen der Roller.

Wir rufen alle dazu auf, in der nun früh einsetzenden Dämmerung die alltäglichen Wege für die Sabotage der Hipsterroller zu nutzen. Es ist längst nicht mehr die Zeit, aufzuklären und zu appellieren. Es macht keinen Sinn zuzusehen, wie sich die Welten der „Mir doch egal“-Ignoranten und die der „Mahner“ schlicht weiter voneinander entfernen – ohne jeden Einfluss auf die eine Realität in der wir nun mal leben. Massenhaft praktizierte Kleinst-Sabotage ist vielleicht eine Methode (von vielen), diese Welten für alle sichtbar zusammenzuführen und den Konflikt spürbar werden zu lassen.


2. Stellungnahme zur Brandstiftung in der Falkstraße

Mitte August haben wir ein Auto der Firma Siemens mit Feuer angegriffen. Dabei griff der Brand auf weitere PKWs über. Wegen der Rauchentwicklung mussten zwei Menschen ärztlich behandelt werden. Wir bedauern, dass Menschen zu Schaden gekommen sind, denn die Unversehrtheit von Unbeteiligten sollte im Zentrum militanter Praxis stehen. Definitiv lief die Aktion schief und wir ziehen unsere Schlüsse daraus.
In der Swing Nr 214 wurde unsere Aktion und der zugegebenermaßen dürftige Text stark kritisiert. Wir wollen hier jedoch nicht so sehr auf den Text der Swing-Redaktion eingehen. Uns geht es nicht um eine Rechtfertigung der Aktion oder ihres Verlaufs. Vielmehr wollen wir unsere Motivation und unsere Haltung zu linker Militanz ausführlicher darstellen.

Motivation

Der Angriff auf Siemens bedeutet für uns ein Handeln gegen die Überwachung des öffentlichen Raums. Ein Handeln gegen Militarisierung und ein Handeln gegen den Schrecken, den Knäste unter unangepassten Individuen anrichten sollen. Wir sind uns bewusst, dass wir an der Stelle von Loic oder den Dreien von der Parkbank sein könnten; deshalb wollen wir mit der Logik der Repression brechen.

Kriterien linker Militanz?

Wie schon oben erwähnt sollte es im Mittelpunkt militanter Praxis sein, Unbeteiligte nicht zu verletzen. Abgesehen davon sind wir der Meinung, dass es keine festen “Regeln” für linke Militanz gibt. Vielmehr sollte die Wahl der Mittel am konkreten Beispiel diskutiert und getroffen werden. Im Falle staatlicher Repression geht es darum, eine Antwort zu finden, die den Schaden hochtreibt, die möglichst unberechenbar ist und die die Isolation der Gefährt*innen im Gefängnis aufbricht. Durch die Tat entsteht eine Kommunikation mit Anderen, die ähnliche Ansätze haben.

Im Nachgang von Aktionen finden wir eine Diskussion über Ziele und Vorgehen interessant und wichtig. Diese sollte kritisch-solidarisch geführt werden, auch wenn eine Aktion schief läuft.
Wir wünschen uns, dass eine solche Diskussion in der Swing geführt wird und begreifen dies als unseren kleinen Beitrag dazu.


Know your Enemy – einige Gedanken nach Halle

Nach dem rechten Terror in Halle, bei dem nur eine robuste Holztür und der Defekt einer selbstgebauten Waffe den Täter von der Erschießung vieler Jüd*innen in einer Synagoge abgehalten hat und er stattdessen eine Passantin sowie den Gast des anschließend angegriffenen Dönerladens ermordete, wird nicht nur in Halle verschärft diskutiert, wie Schutz vor rechtem Terror praktisch aussehen muss und kann.
Antisemitische, rechte und rassistische Angriffe und Morde haben in Deutschland eine lange und ungebrochene Tradition. Unseren Ekel über die gespielte Überraschung und das ritualisierte Entsetzen der Bundesregierung über den antisemitischen Terroranschlag auf die Synagoge und das zugleich weitgehende Schweigen über den rassistischen Anschlag auf den Dönerladen, haben (wenige) andere bereits treffend formuliert, dies soll hier nicht Thema sein. Wenig Aufmerksamkeit hat indes bislang der Umstand erhalten, dass laut Eigenaussage des Täters als Ziel zunächst eine Moschee oder ein AZ angedacht war, wie aus seinem Manifest hervorgeht.

Ein rechter Terroranschlag auf ein AZ: Krasse Vorstellung. Aber komplett unvorstellbar? Es ist wohl klar, dass sich die radikale Linke in Schland gegen einen rechten Terrorangriff mit Schusswaffen auf ein Hausprojekt oder auf eine Einzelperson nicht angemessen selbst verteidigen könnte. Den Schutz von linken Zentren vertrauen wir verstärkten Türen und verbarrikadierten Fenstern an und spätestens jetzt sollte in unseren Zentren diskutiert werden, ob dieser Schutz ausreichend ist. Aber bewaffnete Angriffe auf Menschen, die von Rechten zum Feindbild erklärt werden, sowie Brandsätze auf linke Projekte sind nicht neu, letzteres ist nicht nur im Rhein-Main-Gebiet sogar erschreckend aktuell.

Die Rechten entwaffnen! Nur, wie?

Allein im vergangenen Jahr wurden bundesweit laut einer kleinen Anfrage der Partei „Die Linke“ bei den Rechten insgesamt 1.091 Waffen gefunden, darunter Schuss- und Kriegswaffen, sowie Stichwaffen – Tendenz steigend. Zu den Waffenfunden kommen Schießtrainings von Rechten im In- und Ausland sowie Waffen- und Munitionsklau bei der Bundeswehr. Die kürzlichen rechten Angriffe mit Tötungsabsicht in Hessen, dem Mord an Walter Lübcke in Kassel und der versuchte Mord an Bilal M. in Wächtersbach, werden nicht die letzten sein. Anders als Persons of Colour oder Menschen in exponierten Stellen oder Orten wie Synagogen oder Moscheen, haben weiße deutsche Durchschnittslinke allerdings die Option auf ein unauffälliges Erscheinungsbild, um auf der Straße nicht ins Visier rechter Gewalttäter*innen zu geraten.

Der Staat wird’s schon richten?

Auch bei dem durchgeknallten Einzeltäter par excellence, dem Brandstifter Joachim Scholz hier im Rhein-Main-Gebiet, fordern wir mehr oder weniger explizit das Eingreifen von Polizei, Justiz und Psychiatrie.
Zurecht wird im Bezug auf rechte Angriffe und Morde – wie zuletzt Halle – stets das staatliche Versagen angeklagt, sowie die Entwaffnung der rechten Szene eingefordert. Die Hilflosigkeit der an sich zutreffenden Forderung wird offensichtlich, wenn wir einen Schritt weiterdenken und uns fragen, an wen wir diese Forderung eigentlich richten. Sind es die Polizeien und anderen staatlichen Institutionen und Akteure, die bereits bei der Aufklärung der NSU-Morde und rechter Netzwerke versagen? Also diejenigen, die, wie etwa im Frankfurter 1. Polizeirevier, Menschen verbal mit dem Tod drohen oder mit Bundeswehrsoldaten und Richtern in Chatgruppen die Liquidierung von politischen Gegner*innen planen, Todeslisten führen und bereits Löschkalk und Leichensäcke organisieren? Diejenigen, die – wie eine Gruppe von Bullen in Berlin – interne Daten von linken Aktivist*innen ermitteln und daraufhin persönlich bedrohen? Diejenigen, die 25.000 Personen größtenteils nicht darüber informieren, dass sie auf rechten Listen stehen? Diejenigen, die rechte Bedrohungen und Angriffe verharmlosen und nicht strafrechtlich verfolgen?

Armee der Einzeltäter

Wir beklagen zurecht ständig die staatliche Formel von angeblichen „Einzeltätern“ im Polizeiapparat, im Verfassungsschutz und verwandten Institutionen und fordern deren Abschaffung. Doch wir müssen uns eingestehen, dass wir in demselben Atemzug – unausgesprochen – mit unseren Forderungen genau diese adressieren, doch endlich das bedrohliche System rechter Netzwerke anzuerkennen.

Wir selbst haben diese Erkenntnis ja längst verinnerlicht. Oder etwa nicht? Falls ja, sind dann nicht unsere Forderungen nach Entwaffnung der Rechten oder nach Aufklärung rechter Netzwerke wider besseren Wissens? Taugen die staatlichen Institutionen doch nur unzureichend oder ausnahmsweise zur Aufklärung und häufig nicht zu einer angemessenen Strafverfolgung. Doch das Eingeständnis vom Wissen über den Umfang bewaffneter rechter Netzwerke und ihrer Verbreitung in den Staatsapparaten ruft auch bei vielen von uns wohl vor allem Furcht hervor, da wir selbst wenig bis gar keine praktischen Antworten darauf haben: So ist es weniger Angst einflößend, nicht darüber nachzudenken, was die Durchsetzung staatlicher Institutionen mit extremen Rechten für uns in letzter Konsequenz bedeuten kann und lieber insgeheim zu hoffen, dass die bislang bekannt gewordenen Fälle eben doch nur Ausnahmen und Einzelfälle sind. Mit den parlamentarischen Erfolgen der AfD wird sich die Gefahr auch für politische Gegner*innen allerdings noch verschärfen.
Dieser Text bietet zugegebenermaßen viele Fragen und keine Antworten. Es ist an uns allen, die Diskussion weiterzuführen – privat oder öffentlich hier in der Swing.
Antifa bleibt Handarbeit


Die Stöckl-Show

Die mediale Selbstinszenierung des rechten Youtubers Henryk Stöckl

Nachfolgender Artikel ist im Magazin Lotta Ausgabe Nr.75 erschienen:

Der 25-Jährige Immobilienkaufmann Henryk Stöckl aus dem Großraum Frankfurt buhlt wie zahlreiche andere AfD-nahe „YouTuber“ um die Gunst eines wachsenden reaktionären Publikums auf der Suche nach ihren ideologischen Überzeugungen gemäßen „Nachrichten“.
Bundesweite Bekanntheit erlangte er durch eine unbegründet intensive Berichterstattung über ihn als Urheber zahlreicher bewusster Falschmeldungen. Indes ist er nur einer von vielen, die im Zuge des gesellschaftlichen Rechtsrucks ihre Berufung darin sehen, mit einem Smartphone ausgerüstet so viele rechte Veranstaltungen wie möglich zu filmen und dabei eine „wahrheitsgemäße“ Berichterstattung kolportieren.

Anfänge

Stöckl nahm eines seiner ersten YouTube-Videos bei einer Veranstaltung der AfD zur Bundestagswahl mit den heutigen Bundestagsabgeordneten Mariana Harder-Kühnel, Alice Weidel und Markus Frohnmeier im September 2017 in Hanau auf, wobei thematisch das rassistische Motiv des „Flüchtlings als Vergewaltiger“ bedient wurde. Dieses Motiv zieht sich, ebenso wie das Herbeisehnen „bürgerkriegsähnlicher Zustände“, wie ein roter Faden durch das gesamte „Werk“ Stöckls. Verbreitete er zunächst selbst zusammengeschusterte Ausschnitte von Fernsehauftritten der AfD als inoffizielle Wahlwerbung und sprach von seinem Küchentisch aus Wahlempfehlungen für die Partei aus, so ging er bald zur Vor-Ort-Berichterstattung von rechten Aufmärschen über. Mit reizwortüberfluteten Videotiteln versucht Stöckl ein wachsendes Publikum (extrem) rechter MedienkonsumentInnen anzusprechen. Die Qualität seiner Videos und seiner über Twitter und Instagram verbreiteten Grafiken ist allerdings nicht besonders hoch.

Der Lügner von Freiburg

Stöckl generierte erstmals größere Aufmerksamkeit mit Videobeiträgen über die rassistischen Aufmärsche in Chemnitz im September 2018, welche in den sozialen Medien unter anderem von AfD-PolitikerInnen wie Christina Baum (MdL Baden-Württemberg) weiter verbreitet wurden. In dieser Zeit freundete er sich mit der rechten Bloggerin Inge Steinmetz an, mit der er bis heute regelmäßig Demonstrationen besucht.

Stöckl stach weiter mit gezielten Lügen in seiner Berichterstattung über eine rassistische Demonstration der AfD in Freiburg im Oktober 2018 hervor. Er fabulierte einen nur knapp vermiedenen „Massenmord Durch Antifa (sic!)“ herbei und manipulierte sein Video durch Schnitte und die Einblendung kalkulierter Falschbehauptungen, um es möglichst bedrohlich wirken zu lassen. Zur Demonstration nach Freiburg reiste Stöckl, zu diesem Zeitpunkt Mitglied der Jungen Alternative (JA) in Hessen, mit Stefan Räpple (AfD, MdL Baden-Württemberg) an, der dort eine Rede hielt. Räpple steht der HolocaustleugnerInnen-Szene und der Identitären Bewegung nahe. Im gleichen Monat unterschrieb Stöckl auch den im Wesentlichen von der AfD-Landtagsfraktion Baden-Württemberg initiierten „Stuttgarter Aufruf“, der eine Bekräftigung der extrem rechten Ausrichtung der Partei darstellt. Stöckls Kontakte zu Baum und Räpple rühren aus seiner Berichterstattung über die rassistischen Demonstrationen des Frauenbündnis Kandel (FBK, vgl. Lotta #70). In den vergangenen Monaten nahm er darüber hinaus an den Aufmärschen der FBK-nahen „Gelbwesten“ in Wiesbaden um Sandra Scheld teil, berichtete aus Frankfurt von Heidi Munds „Frauenkundgebung“ auf der Zeil und von einer Podiumsdiskussion mit Jörg Meuthen (AfD) an der Frankfurt University of Applied Sciences.

Bei Demonstrationen betätigt sich Stöckl zudem als „Anti-Antifa“-Aktivist und nutzt seine Videos, um vermeintliche politische Gegner*innen anzuprangern, ohne dabei zwischen antifaschistischen Aktivist*innen und Journalist*innen zu unterscheiden. So veröffentlichte er in seinen Videos und via Twitter Porträtfotos von Journalist*innen und forderte seine ZuschauerInnen auf, die betreffenden Personen zu identifizieren.

Märchenerzähler im Medienhype

Im Nachgang der Großdemos in Chemnitz konnte Stöckl von einer Medienberichterstattung profitieren, die die Ursache der rassistischen Mobilisierung in der Verbreitung von „Fake News“ suchten und den hegemonialen gesellschaftlichen Rassismus dabei ausklammerten. Den Anfang machte ein Artikel über Stöckl von BuzzFeed News. Zwar illustrierten die Aussagen Stöckls im Rahmen des Artikels deutlich, dass er viele seiner Behauptungen frei erfindet, doch wurde seine Bedeutung zur Vermarktung des Artikels durch das Medium aufgebauscht. Er erlangte so eine größere öffentliche Bekanntheit, die er aus eigener Kraft sicherlich nicht erreicht hätte.

Aktuell folgen ihm etwas mehr als 34.000 Personen, damit liegt er im Mittelfeld der rechten YouTube-Szene. Seine reichweitenstärksten Beiträge haben die extrem rechten Großaufmärsche 2018 in Chemnitz und Kandel zum Thema. Mit über 900.000 Klicks sehr erfolgreich ist aber auch ein kommentierter Ausschnitt eines Talkshowauftritts von Jörg Meuthen und Katrin Göring-Eckhardt (Die Grünen). Videos, in denen Stöckl als politischer Kommentator selbst im Mittelpunkt steht, haben hingegen nur wenige Tausend Aufrufe.

Auffällig ist, dass Stöckl kaum Kontakte zu „namhaften“ rechten YouTubern unterhält. Lediglich Oliver Flesch (Kanal „Heimatliebe“, 23.000 Abos) bezieht sich positiv auf ihn als „Kriegsreporter der Herzen“. Auch die AfD hält Stöckl offiziell auf Abstand — die JA Hessen gab Ende 2018 an, ihn ausschließen zu wollen, in die AfD wurde er laut eigener Aussage nicht als Mitglied aufgenommen.

Karrierechancen?

In jüngster Zeit hat Stöckl neue Formate entwickelt und versucht verstärkt, mit anderen rechten YouTubern zusammenzuarbeiten. Hierzu zählt ein Gespräch mit Ignaz Bearth, „Auslandsbeauftragter“ der neonazistischen Partei National Orientierter Schweizer (PNOS), und mit Alexander Unterberg, ein in die USA ausgewanderter rechter „YouTuber“ aus Deutschland (Kanal „Alexander Unterberg“, 7.900 Abos). Außerdem hat er auf dem Kanal „Stöckl Live“ Livestreams von einem Dutzend rechter Aufmärsche veröffentlicht, die aber meist nur wenige Tausend Aufrufe erreichen.

Erschwerend kommt für ihn die Befürchtung hinzu, dass seine Profile dauerhaft bei Facebook oder YouTube auf Grund strengerer Richtlinien gesperrt werden könnten. Daher weicht er zunehmend auf Netzwerke wie VK und Telegram aus und versucht zudem — wie zahlreiche andere (extrem) rechte MedienmacherInnen — durch Crowdfunding eine eigene Nachrichtenwebsite sowie bessere technische Ausstattung zu finanzieren und im besten Fall ein regelmäßiges monatliches Einkommen einzuwerben. Eine gute finanzielle Grundlage würde es Stöckl ermöglichen, sich von einem AfD-nahen Berichterstatter, der seine Wochenenden damit verbringt, mit gezücktem Smartphone von einer extrem rechten Demonstration zur nächsten zu reisen, zu einem hauptberuflichen Propagandisten zu wandeln. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses des LOTTA #75 hat Stöckl aber lediglich Spenden in Höhe von sechs US-Dollar pro Monat gesammelt.


Wo Sozis Republikaner ehren

„Auch wenn uns politisch in unserer Grundausrichtung vieles trennt, so lässt sich allemal zugestehen, dass die Stadtverordnetenversammlung ärmer wäre ohne seinen Humor, seine langjährige kommunalpolitische Erfahrung und seine Hartnäckigkeit in der Sache.“ So begründete der Sozialdemokrat und Hanauer Oberbürgermeister Claus Kaminsky die Verleihung des Ehrenbriefs des Landes Hessen an den stadtbekannten Rechtsradikalen, Rassisten und Republikaner Bert Rüdiger Förster. Wir könnten jetzt über die nichtige Bedeutung dieses sogenannten Ehrenbriefs sprechen, oder die mittlerweile nichtige Bedeutung der Partei der Republikaner angesichts der Erfolge der AfD, aber das fänden wir alles langweilig. Bemerkenswert finden wir die Begründung des Hanauer Oberbürgermeisters, der sich ansonsten als demokratischer Antifaschist präsentiert und sich für diese Inszenierung auch mal mit ausgestreckten Mittelfinger gegenüber NPD-Aufmärschen ablichten lässt oder auf der zentralen Kundgebung Gegen Rechts am 1. Mai spricht. Denn mit den entpolitisierten Sekundärtugenden, die Kaminsky auflistet, um die Würdigung Försters mit dem Ehrenbrief zu begründen, ließen sich auch zentrale Nazi-Täter wie der lebenslustige Göring oder der musikalische Heydrich ehren.

In diesem Beispiel wird deutlich, wie inhaltsschwach, konsequenzlos und ohne politische Analyse die politische Mitte und die politische Klasse dem rechten Angriff gegenüber steht. Wer im Kampf gegen Faschismus, Rassismus und autoritäre Verschiebung auf politische Gestalten wie Kaminsky und andere Sozis vertraut oder auch nur substanzielles erwartet, wird sehenden Auges auf die Nase fallen. Diese Typen sprechen auch beim x-ten faschistischen Anschlag von „Warnzeichen“ und „Wehret den Anfängen!“, sie bemühen die Extremismus-Theorie und fallen jeder tatsächlichen antifaschistischen Praxis in den Rücken. Jeder noch so abgedroschen wirkende Slogan aus der antifaschistischen Bewegung beinhaltet mehr Analyse und Perspektive, als alles, was uns Gestalten wie dieser Oberbürgermeister anzubieten hätten. In diesem Sinne: Bildet Banden. Antifa bleibt Handarbeit. Hanau hasst Nazis. Fuck you, Claus!

Antifas aus Hanau


Kein Gedenken an Nazis

Da es in vielen Orten immer noch Straßennamen gibt, die nach ehemaligen NS-Nazis oder deren Kollaborateuren benannt sind, gibt es auch immer wieder Protest und Umbennenungsforderungen deswegen! So aktuell in Darmstadt wegen der Hindenburgstraße oder in Wiesbaden wegen der Pfitznerstraße, die nach dem Hitler-Bewunderer und Komponisten Hans Pfitzner benannt ist.
Im Folgenden ein Text vom Bündnis gegen Rechts / Darmstadt zu einem Strafverfahren im Zuge der Proteste:

Verfahren eingestellt – Erfolg für Hindenburgstraßen-AktivistInnen

Nachdem der Darmstädter Magistrat vor einigen Monaten beschlossen hatte, die Hindenburgstraße umzubenennen, können AktivistInnen für die Umbenennung der Straße einen weiteren Erfolg feiern: Das Verfahren gegen drei Personen wegen Amtsanmaßung und Sachbeschädigung wird eingestellt. Sie hatten im Januar 2018 die Straßenschilder der Hindenburgstraße mit dem Schriftzug „Halit-Yozgat-Straße“ überklebt.

Jahrzehntelang störte sich kein Lokalpolitiker Darmstadts an der Benennung einer großen Straße nach demjenigen, der dem Terrorregime der Nazis den „roten Teppich“ ausgelegt hatte. Auch die Sozialdemokraten Darmstadts, die zu den nach den Kommunisten am meisten bedrängten und verfolgten Parteien gehörte und in Darmstadt mit einer großen Mehrheit Jahrzehnte lang regierte, sah keinen Handlungsbedarf. Eine Frage des Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Darmstadt, Moritz Neumann, im Vorwort des 2000 erschienen Buches „Von Adelung bis Zwangsarbeit“ „Warum heißt eigentlich die Hindenburgstraße noch immer Hindenburgstraße?“ blieb ohne erkennbare Reaktion der Darmstädter Kommunalpolitik.

Auch als zivilgesellschaftliche Organisationen, zusammen geschlossen im „Bündnis gegen Rechts“ ab den 2000er Jahren regelmäßig mit Demonstrationen Veranstaltungen und anderen Aktionen auf eine Umbenennung der Hindenburgstraße drängten, schlug nur die PDS 2004 vor, die Straße nach dem Darmstädter Widerstandskämpfer und NS-Opfer Arvid Harnack zu benennen. Es folgten zaghafte Erklärungen der Grünen. Die SPD schwieg und die CDU sowieso.
Der weiter anhaltende Druck führte wohl zu einem ersten Schritt zur grundsätzlichen Klärung der Neu-Benennung von Straßen mit Namen belasteter Personen. Am 19. Februar 2013 beschloss die Stadtverordnetenversammlung den Magistrat zu beauftragen, alle Namensgeberinnen und Namensgeber von Darmstädter Straßennamen daraufhin zu überprüfen, ob deren Leben bzw. politische Einstellung sich mit den Werten einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft vereinbaren lässt.

Überzogene Reaktion der Staatsgewalt und Rückzug

Die drei Mitglieder des „Bündnisses gegen Rechts“ hatten, um die Notwendigkeit einer Umbenennung zu unterstreichen, am Vortag der sogenannten „Machtergreifung“ – besser Machtübertragung durch Hindenburg an Adolf Hitler – die Straßenschilder der Hindenburgstraße in einer symbolischen Aktion erneut mit dem Namen „Halit-Yozgat-Strasse“, einem Opfer der rechten Mörderbande NSU, überklebt. Der nächtliche Polizeieinsatz von vier Einsatzwagen und neun (9!!!) PolizeibeamtInnen führte zu einer Feststellung der Personalien und der Ankündigung einer Strafanzeige. Angesichts der allzeit behaupteten Personalknappheit der Polizei ist dies beachtlich. Der Strafvorwurf lautete Amtsanmaßung und Sachbeschädigung. Beides wiesen die drei von der Polizei angetroffenen RentnerInnen mit Entschiedenheit zurück.

Im August 2018 bot die Staatsanwaltschaft von der Erhebung einer öffentlichen Anklage bei Zahlung von jeweils 200 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung abzusehen. Da dies einem Schuldeingeständnis gleichgekommen wäre, wurde das großherzige Angebot abgelehnt. Folglich erhielten die drei Rentner im September 2018 eine Anklageschrift.

Im März 2019 folgte die Ladung zu einer Erkennungsdienstlichen Behandlung, die im Nachhinein Prinzip nur bei vermutlichen Wiederholungstätern angewandt wird. Diesem Kriminalisierungsversuch und eindeutiger Provokation wurde widersprochen.

Im Widerspruchsbescheid des Polizeipräsidiums Südhessen vom Juni 2019 wurde festgestellt, dass ihr Verlangen nach einer ED-Behandlung rechtswidrig gewesen sei. Wenige Wochen später, nachdem die Justiz vor der Frage stand, sich in einer öffentlichen Verhandlung mit diesem Komplex beschäftigen zu müssen, wurde nach Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten durch das Amtsgericht Darmstadt das Strafverfahren auf Kosten der Staatskasse eingestellt.
Auch nachdem der Magistrat beschlossen hat, neben der Hindenburgstraße sieben weitere Straßen umzubenennen, bleiben noch genügend Straßen übrig, die nach NS-Belasteten Personen benannt sind. Zu nennen sind hier die Robert-Cauer-Straße, der Hoetgerweg, der Krolow-Weg und der Max-Ratschow-Weg, für dessen Umbenennung der vom Magistrat bestimmte Beirat zwar mehrheitlich, aber nicht einstimmig votierte.

Auch die nach Karl Esselborn, Richard Hammer, Gerhart Hauptmann, Arnold Krieger, Otto Leydhecker, Albin Müller, Heinz Winfried Sabais, Carl Christoph Schmelzer, Wilhelm Stühlinger, Frank Thiess, Emil Voltz und Heinrich Zernin benannten Wege und Straßen bedürfen einer Umbenennung.


Rechter Terror? Verfassungsschutz auflösen!

Zu neueren antifaschistischen Erkenntnissen zum Mord in Kassel schreiben die Genoss*innen von der antifaschistischen Recherche-Plattform Exif folgendes:
„Am 1. September 2018 nahmen die Kasseler Neonazis Stephan Ernst und Markus Hartmann an einer AfD-Demonstration in Chemnitz teil. Stephan Ernst ist dringend tatverdächtig, am 2. Juni 2019 den nordhessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke ermordet zu haben. Markus Hartmann, einem engen Freund von Ernst, wirft die Generalbundesanwaltschaft „Beihilfe zum Mord“ vor.

Wie Ernst sitzt Hartmann derzeit in Haft. Er soll Ernst nicht nur an den Waffenhändler vermittelt haben, bei dem dieser die Tatwaffe kaufte, sondern sich auch gemeinsam mit ihm radikalisiert und an Schusswaffen trainiert haben. Bei einer Hausdurchsuchung wurde bei Hartmann ein Buch des extrem rechten Autors Akif Pirinçci gefunden, indem der Name des Tatopfers Dr. Walter Lübcke mit einem Textmarker gelb markiert worden war. Die politischen Weggefährten besuchten am 14. Oktober 2015 zusammen die Bürgerversammlung in Lohfelden bei Kassel, auf der Walter Lübcke den Plan verteidigte, vor Ort eine Unterkunft für geflüchtete Menschen einzurichten. Dort wohnte der 22-jährige Ahmed I., dem am 6. Januar 2016 in der Nähe der Unterkunft von einem vorbeifahrenden Radfahrer ein Messer in den Rücken gestoßen wurde. Ahmed I. wurde lebensgefährlich verletzt und erlitt bleibende Schäden. Die Generalbundesanwaltschaft verdächtigt Stephan Ernst, auch diese Tat begangen zu haben.

Bereits 2009 nahmen Hartmann und Ernst an Neonazi-Aufmärschen in Dortmund und Dresden teil. Markus Hartmann wurde zudem im Juni 2006 zum NSU-Mordfall Halit Yozgat befragt, da er auffallend häufig die Fahndungsseite der Polizei im Internet aufrief. In nur wenigen Sätzen erklärte Hartmann damals in einer Zeugenvernehmung, dass er Halit Yozgat und einen Freund von Yozgat kenne. Weitere Nachfragen der Polizei blieben aus, obwohl bereits damals aktenkundig war, dass Hartmann der organisierten Neonazi-Szene angehört. Vor wenigen Tagen wurde zudem bekannt, dass Hartmanns politischer Weggefährte Stephan Ernst namentlich elf mal in dem gesperrten NSU-Geheimbericht des Verfassungsschutzes Hessen auftaucht.“ Soweit die Beschreibung bei Exif. Die zuletzt erwähnte Anzahl der Nennung der Namen Stephan Ernst und Markus Hartmann im Geheimbericht des Hessischen Verfaschungsschutzes hat der Journalist Dirk Laabs gerichtlich durchgeklagt. Der Hessische Innenminister Peter Beutlin lässt den Abgeordneten des Hessischen Landtags nur scheibchenweise und widerwillig Informationen zukommen – mit der offensichtlichen Motivation, der Öffentlichkeit keine einzige Information mehr zukommen zu lassen als sowieso demnächst bekannt werden würde. Durch die Verbindung dieser spärlichen Informationen miteinander lassen sich dennoch Thesen entwickeln. Unsere aktuelle Einschätzung ist die, dass Stephan Ernst und Markus Hartmann Teil eines regionalen Netzwerks war, welches militante Aktionen bis hin zu terroristischen Anschlägen propagiert und teilweise konkret vorbereitet haben. Dies sind vor allem Strukturen rund um Combat 18, der Oidoxie-Streetfighting Crew und Netzwerkern wie Stanley Röske. Teile dieser Strukturen, und damit auch Stephan Ernst und Markus Hartmann, waren wahrscheinlich sehr, sehr nah dran an den Morden an Mehmet Kubasık in Dortmund und wenige Tage später an Halit Yozgat in Kassel im April 2006. Ernst und Hartmann haben sich nie deradikalisiert, wie die sogenannten Sicherheitsbehörden behaupten. Möglicherweise haben sie nach der Selbstenttarnung des NSU im November 2011 einige Jahre auf Auftritte bei Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen der extremen Rechten, bei denen sie mit Erfassung ihrer Personen rechnen mussten, vermieden. Spätestens seit dem Erstarken der völkischen Rechten ab 2015 haben sie wieder begonnen, militante und terroristische Aktionen zu planen, vorzubereiten und – wie im Falle der Messerattacke – durchzuführen. Spätestens, als mit den Hetzjagden in Chemnitz ein rechtsradikaler Traum wahr zu werden schien, haben sie sich für die offene Teilnahme an einer Demonstration entschieden – jedenfalls sind sie hier von Antifas registriert worden.

Dies zeigt für uns: Neonazistische Strukturen sind ungebrochen in der Lage Angriffe und Terror auszuführen. Behörden wie der Verfassungsschutz sind Teil des Problems und können kein Adressat antifaschistischer Appelle und Forderungen sein. Überdeutlich, wenn der Chef des Verfassungsschutz selbst rechter Ideologe ist, wie HG Maaßen. Aber auch wenn der Leiter der Behörde ein Parteibuch der SPD hat, wie es Heinz Fromm war. Die Behörde ist nicht kontrollierbar, weder intern noch extern, und die Logik des Dienstes sorgt für Manipulation und Vertuschung anstatt für Aufklärung. Die ideologische Ausrichtung des Verfassungsschutzes war, ist und bleibt anti-emanzipatorisch und faschistoid. Wir müssen davon ausgehen, dass innerhalb des Dienstes faschistische Zirkel bestehen, die aktiv an einer rechten Revolution arbeiten, zu deren Durchsetzung sie Terroranschläge in Kauf nehmen bzw. bereit sind solche zu fördern. Eine antifaschistische Forderung bezüglich dieser Geheimdienstbehörde kann nur deren sofortige Auflösung beinhalten.

Ein antifaschistischer Zusammenhang


#BackhausBleibt – und wird Soziales Zentrum!

Wer in den letzten Wochen etwas aufmerksam war, hat es sicherlich mitbekommen: Endlich war mal wieder eine Besetzung in Frankfurt! Und gleich dazu viel Presse, gutes Feedback aus dem Stadtteil, breiter Rückhalt von unterschiedlichsten stadtpolitischen Initiativen und Nachbar*innen. Und so manch aufgescheuchte Politiker*innen. Das alles ist nicht einfach mal so passiert, versteht sich. Die Strategie der Besetzung ist jedoch vermutlich eine, die bei einigen auch so manches Fragezeichen ausgelöst hat. Wer ist diese Initiative, die da plötzlich ein Haus besetzt? Warum habe ich denn vorher nichts davon gehört, ich bekomme doch sonst immer alles mit? Und warum zur Hölle erscheint mir so vieles daran so bürgerlich? Auf unsere Ideen und Ansätze wollen wir von der IABF mit diesem Artikel eingehen und einen knappen Diskursbeitrag zur politischen Praxis leisten. Vielleicht lässt das manche Fragezeichen verblassen, vielleicht provoziert es auch so einige Gegendarstellungen. Über beides werden wir uns freuen.

Als Zusammenhang haben wir vor fast zwei Jahren angefangen, uns im Konflikt um das Gebäude einzumischen, Stadtteil­arbeit zu leisten und sehr aktiv auf die unterschiedlichsten Menschen zuzugehen. Die Arbeit am Thema war dabei nicht immer durchgängig und in Phasen haben wir uns natürlich auch mal mehr unseren anderen laufenden Projekten gewidmet. Trotzdem sind wir dran geblieben, haben die Entwicklungen verfolgt und uns eingemischt. Wir meinen es ernst damit, wenn wir sagen, dass wir auf Dauer einen neuen Raum in Frankfurt aufziehen wollen. Auch wenn dieser Raum nicht szenetypisch aufgezogen werden soll, ist er nicht als Kritik oder gar Konkurrenz zu den bestehenden Räumen gemeint. Wir sind selbst in den bestehenden Räumen aktiv und schätzen sie als Rückzugs- und Schutzraum, da auch wir nicht immer Lust und Kraft haben, uns mit all der gesellschaftlichen Scheiße auseinanderzusetzen. Trotzdem wollen und müssen wir in genau diese Gesellschaft wirken, um auf Dauer Schritte in Richtung der befreiten Gesellschaft zu gehen. Aus diesem Grund ist unser Konzept für ein neues Zentrum zwar durchaus ein radikales, in Theorie wie Praxis, aber mit einer deutlichen Offenheit gegenüber der Verschiedenheit von Menschen, die auch nicht immer unsere Positionen teilen werden. Wir wollen aber genau auch mit diesen Menschen ins Gespräch kommen, Alternativen gemeinsam finden und aufzeigen. Schritte gehen, die lange überfällig sind. Wir wollen zusammen mit Menschen in einen Prozess gehen, um Verhaltens- und Umgangsweisen auf Dauer zum Positiven zu wenden. Diese Gesellschaft ist in vielen Bereichen toxisch und wir können das nur überwinden, indem wir Menschen einbeziehen und mit ihnen ins Gespräch kommen. Unser Zentrum wird diesem Offenheitskonzept nach im Allgemeinen leider eher kein Schutzraum sein können, wenn auch einzelne Veranstaltungen durchaus diese Funktion erfüllen können. Das heißt nicht, dass wir die Massen an potentiellen Diskriminierungsformen hinnehmen werden, mit denen wir in diesem Prozess vermutlich konfrontiert sein werden. Wir möchten dem allerdings nicht direkt mit Ausschluss, Schuld und Verdammung begegnen. Auch viele von uns haben im Laufe ihres Lebens bestimmt so den ein oder anderen Mist gebaut oder gelabert, aber wir konnten lernen und durch unser Umfeld gemeinsam wachsen. Diese Fähigkeit Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam zu wachsen, wollen wir niemandem absprechen. Es wird ein Raum der offenen Konfrontation mit wohlwollender, aber klarer Kommunikation von Grenzen und Ansprüchen sein.

Dafür erhoffen wir uns, tatsächlich das gesellschaftliche Klima mindestens in unserem Einflussbereich ändern zu können.

Der Raum soll der Nachbar*innenschaft geöffnet werden und zur Umsetzung eigener Ideen einladen. Dabei setzen wir klare Anforderungen und fördern aktiv die Reflexion der gemeinsamen Praxis. Wir wünschen uns, dass die angegangenen Projekte ohne Hierarchien und mit einem kollektiven Verständnis organisiert werden. Natürlich wollen wir dabei nicht die Avantgarde darstellen, die mit erhobenem Zeigefinger den richtigen Weg weißt. Stattdessen werden wir mit unseren eigenen Vorstellungen von Umgang und Gesellschaft auf Augenhöhe auf Beteiligte zugehen, um gemeinsam ein gutes Leben ohne Diskrimierung und Furcht auszuhandeln, eines, in dem wir ohne Angst verschieden sein können. Auf diese Art stellt unser Konzept eines Sozialen Zentrums auch einen sozialen Experimentierraum dar, an dem alle – auch wir – nur wachsen können.

Der Zeitpunkt für unsere Intervention um das Backhaus ist dabei nicht zufällig gewählt. Unserer Analyse nach befindet befindet sich die Stadt Frankfurt in einer schwierigen Position. In Sachen bezahlbarer Wohnraum und klimagerechte Stadt wird auf ganzer Linie versagt und das ist mindestens einigen in der Römerkoalition durchaus bewusst. Die Stadt wächst, der bezahlbare Wohnraum aber nicht. Und was schon gar nicht mit wächst, sind Kultur, kreative und soziale Angebote. Im Gegenteil, die Gelder dafür werden sogar regelmäßig zugunsten anderer Ausgaben zusammengekürzt, wie so oft in sozialen Bereichen. Der Effekt davon ist, dass Kultur und soziale Teilhabe weiter an Exklusivität gewinnt. Aber was erzählen wir euch, bewusst ist uns das sicher allen.

Diese Probleme sind in den vergangenen Monaten nicht unbeantwortet geblieben und haben einiges an Protest nach sich gezogen. Nach entsprechendem Druck setzte die Stadt Frankfurt vor einiger Zeit vermehrt Satzungen auf, die gegen Verdrängung wirken sollen. In Bockenheim und auch im Bereich des Backhaus gibt es dafür gleich zwei davon. Eine Erhaltungssatzung zum Schutz des Stadtbildes und eine Milieuschutzsatzung zum Erhalt der Zusammensetzung der Bevölkerung. Beide sollen auf ihre Art unter anderem gegen Luxusneubau, Luxussanierung und Umwandlung in hochpreisige Eigentumswohnungen arbeiten. Spekulation um Wohnraum als Ware soll damit eingedämmt werden. Leider lassen schwammige Formulierungen den zuständigen Dezernaten so viel Raum zur Auslegung, dass sie rein gar nichts bewirken und nach wie vor vor allem einem auf Profitmaximierung ausgelegten Markt dienen. Naja, wen wundert das schon. Nach einem ganzen Haufen an Skandalen und Protesten von Stadtteilinitiativen, Recht auf Stadt Gruppen und ähnlichen, stehen die zuständigen Behörden unter akuter Erklärungsnot. Was fehlt, sind Vorzeigeprojekte, um die eigene Weste wieder rein zu waschen. Das interessiert uns erst einmal wenig, solange sich an der dahinterliegenden Politik nicht grundlegend etwas ändert. Wenn dabei aber ein neues Soziales Zentrum rausspringt, soll uns das erst einmal recht sein. Der Bedarf dafür ist da, das Bewusstsein um soziale Probleme wächst und ein beachtenswerter Anteil des Stadtteils steht hinter unseren Ideen. Damit können wir arbeiten.

Wir bleiben dran und sind noch lange nicht am Ende – Spekulant*innen, nehmt euch in Acht! Um es mit den Worten eines FR-Artikels zusammenzufassen, der unserer Erfahrung nach vielen unserer Nachbar*innen in Bockenheim aus dem Herzen spricht: Backhaus Besetzung? Find ich gut!

Initiative Anarchistische Bewegung Frankfurt – IABF


Straight outta Unterlüß

Vom 31. August bis zum 8. September fand das antimilitaristische Camp der transnationalen Kampagne Rheinmetall entwaffnen in der Kleinstadt Unterlüß bei Celle unter dem Motto „War starts here – lets stop it here“ statt.

In Unterlüß befindet sich eine Produktionsstätte Waffe Munition der Rheinmetall AG. 2.000 Menschen produzieren dort Waffen, Munition und Panzer und betreiben das größte private militärische Testgelände in Deutschland. So wurden im Januar 2018 bei der Invasion der türkischen Armee im Kanton Afrin deutsche Leopard-2-Panzer eingesetzt, deren Komponenten in Unterlüß gefertigt werden. Deutsche Rüstungskontrollregeln umgeht Rheinmetall gerne über seine Tochterfirmen in Sardinien RMW Italia und in Südafrika Rheinmetall Denel Munition.

Ein Jahr lang hatten Aktivist*innen aus unterschiedlichsten Spektren, auf bundesweiten Treffen die Aktionswoche mit Workshops, Veranstaltungen, Blockaden und einer Demo vorbereitet. Die thematischen Verknüpfungen sind vielfältig. Sie reichen von klassischer Friedensbewegung, über antirassistische und feministische Ansätze bis zu Klimaschutz, Tierbefreiung und internationaler Solidarität.

Bis zu 400 Personen kamen auf einem nahezu perfekt organisierten Camp-Gelände zusammen. Auch Genoss*innen aus Sardinien, Südafrika und Schweden waren in die Südheide gekommen. Es gab reichlich Platz für Diskussionsrunden, Work-Space, neun Ausstellungen, unter anderem zur Organisation von Frauen-Kollektiven in Rojava, zu Zwangsarbeit bei Rheinmetall und zu den Produktionsbedingungen des Konzerns in Sardinien.
Der Zusammenhang von Krieg, Männlichkeit und Herrschaft nahm eine zentrale Rolle im Camp ein. Ein gut organisierter FLINT Bereich (Frauen, Lesben, Inter-, non binäre und Transpersonen) lud zu eigenem Plenum, Ausstellungen und einem breiten Workshop-Angebot ein. Viele der Aktivist*innen beziehen sich auf die kurdisch-feministische Bewegung in Rojava. Rheinmetall liefert die Waffen und die Technologie, mit denen die Türkei das emanzipatorische Projekt Rojava nun erneut völkerrechtswidrig angreift.

Chronologie der Aktionswoche

Zum internationalen Antikriegstag am Sonntag hatten die Aktivist*innen zu Café und Kuchen geladen. Auch wenn die Stimmung in der Kleinstadt mit gerade einmal 3.5000 Einwohner*innen gegenüber dem Camp nicht gerade freundlich war, folgten doch einige Menschen aus der Umgebung der Einladung und gingen in Austausch mit den Antimilitarist*innen aus verschiedenen Städten und Regionen.

Mit einer szenisch-musikalischen Lesung über das Grauen im 1. Weltkrieg begann am Dienstag das Abendprogramm, mit dem auch Menschen aus der Umgebung angesprochen wurden.

Am Mittwoch überraschten 80 Aktivist*innen Rheinmetall-CEO Armin Pappberger mit einem Spontanbesuch in seinem Eigenheim in Hermannsburg. Der war zwar nicht zuhause, fühlte sich im Nachgang aber davon bedroht und beschwerte sich im FAZ Interview über die „öffentliche Hetzkampagne“ gegen seine Branche.
Das Bündnis Rheinmetall-entwaffnen-Rhein-Main hatte sich dieses Jahr die Zwangsarbeit bei Rheinmetall in Unterlüß zum Schwerpunkt gesetzt. Bereits im vorigen Jahr wurde auf das KZ-Außenlager Tannenberg, wenige Kilometer außerhalb des Ortes aufmerksam gemacht. In diesem Lager waren ca 900 ungarische Jüdinnen inhaftiert und mussten bei Rheinmetall Zwangsarbeit leisten. Tannenberg war eines von 21 KZ-Außenlagern rund um die Gemeinde. 1945 arbeiteten bei Rheinmetall Borsig in Unterlüß mehr als 5.000 Zwangsarbeiter*innen und Kriegsgefangene. Edith Balas, eine Überlebende der Zwangsarbeit und der anschließenden Deportation nach Bergen-Belsen durch den ortsansässigen Volkssturm, hatte 2013 einen offenen Brief an die Bevölkerung von Unterlüß geschrieben und dazu aufgefordert, die Zwangsarbeiterinnen bei Rheinmetall nicht zu vergessen. Dieser Brief blieb unbeantwortet.

Eine Aufarbeitung und Erinnerung dieser Geschichte findet weder durch Rheinmetall, noch durch die Gemeinde statt. Mit einer Veranstaltung. Zur Frage wie Erinnerungsarbeit gelingen kann, mit einer Ausstellung zum Lager Tannenberg und einer feierlichen Gedenksteinsetzung auf dem Gelände Tannenberg wurde sich auch mit den örtlichen Initiativen solidarisiert. Der Rückweg zum Camp wurde als „Weg der Erinnerung“ gestaltet. Der Weg den die Zwangsarbeiterinnen täglich gehen mussten, wurde mit ausdrucksstarken Bannern, mit namentlichen Baumbinden und mit der Beschriftung des Radweges markiert.

Am gleichen Tag wurden die Einsatzkräfte von einer Blockade der Hauptzufahrt zum Rheinmetall-Werk Unterlüß überrascht. Aktivist*innen besetzten einen Strommast und sperrten mit einem Tripod die Fahrbahn. Einsatzleitung und der private Rheinmetall-Sicherheitsdienst waren vollkommen überfordert. Die Blockade konnte ganze 29-Stunden gehalten werden! Eine großartige Leistung der Aktivist*innen.

Freitag früh erwachte das Camp schon im Morgengrauen, um vor der Frühschicht die Eingänge zum Rheinmetall-Werk zu blockieren. Dies gelang besser als erwartet: Mit drei festen Blockadepunkten und vielen mobilen Kleingruppen im Wald konnten die Bullen und der Werksschutz die Barrikaden zwar immer wieder abräumen, aber viele Mitarbeiter*innen kamen an diesem Tag auch zur zweiten Schicht nicht an ihren Arbeitsplatz im Rüstungskonzern.

Unter dem Motto „Krieg beginnt hier – unser Widerstand auch!“ beteiligten sich über 600 Personen an der Demonstration am Samstag. Zahlreiche Gruppen hatten dazu aufgerufen und stellten die Zusammenhänge von Ökologie, Antimilitarismus, Antirassismus und Antikolonialismus her.

Auch am letzten Tag hatten einige Menschen noch Energie und protestierten bei der Panzerausstellung „Stahl auf der Heide“ in Munster vor dem deutschen Panzermuseum gegen Krieg und Militär.

Fazit

Das zweite antimilitaristische Camp Rheinmetall Entwaffnen brachte Aktivist*innen aus unterschiedlichen politischen Spektren zusammen. Eine Woche Diskussionen, Aktionen, Workshops, Praxis und Kultur.
2019 waren Blockaden angekündigt, die den Produktionsstandort Unterlüß lahmlegen sollten. Das ist diesmal noch nicht gelungen. Zu wenige Aktivist*innen mussten sich um zu viele Zugänge kümmern. Durch die Ankündigung der Blockade wurden Rheinmetall-Mitarbeiter*innen genötigt, sich frei zu nehmen, oder ihre Arbeit ins Homeoffice zu verlegen. Die Spontanblockade am Vortag funktionierte dank der Entschlossenheit der Aktivist*innen und des Überraschungsmoments sehr gut. Da aber viele Tore ins Betriebsgelände führen, blieb auch dieses eine symbolische Aktion.
Bereits am Tag nach der Aktion waren viele Baumbinden und die Transparente mit Zeichnungen und Erinnerungen der Zwangsarbeiterinnen zerstört worden. Nach gerade einmal vier Tagen waren fast alle Spuren vernichtet und der Gedenkstein geschändet. Allein dies ist Grund genug, auch im nächsten Jahr in die Südheide zu fahren.

War starts here – let’s stop it here.
Mehr Infos und Impressionen zum Camp unter: rheinmetallentwaffnen.noblogs.org

Solibus

Auch der Berliner Solibus war im Camp.

Seit Januar 2019 gibt es den gemeinnützigen Verein Solibus e.V. Der Solibus fährt für Menschen, die gegen Rassismus, Faschismus, Sexismus, gegen die Ausbeutung von Mensch und Natur und für eine linke emanzipatorische Politik aktiv sind. Das Projekt Solibus ist Teil einer politischen, sozialen Struktur, die eine gemeinschaftliche Mobilität und Teilhabe an bundes- und europaweiten Aktivitäten schafft.
Damit soll ermöglicht werden, dass Menschen ohne sexistische, rassistische und soziale Diskriminierung und unabhängig von individuell begrenzten finanziellen Mitteln an politischen und kulturellen Veranstaltungen und Aktivitäten teilnehmen können.
Der Solibus ist ein Überlandbus der Schadstoffklasse 5 mit 51 Sitzen mit Stauraum und weiteren 30 Stehplätzen.
Das Busprojekt ist auf Spenden, Mitgliedsbeiträge und Fördermittel angewiesen.

Kontakt und weitere Infos: https://www.soli-bus.org


Möllner Rede im Exil in Frankfurt

Es sprechen: Idil Baydar und Angehörige der Familie Arslan

Der Aufruf, Erinnerung zu erkämpfen – an das Geschehene, Vergessene, Verschwiegene, die Ursachen und Folgen, an das Davor und Danach – ist aktueller denn je. Ayse Yılmaz (14), Yeliz (10) und Bahide Arslan (51) wurden am 23.11.1992 durch rassistische Brandanschläge auf das Haus der Familie Arslan ermordet. Weitere Familienmitglieder wurden schwer verletzt.
Vier Jahre war die Möllner Rede Teil des offiziellen Gedenkens der Stadt Mölln. Im Jahr 2013 wurde sie gestrichen. Dass die Familie die Redner*innen selbst aussucht, schien nicht länger erwünscht. Seitdem findet die Möllner Rede im Exil statt – als kritische Bestandsaufnahme zu gesellschaftlichem Rassismus, Neonazismus und Umgang mit Gedenken.
Gedenken ist immer auch ein Erinnern an Gewalt. Es macht rassistische und rechte Strukturen sichtbar, die diese Gesellschaft prägen und Hetzreden, Pogrome und Morde erst ermöglichen. Damals und heute.
Erst wenn Betroffene ihre Geschichten erzählen, wir zuhören und uns austauschen, können wir die Gesellschaft verändern. Es gibt viele Erfahrungen, Verletzungen und Bedürfnisse: Sie gilt es zu hören und zusammenzubringen, um Erinnerungspolitiken herauszufordern: Als Kollektiv in der Vielfalt.
Das ist auch in Hessen von Bedeutung. Seit über einem Jahr erhält die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yıldız rassistische Morddrohungen, unterschrieben mit NSU 2.0. Im Fokus der Ermittlungen: die Frankfurter Polizei. In Wächtersbach wird mehrfach auf einen schwarzen Mann geschossen. Motiv: Rassismus. In Kassel wird Regierungspräsident Walter Lübcke ermordet. Der Täter: ein Neonazi. Die Rede hält Idil Baydar, Schauspielerin und Kabarettistin, die im Frühjahr selbst rassistische Morddrohungen per SMS erhielt.

Die Rede wird von dem Vorbereitungskreis „Möllner Rede im Exil“ in Frankfurt in enger Kooperation mit Familie Arslan und dem „Freundeskreis im Gedenken an die rassistischen Brandanschläge von Mölln 1992“ organisiert.

Am 6. November präsentiert Regisseur Mirza Odabasi seinen Film „93/13 – 20 Jahre nach Solingen“ im Hafen 2, Nordring 129, 19 Uhr.

Am 30. November, 15-18 Uhr, findet eine Diskussion über „Wie weiter? Perspektiven für Rhein-Main“ statt, im Hausprojekt Nika, Niddastraße 57, Frankfurt.

Am 17. November halten Idil Baydar und Angehörige der Familie Arslan die Möllner Rede im Exil, Historisches Museum Frankfurt, Saalhof 1, 14 Uhr.


Eskalation und verzerrte Perspektive in Hongkong

Nicht nur ‚schwarzer Block‘

Die Entwicklung der Bewegung in Hongkong seit September 2019. Dies ist ein Update. Während sich die Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Protestierenden in Hongkong weiter zuspitzen, ist es die tägliche Praxis von Austausch, Organisierung und Solidarität – mit allen ihren Widersprüchen –, welche die Stärke der Bewegung ausmacht.

Am 1. Oktober 2019, dem 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China hatte die Massenbewegung in Hongkong die Nase vorn: Viele (ausländische) Medien verbreiteten mehr Berichte und Fotos von den gewaltsamen Zusammenstößen und dem ersten Schuss mit scharfer Munition auf einen Protestierenden durch die Polizei in Hongkong als über die große Militärparade des KPCh-Regimes mit all ihren schillernden Waffensystemen in Beijing. Was als guter Tag für die Propaganda des Regimes gedacht war, wurde eher zu einem PR-Desaster.

Am 4. Oktober leitete die Regierung von Hongkong einen neue Phase der Auseinandersetzung ein. Auf Grundlage eines Notstandsgesetzes, das seit den Riots 1967 gegen die britische Kolonialmacht nicht mehr eingesetzt worden war, verbot sie die Vermummung bei Protesten, ein Versuch, die polizeilichen Eingreifmöglichkeiten zu stärken und die Bewegung zu schwächen. In den folgenden Tagen kam es zu wütenden Protesten gegen das Vermummungsverbot. Eine Abschwächung oder Entspannung der Konfrontation ist derzeit nicht abzusehen – und schon gar keine Lösung.

Eskalation der Gewalt

Nach vier Monaten, und trotz der gewaltsamen Zusammenstöße und der Zerstörung, wird die Bewegung weiter von einem großen Teil der Bevölkerung Hongkongs unterstützt. Der ursprüngliche Auslöser – das Auslieferungsgesetz – wurde Anfang September vollständig zurückgenommen,aber die Bewegung war bereits lange vorher weit ambitionierter geworden – in ihren Aktionen und Forderungen: Sie will die Entstehung eines Polizeistaats verhindern, den Einfluss des KPCh-Regimes in Hongkong beschränken und mehr demokratische Kontrolle über die Stadtregierung gewinnen. Immer noch nehmen Massen an den Straßenprotesten teil, oft auch wenn diese gleichzeitig in mehreren Stadtteilen stattfinden.

Die Regierung Hongkongs hat in letzter Zeit die meisten Demonstrationen verboten, sodass alle, die trotzdem auftauchen, ihre Verhaftung und juristische Verfolgung riskieren. Friedliche Versammlungen, ob erlaubt oder verboten, münden nun schneller als bisher in gewaltsamen Auseinandersetzungen, selbst bei Tageslicht. Zu den Protesten hinzugelangen und von dort wieder wegzukommen ist ebenfalls schwieriger geworden, weil die U-Bahn-Gesellschaft der Stadt, die MTR, regelmäßig Stationen in Protestregionen schließt. Sachbeschädigungen (die in letzter Zeit oft Brände einschließen) haben zugenommen, nicht nur in MTR-Stationen, sondern auch gegen Geschäfte und Unternehmen, deren Management die „Randalierer“ kritisiert haben, gegen Firmen, die mit der Volksrepublik China verbunden sind, wie bestimmte Banken oder Reisebüros, gegen öffentliche Überwachungstechnik und gegen Regierungsgebäude.

Es gibt immer noch Zusammenstöße zwischen Protestierenden und Gruppen, die pro-Beijing sind, wobei in der Regel Leute beider Seiten am Rande von Demonstrationen angegriffen werden. Nicht zuletzt haben sich die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und der Polizei weiter verschärft. Während die Polizei weiterhin brutale Gewalt einsetzt in Form von Tränengas, Beanbag- und Gummigeschossen, Knüppelattacken und kürzlich auch gezieltem Schusswaffengebrauch, haben die Protestierenden in der ersten Reihe mit direkteren Angriffen auf Polizisten reagiert, zuweilen mit Molotow-Cocktails, Stangen oder anderen Waffen.

Diese Gewalteskalation stellt offensichtlich eine gefährliche Entwicklung dar – für alle Seiten. Den Protestierenden könnte eine noch schärfere Repression bevorstehen, wenn die Polizei Hongkongs weitere Notstandsbefugnisse erhält oder das KPCh-Regime mit Einheiten der Bewaffneten Volkspolizei oder der Volksbefreiungsarmee interveniert. Die Regierung Hongkongs und das KPCh-Regime könnten mit einer weiteren Eskalation der Situation die wirtschaftliche Rolle Hongkongs für das chinesische und das ausländische Kapital zerstören, und dass könnte auch Auslöser sein für noch ernsthaftere soziale und politische Spannungen in Hongkong und anderswo in der Region.

Verzerrte Perspektive

Brennende Barrikaden, der ‚schwarze Block‘ und der Kampf gegen die Polizei in Hongkong ziehen Aufmerksamkeit auf sich – aber die gewalttätigen Zusammenstöße sich nur ein Gesicht der Bewegung. Der Fokus auf die Gewalt in Medienberichten aus Hongkong führt gar zu einer falschen Vorstellung von der Bewegung insgesamt. Ihre Massenbasis, die Entschlossenheit und Hartnäckigkeit der Protestierenden und die anhaltenden Unterstützung für gewalttätige Protestformen lassen sich nur verstehen, wenn wir uns die tieferen Wurzeln der Bewegung in der Gesellschaft Hongkongs und ihre täglichen Praktiken anschauen.

Die Protestbewegung Hongkong ist immer noch vielfältig und schließt unterschiedliche Gruppen, Interessen und Aktionsformen ein – die meisten davon übrigens ‚friedlich‘. Zu den beteiligten sozialen Gruppen gehören Schüler*innen und Student*innen, Arbeiter*innen (darunter viele Dienstleitungsarbeiter*innen und Angestellte, zum Beispiel aus dem Finanzsektor), Lehrer*innen und andere öffentliche Angestellte, Rentner*innen und andere. Diese Gruppen setzen eine Reihe von Aktionsformen ein, Protestdemonstrationen und Kundgebungen, Straßenblockaden, gemeinsamer Gesang in Einkaufszentren, Versammlungen am Arbeitsplatz, das Rufen von Parolen der Bewegung aus dem Fenster zuhause zu einer bestimmten Zeit am Abend usw. Arbeiter*innen aus dem Gesundheitssektor fallen auf, weil sie für die Protestierenden Erste Hilfe leisten, aber auch in Krankenhäusern Proteste organisiert haben.

In einem Interview hat kürzlich eine anarchistische Gruppe interessante Praktiken verschiedener Unterstützer*innen der Bewegung aufgelistet:

„Als Reaktion auf Teenager, die kein Zuhause haben, in das sie zurückkehren könnten – weil sie von ihren Eltern praktisch ‚verstoßen‘ wurden wegen ihrer Teilnahme an Demonstrationen –, und die nun während des Ausnahmezustands auf der Straße verbleiben, haben Leute ein Netzwerk von offenen Wohnungen gebildet, in dem die jungen Partisan*innen Zuflucht finden und sich vorübergehend aufhalten können. Weil Minibusse, Busse und U-Bahnen für Protestierende auf der Flucht nicht länger sicher sind, wurde über Telegram ein Netzwerk für Fahrgemeinschaften gegründet, ‚um die Kids von der Schule abzuholen.‘ Wir trafen ältere Fahrer, die nicht mal wussten, wie Telegram funktioniert, und dennoch immer wieder die übers Radio angesagten ‚Brennpunkte‘ anfuhren und nach rennenden Protestierenden Ausschau hielten, die schnell eine Fahrgelegenheit raus aus der Gefahr brauchten. Als sie von jungen Leuten hörten, die keine Arbeit haben oder einfach nicht genug Geld, um sich an der Front mit Lebensmitteln zu versorgen, organisierten arbeitende Menschen Coupons von Supermärkten und Restaurants und übergaben diese vor größeren Auseinandersetzungen an Leute in voller Montur. […] In Reaktion auf das Leid, das Trauma und die Schlaflosigkeit bei denen, die über längere Zeit dem Tränengas und der Polizeigewalt ausgesetzt sind, ob in eigener Person oder über die visuellen Live-Feeds, tauchten Unterstützungsnetzwerke auf, die Beratung und Betreuung anbieten. Weil Kids nicht genug Zeit haben, ihre Hausaufgaben zu machen, nachdem sie die ganze Nacht auf der Straße waren, wurden Telegram-Channels eingerichtet, die kostenlose Nachhilfe offerieren. Nachdem Schüler*innen und Student*innen ‚nicht am Unterricht teilnehmen konnten‘, weil sie im Streik waren, organisierten Leute an Schulen und auf öffentlichen Plätzen Seminare zu allen möglichen politischen Themen, die sich positiv auf die Sache bezogen. Mittlerweile haben Leute auf Telegram Chat-Räume angefangen, für die sich Protestierende interessieren könnten; wir sind auch gerade dabei, einen zu starten. Die Themen mögen technisch sein (wie lässt sich ein Fahrscheinautomat der U-Bahn zerlegen, wie komme ich durch das Drehkreuz, ohne zu bezahlen), historisch (letztlich sahen wir einen über die Französische Revolution), spirituell oder zu Selbstverteidigung und Kampfsport. Alle diese Bemühungen sind atemberaubend ihn ihrer Breite und Wirkung. Affinitätsgruppen werden gegründet zum Bauen von Molotow-Cocktails und ihrem Austesten im Wald. Andere bilden Freundschaften und Vertrauen auf, indem sie im Wald Kriegsspiele üben und dabei das Kreuzfeuer mit der Polizei simulieren. Spontane Kampfsport-Dojos werden in Parks und auf Häuserdächern eingerichtet…“

Andere Beispiele von Protestierenden, die für besondere Zwecke zusammenkommen, sind das ‚Propaganda-Team‘, das sich aus Grafikern und anderen zusammensetzt und Tausende Poster und Flugblätter erstellt hat, die in Telegram-Gruppen zirkulieren und in der Stadt aufgehängt werden. Die ‚Pressekonferenz des Volkes‘ wurde im August gebildet als Reaktion auf die tägliche Pressearbeit der Polizei Hongkongs. Diese Leute haben Verbindungen zum Online-Forum LIHKG und sprechen über die Ereignisse aus der Perspektive der Protestierenden. Andere Teams wurden für spezielle Aktionstage gegründet, wie für den Streik am 5. August oder die ‚Menschenkette‘ am 23. August, oder für besondere Zwecke wie die Einrichtung und die Betreuung von ‚Lennon Walls‘ (mit Informationen zur Bewegung auf Stickern, Postern usw.) in Nachbarschaften.

Auch wenn die Bewegung keiner bestimmten (linken oder rechten) Strömung zugeordnet ist und keine formellen Anführer oder Vertreter*innen hat, nehmen dennoch Leute von verschiedenen politischen Gruppen und Organisationen teil. Dazu gehören Leute der ‘pan-demokratischen’ Parteien (‚Liberale‘ oder ‚Sozialdemokraten‘ im weiteren Sinne), die an die Front gehen und Polizeiaktionen beobachten, während ihre Menschenrechtsorganisationen Demonstrationsgenehmigungen beantragen und auch für verhaftete oder verletzte Protestierende juristische Unterstützung leisten oder medizinische Kosten tragen.

‚Lokalistische‘ Parteien und verwandte Organisationen (quasi ‚Nationalisten‘, von Leuten, die an ‚Demokratie‘ und ‚Selbstbestimmung‘ in Hongkong glauben, bis zu rechten und rassistischen Gruppen, die gegen Migrant*innen aus China und anderen asiatischen Ländern mobilisieren) spielen eine gewissen Rolle, zum Beispiel auch für die Organisierung von Demonstrationen und die Beantragung für deren Genehmigung und in der Bereitstellung juristischer oder finanzieller Unterstützung für verhaftete Protestierende.

Linke Aktivist*innen und kleinere linke Gruppen sind auch beteiligt an (einigen) Protesten – in den Foren, mit Flugblättern, gesprühten Parolen, Filmvorführungen und anderen Interventionen –, trotz der moderaten Forderungen der Bewegung und dem Fehlen einer Kritik an den kapitalistischen Verhältnissen.

All diese täglichen Aktivitäten verschiedener sozialer Akteure und politischer Gruppen sind Teil der kollektiven Erfahrung der Bewegung. Sie sind die Basis für ihre Entschlossenheit, den Kampf fortzusetzen trotz der gewaltsamen Angriffe der Polizei, der hohen Zahl an Verhaftungen und der Weigerung der Regierung Hongkongs und des KPCh-Regimes hinter ihr, wesentliche politische Zugeständnisse zu machen.

https://naoqingchu.org/


Wider dem reaktionären Zeitgeist!

Eine kurze und leicht polemische Kritik an dem anti-emanzipatorischen und rassistischen Artikel „Die Linke als Konsumraum“ in der aktuellen Ausgabe der SWING
von: anonym am: 03.09.2019

Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten!
– Oscar Wilde

In der aktuellen Ausgabe der SWING – Autonomes Rhein-Main-Info (Nr. 124, S. 12-14) findet sich ein Artikel, welcher vorgibt eine Kritik an Drogenkonsum in der linksradikalen Szene am Beispiel der Stadt Marburg formulieren zu wollen. Dieser Artikel wurde ursprünglich auf dem Blog „Metadiskursiv“ veröffentlicht. (https://metadiskursiv.noblogs.org/post/2019/07/13/die-linke-als-konsumraum/) Vorangegangen war dem Artikel eine Hausdurchsuchungsaktion der Polizei in mehren Ortschaften, in dessen Zuge auch ein Teil des alternativen Wohnprojektes „Bettenhaus“ in Marburg betroffen war. Beim „Bettenhaus“ handelt es sich um eines der größten selbstverwalteten linken Wohnprojekte in Hessen. (https://bettenhausmarburg.noblogs.org/) Auf die genauen Geschehnisse soll hier nicht eingegangen werden, es sollte aber klar festgehalten werden, dass das kolportierte Bild, aus dem Projekt sei ein Drogenhandelring betrieben worden völlig aus der Luft gegriffen ist. Was als – wenn auch unangenehmes – Problem hätte innerhalb des Projektes gelöst werden können, wird von Manchen nun missbraucht, um das Projekt (ob abischtlich oder nicht) zu diskreditieren und ihre eigenen puritanistischen Ansichten, die in Teilen auf rassistische Argumentationsmuster beruhen, stark zu machen.

Der Text stellt zu Beginn fest, dass es auf einen noch schlechteren auf Indymedia hochgeladenen Text beruht, der an dieser Stelle nicht zitiert wird, weil der inhaltliche Wert gegen Null geht und es am Ende gar einfach zu den vielen rechten Fake-Artikel auf Indymedia gehört. Dass sich die Autor*innen dabei als „Antifa Hessen“ ausgeben sagt bereits genug, ob sie aus der Szene stammen bleibt fraglich. Ironischerweise behauptet Text „Die Linke als Konsumraum“ der „vereinfachenden Art mit dem Thema Drogenkonsum“ umzugehen entgegen zu wirken, nur um selbst durchgehend haarsträubende Behauptungen und Pauschalisierungen aufzustellen.

Zunächst wird sich gleich auf der ersten Seite über die angeblichen gesundheitsschädlichen Risiken von Cannabis und Alkohol ausgelassen, und das alte Argument der Konservativen herangezogen, dass selbst einmaliger Drogenkonsum irreversible Schäden ausrichten würde. Was denn nun Drogen eigentlich sind wird nie geklärt. Für die Autor*innen unerwähnenswert bleiben auch die nachweisbaren medizinischen Nutzen von sogenannten Drogen wie Cannabis oder selbst LSD, sofern es in einem (kontrollierten) therapeutischen Rahmen angewandt wird. Wie bei jeder Pflanze oder synthetisch hergestellten medizinischen Produkten die wir von Ärzt*innen verschrieben bekommen, können in selteneren Fällen Menschen durchaus allergisch oder andersweitig schlimm auf das zu sich genommene reagieren. Derlei Risiken gilt es klar zu vermitteln, was Drogeninformationsprojekte wie Alice durchaus in Angriff nehmen. Eine grundsätzliche moralische Verteufelung des Konsums von therapeutischen Schmerzmitteln, aufputschender oder bewusstseinserweitender Mittel ist das Metier von monotheistischen religiösen Fundamentalist*innen und nicht einer radikalen Linken. Die Behauptung Drogenkonsum führe grundsätzlich nur zur Unterdrückung eines revolutionären Bewusstseins wird legiglich mit dem dümmlichen Argument belegt, dass sie der „Zerstreuung“ dienten. Und wer sogenannte Drogen konsumiert sei grundsätzlich unzuverlässig. Große Behauptungen, denen es an einer stichhaltigen Argumentation mangelt, und die sich daher als bloße Artikulationen von Ressentiments enttarnen lassen. Auch wird ein unpassendes Marx Zitat bedient („Opium des Volkes“) und völlig aberwitzig behauptet, Marx hätte ja nicht wisssen können das Leute irgendwann tatsächlich sogenannte Drogen in größeren Mengen konsumieren. Nochmal damit es klar ist: sie sind nicht vom Himmel gefallen, sie waren schon immer Teil menschlicher Kulturen. Entsprechend gab es auch einen massiven „Drogenkonsum“ zu Zeiten von Marx. Die im Weiteren behauptete „Negation der Zivilisation“ durch Drogenhandel offenbart dann, dass es sich im Kern der Kritik nur um eine links-angehauchte zutiefst bürgerlich-moralisierende Argumentation handelt, die sich in jedem Faltblatt der Jungen Union oder denen von evangelikalen Straßenprediger*innen auf der Frankfurter Zeil widerfinden lässt.

Auch die Argumentationskette, dass Drogenkonsum unweigerlich die zunächst nicht näher definierte, aber doch ziemlich gruselig klingende „Organisierte Kriminalität“ unterstützt strotzt vor Pauschalisierungen, meidet eine Kritik an der kapitalistischen Gesellschaftsform und bedient dann auch noch rassistische Clichés. Warum verweisen linksradikale auf das angeblich ach so wunderbare bürgerliche Recht? Seit wann sind deren Maßstäbe die eigenen Maßstände der Politik? Besser hätte es auch die AfD nicht formulieren können. Klar: wer Cocain oder Heroin käuflich erwirbt kann sich sicher sein, dass damit durchaus brutale Organisationen einen Teil ihres Geldes verdienen. Geld mit dem sie sich wiederum Waffen aus führenden Ländern in der Waffenproduktion wie den USA oder Deutschland kaufen um ihre Macht auszubauen, sofern mit „Organisierter Kriminalität“ Mafiöse-Strukturen wie z.B. in Italien gemeint sind oder Drogenkartelle, in Mittel- und Südamerika, die Clichés die man halt aus dem Fernsehen so kennt. Speed, Ecstasy usw. kann von jedem mit Zugang zu den notwendigen chemischen Wissen und Mitteln hergestellt werden, Cannabis kann ohne große Hürden auch selbst angebaut werden. Wer meint, dass die Mehrzahl der Drogenkonsument*innen in Frankfurt ihre Konsumprodukte auf einer verdreckten Toilette oder in einem der wenigen noch zugänglichen und nicht videoüberwachten Hinterhöfen im Bahnhofsviertel von Tagelöhnern kaufen, glaubt den Märchen der Polizei und Stadtverwaltung, denen diese Erzählung nur als Tarnung dient um Arme und durchaus hilfsbedürftige Menschen, sowie aus rassistischen Gründen vor allem gegen Menschen mit dunkleren Hautfarben (rassistisches Stichwort „Nafri“) und Obdachlose Sinti und Roma, vorzugehen. Ziel der „Säuberung“ ist nichts anderes als die Verwertbarmachung des bisher eher günstigen Wohnraums in zentraler Lage, ein Prozess den jeder Mensch sehen und spüren kann der z.B. durch die Kaiserstraße läuft und die Vielzahl der in den letzten Jahren sanierten und teuer weitervermieteten Wohnhäuser, hippen neuen Lokalen, Büros und Veranstaltungsräumen warhnimmt. Aber für die Autor*innen ist das Problem darin zu sehen, dass die nebulöse „Organisierte Kriminalität“ vor allem zu Verbindungen zwischen „Neonazis, Rockerbanden und arabischen Faschisten“ führt. Eine weitere Behauptung die ohne jeglichen Beweis einfach mal so in den Raum gestellt wird. Dabei fehlen darf natürlich auch nicht die Nahestellung, wer sogenannte Drogen kaufe unterstütze auch dadurch zwangsläufig Zwangsprostitution und Krieg. Wem das nicht Angst genug macht hört dann noch Schauermärchen von bösen „Clankriminellen“ wie dem „Remo-Clan in Berlin“, welche Mieter*innen in der Hauptstadt vermeintlich in Angst und Schrecken versetzen würde, noch später hört man dass selbst Connewitz nicht mehr sicher ist. Und nun auch noch das beschauliche Marburg? Sogar Rödelheim? ARMES DEUTSCHLAND, DANKE MERKEL (!!1!) will man uns wohl damit sagen. Das man ein von bürgerlichen und extrem rechten Reaktionären in Medien und Parteien aufgebauschtes rassistisches Ammenmärchen von der Übermacht fieser „krimineller Ausländer“ in Großstädten übernimmt ist ein fatales Zeichen für sich antirassistisch dünkende Menschen, wenn sie dann noch als „linke Kritik“ an patriarchalen Strukturen zu tarnen versucht wird ist es eine Pervertierung feministischer Politiken, wie man sie aus bürgerlichen Traditionen nur zu gut kennt.

So kann wirklich nur gehofft werden, dass es sich bei den Urheber*innen des Textes nur – wie selbst behauptet – um „Einzelpersonen“ aus der linken Szene in Marburg handelt, sie doch nur frei erfunden sind oder gar Neonazis oder der Verfassungsschutz versuchen zwietracht zu säen. Würde ein derart simplistischer, begriffsloser und rassistischer politischer Umgang mit sogenannten Drogen in der linksradikalen Szene vorherrschen, so wäre es mit der Vision einer emanzipatorischen Gesellschaft am Ende.

Eine differenzierte und selbstreflektierende Betrachtung und Haltung zu sogenannten Drogen ist durchaus ein wichtiges Thema. Die pseudoradikalen und abenteuerhaften Ausführungen des vorliegenden Artikels erweisen jeder Diskussion darüber hingegen einen Bärendienst. Wer meint die Welt würde sich automatisch zum positiven Verändern wenn keine sogenannten Drogen konsumiert werden würden träumt. Das Problem heißt immernoch Kapitalismus, eine moralisierende Kritik an einzelnen Symptomen dient niemanden, höchstens eigenen Überheblichkeitsgefühlen und neoliberalem Gesundheitswahn.

Es ist auch nochmal wichtig festzuhalten, dass eine Kritik an den Genoss*innen der Redaktion der SWING notwendig und eine Selbstreflektion und Entschuldigung für die Auswahl und den Abdruck des Artikels angebracht ist. Nicht nur, dass hier drei Seiten in dem größten autonomen Nachrichten- und Diskussionsheft in Hessen mit der Beteiligung an den Hetzkampagnen von bürgerlichen Parteien und Medien gegen selbstverwaltete Strukturen und dem rassistischen Mythos der angeblichen Beherrschung von Großstädten durch „Türkisch-Arabische Clans“ verunstaltet werden, die Redaktion scheint diese Meinung sogar aktiv zu unterstützen. Denn auf Seite 13 findet sich eine redaktionelle Anmerkung („oder in Rödelheim“) die sich nur als Behauptung verstehen lässt, dass sogenannte „Clankriminelle“ den Wohnungsmarkt im Frankfurter Stadtteil auf brutale Art und Weise beherrschen würden, finanziert durch die Drogeneinkäufe von unverantwortlichen linksradikalen Drogenhedonist*innen, die Sonntags zu verkatert sind um auf eine Demo zu gehen, welche dieses Mal ganz bestimmt den nächsten revolutionären Umschwung heraufbeschwören wird. Waren die Autor*innen jemals in Rödelheim? Wie kommt man zu solch wilden, unbelegten Behauptungen? Hat euch das der*die deutsche Michel*Michaela von Nebenan gesagt, der*die sich auch sonst darüber sorgen macht, dass der Stadtteil „zu migrantisch“ wird und Apfelweinkneipen bald zu Shisha-Bars umgewandelt werden?

Auch wenn „organisierte Kriminelle“ teilweise im Wohnungsmarkt operieren, so sind die wirklichen Probleme und Kriminellen die Privatinvestor*innen und große Wohnungskonzerne mit ihrem Heer an Anwälten und eine Stadtpolitik die dem Handel mit Wohnraum als profitmaximierende Investition in Frankfurt in keinster Weise einhalt gebietet durch die Möglichkeiten des sozialen Ausgleichs die von ihnen jederzeit genutzt werden könnten (werden sie nur nicht, weil die Stadt Frankfurt selbst durch die steigenden Mietpreise ihren Finanzhaushalt auffüllt). Wie ihr selbst festhaltet in der Chronik ist es die städtische Wohnbaugesellschaft ABG, die mit 89 Zwangsräumungen fast 20% der gesamten Zwangsräumungen in der Stadt in der ersten Hälfte des Jahres durchführen lies. Geschweige denn mit welcher Brutalität sie gegen die gesamten Familien von Menschen vorgegangen sind, die mit Drogen gehandelt haben sollen, und mit welch völliger selbstverständlichkeit sie diese – selbst wenn sie Kinder haben die auf ein Rollstuhl angewiesen sind – ohne weitere Betreuung oder Perspektive einfach auf die Straße geworfen haben, nur um ein Abschreckungsszenario gegen ach so schlimme „Kriminelle“ zu schaffen. (https://www.hessenschau.de/gesellschaft/kampf-gegen-drogenhandel—abg-s…) Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften fragen völlig selbstverständlich nach rassistischen Kriterien bei Selbstauskünften auf ihren Formularen, um ihre Mieter*innen entsprechend auswählen (oder viel mehr abweisen) und zuteilen zu können. (https://www.fr.de/frankfurt/wohnen-in-frankfurt-sti903943/linke-wirft-wo…) Wie kommt man denn angesichts dessen dazu, beiläufig einen so dummen wie unnötigen Kommentar einzubauen, der auch noch die übelsten deutschen Rassismen vom „bösen kriminellen Ausländer“ bedient?

Bisher kennt man es nur als Witz, die SWING als eine Art „Bild-Zeitung“ der linksradikalen Szene im Rhein-Main-Gebiet und darüber hinaus zu bezeichnen. Es wäre traurig, wenn das Heft tatsächlich nochmal auf dem Niveau der Springer-Presse arbeiten sollte. Denn die aktuelle Ausgabe der SWING ist abgesehen von diesem beschämenden Arikel mal wieder gefüllt mit spannenden und wichtigen Berichten und Diskussionen zu politischen Themen und Aktionen der vergangenen Monate und stellt auch sonst einen unverzichtbaren Teil der linksradikalen Szene dar, vor allem in Zeiten in denen uns linkradikale Internetmedien wie Linksunten vom Staat weggenommen werden.

Antwort auf die Kritik “Wider dem reaktionären Zeitgeist!” zu unserem Diskussionsbeitrag “Linke Konsumräume”

Getroffene Hunde bellen

– mein Opa nach dem 5. Glas Bier!

Da unser Diskussionsbeitrag “Die Linke als Konsumraum” scheinbar in der SWING (Autonome Zeitschrift Rhein-Main) veröffentlicht wurde, hat sich eine anonyme Person auf Indymedia dazu genötig gesehen, jenen auf eine herablassende Art zu kommentieren, weswegen wir uns eine Richtigstellung der vorgenommenen Behauptungen an dieser Stelle nicht nehmen lassen wollen.

Unser Ziel ist es einen innerlinken Diskurs zu fördern, statt polemisch aufeinader einzuschlagen und sich gegenseitig abgedroschene Argumente an den Kopf zu werfen. Aus dieser Perspektive finden wir es schade, dass Kritik an unserer Position nicht sachlich und direkt an uns gerichtet vorgetragen wird.

Wir zitieren nachfolgend kursiv aus dem entsprechenden Beitrag und in normaler Schrift aus unserem ursprünglichen Text.

“[…] dass das kolportierte Bild, aus dem Projekt sei ein Drogenhandelring betrieben worden völlig aus der Luft gegriffen ist. Was als – wenn auch unangenehmes – Problem hätte innerhalb des Projektes gelöst werden können, wird von Manchen nun missbraucht, um das Projekt (ob abischtlich oder nicht) zu diskreditieren […].”

Schon zu Anfang des Beitrages wurde unmissverständlich klar gemacht, dass gerade die fehlende Diskussion problematisch für uns erscheint und daher keine genauen Angaben darüber gemacht werden können: “inwieweit die festgenommenen Personen wirklich in organisierte kriminelle Strukturen verwickelt waren, ebenso wie die internen Diskussionen im “Bettenhaus” genau aussehen. Unser Ziel ist daher nicht die Denunziation von einzelnen Beteiligten oder des Bettenhauses, sondern die Problematisierung von Drogenkonsum und organisierter Kriminalität im Allgemeinen.”

“Zunächst wird sich gleich auf der ersten Seite über die angeblichen gesundheitsschädlichen Risiken von Cannabis und Alkohol ausgelassen, und das alte Argument der Konservativen herangezogen, dass selbst einmaliger Drogenkonsum irreversible Schäden ausrichten würde. Was denn nun Drogen eigentlich sind wird nie geklärt.”

Wer ernsthaft der Meinung ist, dass Drogen “bei regelmäßigem Konsum” keine Schädigungen hervorrufen, der spricht vielleicht von der medikamentösen Einnahme von Cannabis. Das Wort “Drogen” näher zu definieren halten wir im Kontext der Diskussion für unnötig, da alle nachfolgenden Ausführungen, die sich nicht im allgemeinen auf Rauschmittel beziehen, entsprechend spezifiziert wurden. Zum Beispiel an der Stelle, als folgerichtigt von uns behauptet wurde, dass selbst ein einmaliger Konsum eine Schädigung hervorrufen kann, dieser Passus bezog sich nämlich rein auf chemische Partydrogen, inwiefern das ein typisches Argumentationsmuster von Konservativen oder Neoliberalen sein soll, bleibt uns unverständlich, da eine “substanzinduzierte Psychose” ein gebräuchlicher medizinischer Fachbegriff ist, den es nicht ohne Grund zu geben scheint. Für weitere Informationen fragen Sie bitte ihren Arzt oder Apotheker. Den medizinischen Nutzen von Cannabis zu thematisieren wäre durchaus richtig, hat thematisch aber nichts mehr mit dem Thema Drogenkonsum zu tun und wurde daher aus Platzgründen ausgespart.

“Die Behauptung Drogenkonsum führe grundsätzlich nur zur Unterdrückung eines revolutionären Bewusstseins wird legiglich mit dem dümmlichen Argument belegt, dass sie der “Zerstreuung” dienten. Und wer sogenannte Drogen konsumiert sei grundsätzlich unzuverlässig.”

Inwiefern das aus dem ursprünglichen Beitrag herauszulesen ist, bleibt uns völlig schleierhaft. Behauptet wurde lediglich, dass Drogenkonsum kein emanzipativer, sondern individueller Akt ist. Das Wort “Zerstreuung” wurde sogar im positiven Kontext gebraucht und die negativen Auswirkungen, auf die Fähigkeiten das eigene Leben zu gestalten, wurden mit einer DrogenSUCHT verknüpft, die klar von unregelmäßigem Konsum abgegrenzt wurde.
Da unser Vorhaben eine metapolitische Komponente hat, also über möglichst gute Informationen das Verhalten und die Denkweisen von Einzelnen zu bereichern sucht, sehen wir es im Kontext als angebracht an, vor den negativen Auswirkungen von DrogenSUCHT zu warnen, da jene, im Vergleich zu den positiven Aspekten des Gelegenheitskonsums, nicht selbst erfahren werden kann bzw. sollte. Trotzalledem haben wir das individuelle Recht auf Konsum betont und eine Legalisierung von bisher illegalen Drogen gefordert.

“[…] Marx hätte ja nicht wisssen können das Leute irgendwann tatsächlich sogenannte Drogen in größeren Mengen konsumieren. Nochmal damit es klar ist: sie sind nicht vom Himmel gefallen, sie waren schon immer Teil menschlicher Kulturen. Entsprechend gab es auch einen massiven “Drogenkonsum” zu Zeiten von Marx.”

Dass Drogen schon immer ihren Platz in den verschiedenen menschlichen Kulturen hatten, ist sicher richtig. Dennoch hat sich der Drogenkonsum weltweit vor allem durch die Verfügbarkeit stark erhöht [Weltdrogenbericht 2018]. Diese Verfügbarkeit wird heute vor allem durch die Organisierte Kriminalität (OK) gewährleistet, während zu Lebzeiten von Marx Medikamentenmissbrauch und Alkoholismus vorherrschend waren.

“Speed, Ecstasy usw. kann von jedem mit Zugang zu den notwendigen chemischen Wissen und Mitteln hergestellt werden, Cannabis kann ohne große Hürden auch selbst angebaut werden. Wer meint, dass die Mehrzahl der Drogenkonsument*innen in Frankfurt ihre Konsumprodukte auf einer verdreckten Toilette oder in einem der wenigen noch zugänglichen und nicht videoüberwachten Hinterhöfen im Bahnhofsviertel von Tagelöhnern kaufen, glaubt den Märchen der Polizei und Stadtverwaltung, denen diese Erzählung nur als Tarnung dient um Arme und durchaus hilfsbedürftige Menschen, sowie aus rassistischen Gründen vor allem gegen Menschen mit dunkleren Hautfarben (rassistisches Stichwort “Nafri”) und Obdachlose Sinti und Roma, vorzugehen.”

Ein eigener Anbau erscheint im Fall von Cannabis eventuell noch glaubwürdig, bei allen anderen illegalen Drogen eher als an den Haaren herbeigezogen. Mal ehrlich: Wer ernsthaft der Meinung ist, dass der Großteil des hergestellten Speeds in Deutschland nicht aus Strukturen der OK stammt, sondern von Hinz und Kunz in der eigenen Küche zusammengebraut wird, der will zwanghaft die Augen vor der Realität verschließen. Nur weil Stadt und Polizei in Frankfurt eine ähnliche Argumentation missbrauchen, um gegen Arme und Geflüchtete vorzugehen, bedeutet dies nicht, dass Strukturen der OK nicht existieren. Darüber hinaus sind Hells Angels & Co. doch auch im Frankfurter Bahnhofsviertel sichtbar präsent. Zusätzlich sollte der Umstand, dass eben nicht mehr nur auf Bahnhofsklos gedealt wird, Anreiz dafür sein, sich darüber Gedanken zu machen, wie tief Drogenhandel und die zugehörigen bandenmäßig organisierten Strukturen bereits in die Mehrheitsgesellschaft eingesickert sind.

“Aber für die Autor*innen ist das Problem darin zu sehen, dass die nebulöse “Organisierte Kriminalität” vor allem zu Verbindungen zwischen “Neonazis, Rockerbanden und arabischen Faschisten” führt. Eine weitere Behauptung die ohne jeglichen Beweis einfach mal so in den Raum gestellt wird. Wem das nicht Angst genug macht hört dann noch Schauermärchen von bösen “Clankriminellen” wie dem “Remo-Clan in Berlin”, welche Mieter*innen in der Hauptstadt vermeintlich in Angst und Schrecken versetzen würde, noch später hört man dass selbst Connewitz nicht mehr sicher ist. Und nun auch noch das beschauliche Marburg? Sogar Rödelheim? ARMES DEUTSCHLAND, DANKE MERKEL (!!1!) will man uns wohl damit sagen. Das man ein von bürgerlichen und extrem rechten Reaktionären in Medien und Parteien aufgebauschtes rassistisches Ammenmärchen von der Übermacht fieser “krimineller Ausländer” in Großstädten übernimmt ist ein fatales Zeichen für sich antirassistisch dünkende Menschen, wenn sie dann noch als “linke Kritik” an patriarchalen Strukturen zu tarnen versucht wird ist es eine Pervertierung feministischer Politiken, wie man sie aus bürgerlichen Traditionen nur zu gut kennt.”

Ein Beleg wurde an dieser Stelle sehr wohl mitgeliefert, wobei darauf geachtet wurde, dass er eine Verbindung zwischen “deutschen” Rockern und Faschisten aufzeigt, um darauf hinzuweisen, dass die Probleme nicht durch “Ausländer importiert” sind, wie in rechten Kreisen oft behauptet wird. Die beschriebenen Verbindungen sind für uns übrigens nur das “i-Tüpfelchen” und nicht das primäre Problem an der OK. Dass Connewitz nicht mehr sicher ist, wurde nie behauptet, sondern das genaue Gegenteil. Ebenso wurde nie darüber geschrieben, dass “Ausländer” Großstädte übernehmen. Diese Art der Interpretation zeugt mehr von der Gewöhnung an populistisches Geschwätz, wie es leider auch innerhalb der Linken an der Tagesordnung ist, als von einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem von uns veröffentlichten Text. Gerade aufgrund der Abwehrmechanismen sehen wir es als dringend notwendig an, einem Thema Aufmerksamkeit zu schenken, welches in der Linken, gegenüber anderen Themen deutlich unterrepräsentiert ist. Ein Grund dafür ist, dass die OK (in der Statistik wurden nur Großfamilien mit nicht-deutscher Herkunft erfasst, wir lehnen die Bezeichnung “Clankriminalität” aber ab, da es sich hierbei um ein Wort handelt, welches das Problem der OK auf familiäre Strukturen reduziert) alleine in Nordrhein-Westfalen mittlerweile etwa einen halb so großen Umfang wie alle rechtsextremistischen Straftaten im ganzen Bundesgebiet umfasst [Rechtsextreme Straftaten 1. Halbjahr 2019]. Zwischen 2016 und 2018 registrierte die Polizei in NRW mehr als 14.225 Straftaten mit rund 6449 tatverdächtigen Clanmitgliedern. Unter den 14.225 Straftaten waren 26 Tötungsdelikte oder versuchte Tötungsdelikte, 5600 Gewaltdelikte, 2600 Betrugsfälle, 2600 Eigentumsdelikte und 1000 Drogendelikte. Von Sommer 2018 bis Januar 2019 kam es zu über 100 Festnahmen [Straftaten in NRW]. Was das mit einem “Ammenmärchen” oder “Pervertierung feministischer Politiken” zutun hat, kann man ja mal versuchen den (Zwangs)prostituierten im Frankfurter Bahnhofsviertel zu erzählen. Vielmehr führt die Überstrapatzierung von Rassismus-Vorwürfen zur Entleerung des Begriffes, was sicher nicht im Sinne der wirklich Betroffenen sein kann und an dieser Stelle aufgrund der durchaus differenzierten Argumentation, welche an keiner Stelle die Herkunft oder Hautfarbe von Kriminellen thematisiert, völlig fehl am Platz ist.
“Wer meint die Welt würde sich automatisch zum positiven Verändern wenn keine sogenannten Drogen konsumiert werden würden träumt. Das Problem heißt immernoch Kapitalismus, eine moralisierende Kritik an einzelnen Symptomen dient niemanden, höchstens eigenen Überheblichkeitsgefühlen und neoliberalem Gesundheitswahn.”
Der mehrfach wiederholte Versuch, legitime Argumente mit dem Verweis auf deren “Bürgerlichkeit” zu diskreditieren, zeugt von völliger Verweigerung dem Inhalt gegenüber. Ein Argument ist nicht deswegen richtig oder falsch, weil es bestimmte Personen benutzen. Genauso ist es ein typisch linkes und dennoch ermüdendes Totschlagargument darauf zu verweisen, dass nur durch die Aufhebung des Kapitalismus alles gut werden würde und alle anderen gesellschaftlichen Veränderungen zum Scheitern veruteilt sind. Würde der/die Autor/in dieses Argument wirklich ernst nehmen, hätte der anfängliche Absatz zur Wohnungspolitk ausgespart bleiben können, denn auch linkes Engagement im Bereich des Wohnungsmarktes wäre dann zum Scheitern veruteilt. Weder wird mit einem geringeren Drogenkonsum die Welt sofort eine bessere, noch ist es wahr, dass ein anderer Umgang mit dem eigenen Konsum keinerlei Wirkung erzielen kann. Dass wir lieber eine bürgerliche Welt ohne autoritär-patriarchale Schattenseiten möchten, macht uns nicht zu schlechteren Linken, sondern zu den größeren Realist*innen. Dementsprechend halten wir die Forderungen gegenüber der SWING und die gefährliche Beleidigung gegenüber unserer Argumentation als “reaktionär” für völlig verfehlt.
“Auch wenn “organisierte Kriminelle” teilweise im Wohnungsmarkt operieren, so sind die wirklichen Probleme und Kriminellen die Privatinvestor*innen und große Wohnungskonzerne mit ihrem Heer an Anwälten und eine Stadtpolitik die dem Handel mit Wohnraum als profitmaximierende Investition in Frankfurt in keinster Weise einhalt gebietet […].”

Obwohl die abschließenden Auslassungen zum Frankfurter Wohnungsmarkt durchaus interessant sind, finden wir es bedenklich, dass hier Privatinvestor*innen auf eine Stufe mit Schwerkriminellen gestellt werden. Gerade diese verkürzte Kapitalismuskritik hätten wir nicht erwartet, wo vorher doch selbst bei einem Phänomen, was zumindest rechtlich außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft steht, ein zu geringer Fokus auf innerkapitalistische Dynamiken bemängelt wurde.

“[…] selbst wenn sie Kinder haben die auf ein Rollstuhl angewiesen sind – ohne weitere Betreuung oder Perspektive einfach auf die Straße geworfen haben, nur um ein Abschreckungsszenario gegen ach so schlimme “Kriminelle” zu schaffen. Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften fragen völlig selbstverständlich nach rassistischen Kriterien bei Selbstauskünften auf ihren Formularen, um ihre Mieter*innen entsprechend auswählen (oder viel mehr abweisen) und zuteilen zu können.”

Sollte diese Praxis in Frankfurt tatsächlich so stattfinden, dann können wir nur unsere tiefste Abneigung ihr gegenüber ausdrücken. Solcherlei Forderungen wie eine “Abschreckung” durch die Polizei wurden in unserem Beitrag nie gestellt und sind auch nicht in unserem Sinne. Als linkes Projekt wollen wir uns für eigene Problemlösungen einsetzen, die auf rassitische Stereotype verzichten und nur in Ausnahmen und Ermangelung an Alternativen Forderungen an den Staat stellen. Gleichzeitig wollen wir aber auch nicht auf die positive Verkehrung der Stereotype hereinfallen.


Chronik November/Dezember 2019

01.08. Der August fängt zumindest für einen Gefangenen des Knastes in Frankfurt-Preungesheim gut an, ihm gelingt nämlich während des Freiganges die Flucht aus der JVA IV! Diese ist für Knackis mit kurzen Knaststrafen und nicht ganz so hochgerüstet wie die anderen Bereiche der JVA. Leider wurde der Ausflug nach knapp 2 Monaten mit seiner Festnahme beendet – aber immerhin ein kurzer Sommer in Freiheit!
11.08. Beim queeren Jugendzentrum „Kuss 41“, in der Frankfurter Konrad Schumacher Straße, wird eine Scheibe eingeschlagen. Bereits einige Wochen zuvor wurden Flaggen und Symbole der verschiedenen sexuellen Orientierungen von den Fenstern gekratzt. Solidarität mit den Angegriffenen – Für Selbstbestimmung und gegen patriarchale Idioten!
12.08. In Hessen werden jeden Tag etwa 45.000 Abfragen im Polizei-System (Polas) gemacht. Dort sind im Mai 535.188 Menschen gespeichert. Allein dieses Jahr sind bereits neun Disziplinarverfahren gegen Bullen wegen unberechtigter Abfragen eingeleitet worden. Wegen der anhaltenden hohen Zahl wilkürlicher Abfragen durch Bullen wurde im Februar bereits eine Zufallskontrolle im System eingebaut.
16.08. In Offenbach demonstrieren 250 Menschen gegen Rassismus, rechte Gewalt und zur Mobilisierung zur #unteilbar-Demo am 24.08 in Dresden.
20.08. Vom Frankfurter Flughafen kommt es mal wieder zu einem Abschiebeflug nach Nigeria, obwohl dort immer noch bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen. Aus diesem Anlass kam es am Hauptbahnhof zu einer kleinen antirassistischen Kundgebung mit 50 Leuten.
21.08. Knapp ein Jahr nach den rassistischen Ausschreitungen in Birstein werden die Ermittlungen eingestellt. Die Hanauer Staatsanwaltschaft, unter Führung von Gabriele Türmer, konnte keine Tatverdächtigen ausfindig machen. Bei der Kerb des SV Hochland Fischborn (Birstein) war eine auswärtige Fußballmannschaft aus Mühlheim-Dietesheim von einem Mob von 30-50 Rassisten durch den Ort gejagt worden. Es kam zu Körperverletzungen und Sachbeschädigunen. Birstein liegt übrigens direkt neben Wächtersbach und im Landkreis leben eine ganze Reihe von organisierten Neonazis und Dorfrassisten, die die örtlichen Dorffeste zu ihrem Hoheitsgebiet machen.
22.08. Laut hessischem Innenministerium hat die NPD und „Der III. Weg“ seit September 2018 sogenannte Streifengänge in 12 Städten unternommen. Meist seien es Kleingruppen von zwei bis fünf Personen gewesen.
22.08. Hessische Nazibullen die Zweite: Nach dem Unfalltod eines Vogelsberger Bullen sind die Ermittlungen zur Todesursache eingestellt worden. Der Bulle war wegen des Frankfurter Polizei-NSU 2.0 Verfahrens vom Dienst suspendiert! Weitere Erkenntnisse oder Zusammenhänge werden von der Staatsanwaltschaft offensichtlich nicht verfolgt!
23.08. Vor dem Brasilianischen Konsulat in Frankfurt protestieren etwa 80 Leute gegen die dortige Regierung und deren Haltung zu den anhaltenden Waldbränden im Amazonasgebiet.
27.08. Am Frankfurter Landgericht beginnt der Prozess gegen den Gastronom Jan Mai wegen Mordes an seiner Geschäftspartnerin im Niddapark. Bekannt wurde Mai durch seine rassistische Lüge eines angeblichen „ausländischen Sex-Mobs“ in seiner Bar. Wer sich also für die Abenteuer von abgehalfterten Nightlife Koksern und halbseidenen Unterweltgeschäften der Möchtegern High Society interessiert – darf gerne zu den Gerichtsterminen gehen.
29.08. Nachdem die Frankfurter Wohnungsgesellschaft ABG in der Ginnheimer Platensiedlung sechs Mietparteien wegen Drogenhandels gekündigt hatte, sind mittlerweile vier der sechs Wohnungen geräumt worden. Sowohl Amtsgericht als auch das Landgericht fanden es super, dass Vermieter ihre unliebsamen Bewohner einfach zwangsräumen dürfen. In mehreren Fällen waren dabei ganze Familien betroffen.
30.08. Nazibullen die nächste: Gegen einen Dienstgruppenleiter der südhessischen Landespolizei Mühlheim am Main wird wegen des Verbreitens von rechtsradikalen Bildern ermittelt. Er soll in einem Whats App Chat mit weiteren Bullenkollegen mehrfach nationalistische und NS Verherrlichende Bilder gepostet haben. Der Nazibulle war unter anderem mit der Ausbildung junger Cops beschäftigt. Er ist scheinbar seit über einem halben Jahr krankgeschrieben.
31.08. In Hungen-Villingen findet ein Nazikonzert mit Kategorie C statt. Ursprünglich sollte der Abend in einer Gastwirtschaft „Zur Linde“ in Wölfersheim-Wohnbach, als Geburtstagsparty getarnt, stattfinden. Dort sagte der Wirt allerdings ab, so dass die etwa 50 Nazis in einen privaten Kleingarten am Ortsrand von Villingen umzogen. Die Cops kontrollieten 42 Nasen, die großteils aus Hessen und NRW kamen.
01.09. In Bad Soden finden die Cops in der Wohnung eines 46-jährigen Mannes ein größeres Lager an Waffen und NS Militaria. Der Idiot hatte sich ausgesperrt und versuchte über das Dach, wieder in seine Wohnung zu klettern, musste dann aber von der Feuerwehr gerettet werden.
01.09. Anlässlich des Antikriegstages protestiern in Frankurt etwa 500 Menschen für Abrüstung und Frieden.
05.09. In Taunusstein beschießt ein 54-jähriger Mann aus seinem Auto heraus Leute, die er für „Ausländer“ hält, mit einer Zwille und Metallkugeln. Es soll sich um mindestens drei Vorfälle seit Beginn des Jahres handeln. Eine Zeugin konnte jetzt das Kennzeichne erkennen und der Rassist wurde vorläufig in U-Haft genommen.
07.09. Nazibullen die nächste: Wieder in Mülheim werden diesmal gleich sechs Polizeidienstanwärter vom Dienst entlassen nachem sie in einer Whats-App Gruppe rassistische und antisemitische Bilder verschickt und geteilt haben. Irgendwie auch kein Wunder, dass diese Arschöcher finden im Polizeidienst einen tollen Job zu finden. Aber Hey! Alles Einzelfälle!
07.09. In Altenstadt-Waldsiedlung ist die Demokratie auch abgehalftert! Der Ortsbeirat (bestehend aus CDUFDPSPD) wählt den NPDler Stefan Jagsch zum Ortsvorsteher, weil „wir keine anderen haben – und vor allem keinen Jüngeren, der sich mit Computern auskennt, der E-Mails verschicken kann…“ Genau, gute Nacht!
11.09. Vor dem Frankfurter Landgericht wird ein Verfahren wegen Nötigung und Waffengesetz eingestellt. Angeklagt waren Jeffrey H (37) und Rayka L. (45), die beiden hatten in Frankfurt Preungesheim eine Gruppe junger Jugendlicher deutsch-rassistisch beschimpft und mit einer Waffe bedroht.
14.09. Große Fahrraddemo gegen die IAA in Frankfurt! Am Tag darauf Blockaden der Messe.
15.09. In Darmstadt tauchen in vielen Briefkästen Flugblätter auf, auf denen die örtiliche Verkehrsunternehmen und die Stadt Darmstadt am Klimastreiktag kostenlosen Nahverkehr proklamieren. Gute Idee, leider distanziert sich die Stadt kurze Zeit später davon.
16.09. Nazibullen die nächste: Wie jetzt bekannt wird, hat die Frankfurter Anwältin Seda Basy-Yildiz weitere NSU 2.0 Drohfaxe bekommen. Dabei auch eines, das wenige Tage nach dem Nazi-Mord an Walter Lübcke abgeschickt wurde und noch vor der Festnahme des Täters einen Nazizusammenhang herstellte!
19.09. Ende Juli kommt es zu einem Kaffeeplausch – Treffen des Geschäftsführers der hessischen Filmförderung Hans Joachim Mendig mit dem AFD-Chef Jörg Meuthen und dem PR-Manager Moritz Hunzinger in der Frankfurter Altstadt. Dort labern sie über „Politik und Ausländer“ – jetzt wird Mendig nach vielfältigen Protesten aus der Kulturszene von seinem Amt entlassen.
19.09. In Frankfurt Sachsenhausen wird in der Mörfelder Landstraße die Scheibe eines Bullen Streifenwagens eingeschlagen!
20.09. Klimastreik auch in Frankfurt – 25.000 Leute – nicht schlecht!
22.09. Während der Aktionswoche nach dem Klimastreik kommt es in Frankfurt-Bockenheim zur mehrstündigen Sperrung der Leipziger Straße, um diese in eine Autofreie Zone zu verwandeln. An drei Blockadepunkten wird der Autoverkehr für den oberen Teil gesperrt. Es kommt zu vielen wohlwollenden Diskussionen, aber natürlich auch zu genervten Debatten mit Autofreaks. Nicht fehlen dürfen natürlich auch wieder die „Nazibullen“, die eine der Blockade recht rüde abräumen und dabei präsentiert einer ihrer Kameraden einen Aufnäher auf seiner Uniform mit „Molon labe“ Spruch. Das altgriechiche „Komm und hol sie dir!“ wird gerne in der rechten Szene und „pro Waffen“ Gruppen der USA genutzt.
22.09. Scheiß Bullen, die nächste: Auf einer „Blaulichtparty“ hat ein Frankfurter BFE Bulle eine Frau sexuell genötigt und verletzt. Die Blaulichtpartys sind eine Veranstaltungsreihe der Dortmunder Firma „Blaulicht Union Party“, die in Frankfurt u.a. in der Batschkapp oder, wie in diesem Falle, im Hotel Leonardo in Sachsenhausen stattfinden. Zielgruppe der Reihe sind Polizisten, Feuerwehrleute, Zoll-und Justizbeamte, Krankenschwestern, Ärzte oder Sanitäter. Wie aus einer Anzeige zur heutigen Party hervorgeht, hatten sich mehrere Bullen der BFE (Beweis- und Festnahmeeinheit) zunächst ihre T-Shirts vom Körper gerissen und mehrere Frauen auf anstößige Art bedrängt. Der beschuldigte Bulle soll dann eine Frau erst länger in den Würgegriff genommen und anschließend abgeleckt und gebissen haben. Beendet wurde das Drama dadurch, dass die Türsteher (jetzt kommts) die Polizei gerufen habe!
24.09. Dummer männlicher Sexismus ist offensichtlich wieder salonfähig: Ein Gericht urteilt, dass die Grünen Politikerin Renate Künast durchaus als „F..tze“ im politischen Diskurs bezeichnet werden darf. Greta Thunberg scheint ja eh für viele Männer der Inbegriff ihrer Schwanzfixiertheit zu sein und jetzt hat auch Frankfurt sein aktuell größtes Arschloch präsentiert: Michael Stauder, bis heute Vorsitzender der CDU in Nieder Eschbach, hat in zwei offen sexistischen FB Posts seine Dummheit präsentiert und Frauen erniedrigt. Immerhin, der Druck auf ihn war so groß, dass er seiner Ämter entledigt wurde. Und es tut ihm auch leid, denn der Teufel habe ihn geritten.
27.09. Zum Abschluß der Klima-Aktionswoche in Frankfurt mobilisiert Fridays for Future zusammen mit Initiativen gegen die Bebauung der Günthersburghöfe im Frankfurter Bornheim. 3000 Leute kommen zu dieser Demo bei leichtem Nieselregen und bilden am Ende eine Menschenkette um das Bebauungsareal. Mehrere Kleingartenanlagen und diverse urbane Areale sollen vernichtet werden, um dort ein großes Wohngebiet mit bis zu 1400 Wohnungen zu bauen. Was eigentlich nach einer sinnvollen Überlegung klingt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als weitere Luxusimobillienanlage, mit der die Bauprojektfirma Instone AG sich einen schönen Gewinn erhofft. Für die BewohnerInnen des Nordend und Bornheim bedeutet es hingegen eine neue Reichen-Wohnanlage und immer weniger Grünanlagen und Erholungsflächen.
03.10. Der Kreis Gross-Gerau veröffentlicht eine Dokumentation zu rechter Hetze und Propaganda in der Region. Zudem wird eine Online-Meldestelle für Betroffene von rassistischer Gewalt eingerichtet. Klingt nach einer guten Idee und ist zumindest mal ein erster Schritt in der Bekämpfung rechter rassistischer Scheiße vor Ort.
04.10. Oder hätte man es lassen sollen? Vor der spanischen Küste geraten drei Bullen in Seenot, als sie ein Boot rammen, welches Haschisch von Marokko nach Spanien bringt. Als sie von den Schmugglern auf deren trotz des Rammens seetauglich gebliebene Boot gerettet werden, … entschuldigen sie sich und bedanken sie sich…? Nein, natürlich nicht, sie nehmen die Seenotretter fest! A.C.A.B.!
05.10. Besetzung des Backhauses in Frankfurt Bockenheim!
06.10. In Bad Hersfeld schießt ein 28-jähriger Deutscher mit einer Gasknarre aus rassistischen Gründen, auf einen ihm unbekannten Mann aus Somalia! Die Armee der Einzeltäter!
08.10. Vor dem Frankfurter Büro von Pro Familia halten die christlichen „Lebensschützer“ wieder ihre ekligen Mahnwachen ab. Diesmal dürfen sie allerdings nur an der Kreuzung zur Bockenheimer Landstraße ihre Gebete von sich geben. Sie müssen nämlich während der Öffnungszeiten von Pro Familia außer Sicht- und Hörweite stehen.
08.10. Kundgebung am Flughafen wegen einem Abschiebeflug nach Afghanistan.
09.10. Nazibullen die nächste: Am Amtsgericht Hanau beginnt ein Prozess gegen drei Bullen des Reviers am Freiheitsplatz. Ein 37-jährigen Oberkommissar wird wegen Körperverletzung im Amt angeklagt. Er hatte während einer Nachtschicht einem Mann in Gewahrsam eine Flüssigkeit zum Trinken angeboten, in der sich Fäkalien und Urin befanden. Zudem habe er die Grünen Politikerinnen Renate Künast und Claudia Roth herabwürdigend beleidigt. Die beiden anderen Cops sind nur wegen Beihilfe angeklagt.
10.10. Scheißbullen die nächste: Vor dem Frankfurter Landgericht startet ein Prozess gegen sieben aktive und einen ehemaligen Bundespolizisten. Die Männer im Alter zwischen 29 und 58 Jahren sollen im Dezember 2017 einem jungen Mann die Hilfe verweigert haben, als dieser schwer verletzt in einer Gewahrsamszelle am Hauptbahnhof eingesperrt war. Der Mann war in der B-Ebene erst kontrolliert und dann gewaltsam mit auf die Wache genommen worden. Während der Festnahme hatte er einen Rippenbruch und eine Lungenverletzung erlitten, trotzdem wurde ihm medizinische Hilfe über Stunden verweigert und er musste stattdessen zwei Stunden nackt in der Zelle ausharren. Der Prozess wird sich über mehrere Wochen hinziehen. Zur Verteidigung haben die Bullen auch sehr professionelle Rechtsbeistände erhalten. So wird einer der an der Festnahme beteiligten Cops vom Rechtsanwalt Christoph Arnold aus Bonn vertreten. Arnold hat sich darauf spezialisiert, angeklagte Polizisten vor Gericht zu vertreten. Der ehemalige Bundespolizist wurde übrigens nach diesem Vorfall im Zuge seiner Probezeit umgehend entlassen!
10.10. Vor der jüdischen Synagoge in Frankfurt protestieren etwa 1000 Leute gegen rechten Terror!
11.10. 3. Sleep-Out in Solidarität mit wohnungslosen Roma in Frankfurt.
11.10. Nach den Protesten gegen die IAA in Frankfurt gibt es von Seiten der Messeveranstalter überlegungen, die IAA nicht mehr hier abzuhalten. Wir finden das ja sehr gut – kein Mensch braucht hier eine IAA! Geschweige denn das Klientel, was diese Messe anlockt! Die Politiker der Stadt und die Messegesellschaft versuchen nun aber, dem Verband der Automobilindustrie (VDA) in den Arsch zu kriechen und repräsentative Gelände im Stadtgebiet zur Ausdehnung der IAA anzubieten. Wir sagen NEIN – Nie wieder IAA!
12.10. Täglich demonstrieren Hunderte, an manchen Tagen sogar Tausende Leute gegen den Krieg gegen das kurdische Rojava! Der Krieg tobt weiter – Rojava halt stand!


Rrring, rrring…

…es klingelt um halb sechs morgens. Wenn es nicht der eigene Wecker, sondern die Haustür ist, kann es sich hierbei womöglich um eine Hausdurchsuchung handeln. Dies lässt sich in der Regel schlecht verhindern. Hausdurchsuchungen sind grundsätzlich nur zulässig, wenn ein gerichtlicher Beschluss vorliegt, der euch vor Betreten der Wohnung auch ausgehändigt werden muss. Ohne einen solchen Beschluss, kann eine Hausdurchsuchung nur bei sog. „Gefahr im Verzug“ durchgeführt werden, deren Vorliegen aber ausführlich begründet werden muss. Darauf ist jedoch wenig Verlass, denn die Realität sieht oft anders aus.
Sollten die Cops also bei dir vor der Tür stehen, ist das Wichtigste: Ruhe bewahren! Rufe sofort und solange es noch geht, Freund*innen an, damit sie sich um Anwält*innen und Beobachter*innen kümmern können. Das Recht, mit deinem*r Anwält*in zu telefonieren, hast du auf jeden Fall. Darüber hinaus ist es sinnvoll, sich selbst um eine*n Zeug*in zu kümmern. Achte jedoch darauf, keine Person herbeizurufen, die mit dem Anlass der Durchsuchung zu tun haben könnte! Die Anwesenheit von mindestens einem*r Zeug*in ist gesetzlich vorgeschrieben. In der Regel werden die Cops selbst eine*n solche*n vermeintliche neutrale*n Zeug*in vom Ordnungsamt mitbringen, von der du dir aber nichts erhoffen solltest.

Lass dir den Durchsuchungsbeschluss zeigen und lies ihn möglichst ruhig und genau durch. Sage den Beamt*innen, sie sollen solange warten. Widersprich der Durchsuchung und lass deinen Widerspruch protokollieren. Durch den Widerspruch ist es den Cops nicht erlaubt, schriftliche Aufzeichnungen (Tagebücher, Adressbücher, …) durchzulesen, sie dürfen sie lediglich sichten und müssen sie versiegeln. Denn durch den Widerspruch darf sie nur ein*e Richter*in oder ein*e Staatsanwält*in lesen. Auch für ein späteres Verfahren kann der Widerspruch von Nutzen sein. Zudem werden in der Regel PCs, Laptops, dein Handy sowie alle anderen Speichermedien, wie etwa USB-Sticks oder Speicherkarten von Kameras mitgenommen. Daher sollten all deine Speichermedien verschlüsselt sein!
Aus dem Durchsuchungsbeschluss muss sich eindeutig ergeben, um welche Räumlichkeiten es geht. In WGs ergibt es Sinn, die einzelnen Zimmer eindeutig zu „markieren“, so dass klar ist, wer welches Zimmer bewohnt. Ein Zimmer darf nicht durchsucht werden, wenn es konkret einer Person zugewiesen ist, die im Durchsuchungsbeschluss nicht genannt ist. Durchsucht werden können zudem Gemeinschaftsräume sowie gemeinschaftlich genutzte Fahrzeuge, Speicher, Keller, Proberäume, Garagen, etc. Ihr habt das Recht, bei der Durchsuchung der jeweiligen Räume anwesend zu sein. Fordert dies ein, wenn die Cops versuchen, eure Bewegungsfreiheit in der Wohnung zu behindern oder mehrere Räume gleichzeitig durchsuchen wollen!

Ebenso muss sich aus dem Durchsuchungsbeschluss konkret ergeben, was gesucht wird (Klamotten, Speichermedien …). Im konkreten Einzelfall kann man überlegen, die gesuchten Gegenstände herauszugeben. Damit wäre die Durchsuchung zu beenden, da der Durchsuchungszweck erfüllt ist. Eine solche Entscheidung muss aber gut durchdacht werden, da die Herausgabe zwar im Einzelfall verhindern kann, dass weitergesucht wird, aber eventuell auch Beweismittel herausgegeben werden, die nicht nur dich sondern auch andere belasten können.

Auch bei einer Hausdurchsuchung gilt: Mach von deinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Auch Eltern, Geschwister, andere Verwandte oder Mitbewohner*innen haben keine Verpflichtung, sich gegenüber der Polizei zu äußern. Spontan aufkommende Schutzinstinkte sind außerdem selten hilfreich.
Am Ende einer Hausdurchsuchung stellt sich die Frage, ob du das Durchsuchungsprotokoll unterschreibst. Hier gilt wie immer: unterschreibe nichts, das wird dir nicht helfen und möglicherweise sogar schaden. Lass dir den Durchschlag aber unbedingt aushändigen.

Nach der Hausdurchsuchung solltest du dich erstmal von dem Schreck erholen, dabei können Freund*innen und Familie helfen. Außerdem solltest du Kontakt zum Ermittlungsausschuss oder der Roten Hilfe aufnehmen.

Hausdurchsuchungen müssen nicht kurze Zeit nach einer Aktion stattfinden, sondern können auch nach geraumer Zeit durchgeführt werden. Deshalb gilt: Räumt immer gut bei euch auf und lagert keinen Quatsch in euren Wohnungen!