Frankfurt, Stadt für die Reichen?

Ein Update zu den Kämpfen um das Recht auf Stadt

Habt ihr noch Bock auf Frankfurt? An an allen Ecken und Enden sprießen neue Wohnhäuser für die Middle- und Upper­class aus dem Boden. Gefühlt kann man derzeit alle paar Wochen von neuen Luxusquartieren oder geplanten exklusiven Wohnhochhäusern lesen. Die Mieten in Frankfurt und der Rhein-Main-Region sind für Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen kaum mehr bezahlbar – und sie steigen immer weiter. Mietsteigerungen sind an der Tagesordnung, während die Anzahl der Menschen in prekären Lebenssituationen zunimmt; und vor allem schwindet die Zahl der Sozialwohnungen drastisch. Gab es in den 1990er Jahren alleine in Frankfurt noch 70.000 Sozialwohnungen, so sind es heute weniger als 27.000. Gebaut wurden in Hessen 2015 gerade mal 733 Sozialwohnungen – nicht annähernd so viele wie im gleichen Jahr aus der Preisbindung fielen. In der Folge wird die Warteliste für Sozialwohnungen beim Frankfurter Wohnungsamt länger und länger.
An dieser Misere haben die Politik des Frankfurter Magistrats und die stadteigene Wohnungsgesellschaft ABG Holding, die rund 20% aller Mietwohnungen in Frankfurt besitzt, eine wesentliche Mitschuld. Statt Sozialwohnungen langfristig zu garantieren, laufen die Preisbindungen spätestens nach 20 Jahren aus. Anschließend erhöhen die Wohnungsgesellschaften die Mieten auf das Marktniveau – auch die öffentlichen wie die ABG oder Nassauische Heimstätte. Sie verringern so den Bestand an bezahlbarem Wohnraum. Dazu passt, dass in Frankfurt wie im Umland hauptsächlich im oberen Preissegment gebaut und vor allem Eigentumswohnungen für die Gut-Betuchten errichtet werden. Auch hier sind die öffentlichen Wohnungsunternehmen vorne mit dabei, von den privaten Immobilieninvestoren ganz zu schweigen. Die durch die ABG-Kampagne erkämpfte Beschränkung der Mieterhöhung in den ABG-Wohnungen auf 5% in fünf Jahren ist für viele Mieter*innen erstmal eine Erleichterung, schiebt die Probleme aber nur auf. Ganz abgesehen davon, dass die ABG in einigen Häusern die 5% auf einmal haben möchte, was für viele Geringverdiener ein Problem darstellt.

Vertreibungspolitik im Bahnhofsviertel

Derweil hat die Hetze von Gewerbetreibenden und Law-and-Order-Politker*innen im Frankfurter Bahnhofsviertel Früchte getragen. Beinahe täglich geht die Polizei auf Menschenjagd, die Vertreibungspolitik gegen MigrantInnen, Arme und Obdachlose findet derzeit verstärkt und unwidersprochen statt. Neuestes „Glanzstück“ ist die Pommesbude für Hipster am Kaisersack, mit der die dortige Szene aus Trinkern, Süchtigen etc. vertrieben werden soll – der Kaisersack stellt ja schließlich das „Tor zur Stadt“ dar und Arme und Ausgegrenzte sollen das Bild der Stadt nicht beschmutzen. Auch andere Ecken der Stadt sind in den Fokus der Law-and-Order-Freund*innen gerückt – so diskutiert der Magistrat der Stadt gerade die Aufstellung von Videokameras rund um die Allerheiligenstraße in der Innenstadt, angeblich auch ein „Brennpunkt“ des Drogenhandels und der „Unsicherheit“.

Dornröschenschlaf der ­Bewegungen?

Die Auseinandersetzungen, die die Stadt bis vor einiger Zeit stark prägten (Project Shelter, ABG-Mietenstopp-Kampagne, Entmietung durch Sanierung in der Wingertstraße, IvI, Graffiti-Kampagne „Stadt für Alle“ uvm.) befinden sich derzeit scheinbar in einem Dornröschenschlaf. Keine der alten oder neuen Initiativen und Kampagnen schafft es derzeit, die Verhältnisse ausreichend zu skandalisieren, sodass Druck auf die Stadt entsteht. Der Mietenstopp für die ABG-Mieter*innen vor der letzten Kommunalwahl hat die Öffentlichkeit für’s erste beruhigt. Das vom SPDler Mike Josef geführte Stadtplanungsamt, das seinerzeit unter der Führung des Grünen Cunitz für erhebliche Proteste und Skandale gesorgt hatte, fährt derzeit scheinbar einen mieterfreundlicheren Kurs. Der Öffentlichkeit wird einerseits suggeriert, dass der Stadt die Hände gebunden wären, was eine soziale Wohnungspolitik angeht (Gesetze des Marktes bzw. Gesetzgebung des Bundes), andererseits werden mit der großspurigen Ankündigung von sozial gefördertem Wohnraum bei Neubauten Beruhigungspillen serviert.

Von „Wir sind die halbe Stadt!“ zu „We are the City“?

Aber noch haben sich Betroffene, Mieter*innen- und Stadtteilinitiativen nicht mit den Frankfurter Zuständen abgefunden. Die Kampagne „Wir sind die halbe Stadt!“ kämpft für den Anspruch auf eine Sozialwohnung – denn 49% aller Frankfurter Mietwohnungs-Haushalte haben eigentlich Anspruch auf eine solche Wohnung – also die halbe Stadt! Die Kampagne will mit Aktionen und Öffentlichkeitsarbeit Druck aufbauen. Ein paar kleinere Aktionen wie die Störung einer SPD-Veranstaltung zu Wohnraum gab es bereits.

Öffentlichkeitswirksamer waren zuletzt die Proteste der Mieter*innen im Gallus, die sich gegen die Luxussanierung ihrer Mietshäuser durch die private Wohnungsgesellschaft Vonovia wehren. Dort werden unter anderem nachträglich sinnlose Aufzüge an die Häuser gebaut.

In Ginnheim wie im Nordend protestieren Mieter*innen lautstark im Ortsbeirat gegen Ausbaupläne der Stadt auf ihren Rücken. So soll in der Ginnheimer Platen-Siedlung nach Plänen der ABG eine Nachverdichtung vorgenommen werden, die die Lebensqualität der dort lebenden Menschen einschränken und zu Mietsteigerungen führen wird. Im Nordend sind die Pläne des Magistrats unter Beschuss, weite Flächen der oberhalb des Günthersburgparks gelegenen Grünanlagen und Kleingartengelände platt zu machen, um Raum für Wohnraumbebauung zu schaffen.

Die Beispiele zeigen: an vielen Ecken der Stadt regt sich Widerstand gegen eine Politik, die von sozialer Durchmischung schwafelt, aber Luxusquartiere und Wohngegenden für Wohlhabende und Mittelschichten plant. Mit dem Werben der Stadt um die Brexit-Bänker aus London zeigt sich, dass Stadtentwicklung kein Naturereignis ist, sondern Verdrängung immanenter und gewollter Teil kapitalistischer Stadtpolitik ist.

Deshalb wird es Zeit, dass wir unseren Widerstand gegen die herrschende Wohnungspolitik wieder sichtbarer machen und der Stadt der Reichen in die Suppe spucken!