(An-)Sturm auf Themar

Im Juli fanden im Südthüringischen Themar zwei RechtsRock-Openairs statt. Bei dem Event „Rock gegen Überfremdung“ am 15. Juli kamen 6000 Neonazis. Es handelt sich um das größte Nazikonzert seit der NS-Zeit. Bereits zwei Wochen später fand an selber Stelle die Veranstaltung „Rock für Identität“ statt, zu der 1000 Neonazis anreisten. Beide Konzerte waren als „politische Kundgebung“ angemeldet und fanden auf dem Gelände eines, gerade erst aus der AfD ausgetretenen, Bürgermeister einer Nachbargemeinde statt. Im Gegensatz zu anderen Großveranstaltungen der Neonazi-Szene war am 15. Juli in Themar fast das gesamte Spektrum, trotz sonst bestehender Differenzen, nicht nur unter den BesucherInnen vertreten sondern auch unter den RednerInnen abgebildet. Die angereisten Neonazigruppen kamen dabei aus allen Teilen Deutschlands, aus Polen, Tschechien, Slowenien, Italien und Ungarn. Außerdem soll das paramilitärische Neonazi-Bataillon „Asow“ aus der Ukraine mit auf Deutsch übersetzten Flyern um Anhänger geworben haben. Unter den 6000 Neonazis befand sich auch Andre Eminger, der im NSU-Prozess als mutmaßlicher Helfer angeklagt ist. Organisiert wurden die Konzerte von dem langjährig aktiven Neonazi Tommy Frenck (Betreiber des Gasthofs Goldener Löwe) aus Hildburghausen und dem bayrischen NPD-Funktionär und Versandhändler Patrick Schröder. Bei dem Konzert am 15. Juli soll alleine zwischen 125.000 und 190.000 Euro Gewinn durch Eintrittsgelder in die Kassen gespült worden sein, welche alibimäßig als Spenden deklariert wurden. Hinzu kommen noch die Erlöse aus dem Verkauf von Merchandising und Verpflegung.

Regionale Perspektive

Neben Namhaften Szenebands wie Stahlgewitter oder Sleipnir die bei dem Grossevent am 15.07. aufspielten, waren es am 29.07. beispielsweise Sturmwehr oder Faust die auf der Bühne standen. Teil von Faust ist der frankfurter Norbert Noleppa (Bild unten). Neben ihm gehören auch Mitglieder von Kraftschlag und Noie Werte der Band an. Außerdem ist Noleppa Gründer und Macher der NSBM-Band Nordglanz (siehe Swing 200).
Ebenfalls am 29. wartete der ehemalige Frankfurter Maximilian Reich mit einem Stand seines Versandes Revoltopia auf. Bei dem Reich vor allem auf die Zielgruppe Autonome Nationalisten setzt.
Die Zahl der anwesenden Neonazis aus Hessen dürfte zwischen 100 und 150 liegen. Ein erheblicher Teil spiegelt das Spektrum wieder was auch auf vergleichbaren Events in der Vergangenheit anzutreffen war oder auf Naziaufmärschen zu sehen ist von einzelnen Aryans-Mitgiedern über Person aus dem Grauzone-Spektrum bis zu NPD. Aber auch ein nicht unwesentlicher Teil (vor allem) junger Neonazis, die bisher kaum in Erscheinung getreten sind und durch das Tragen von „Division Hessen“-Shirts auffällig wurden (die können beim Versand von Frenck mit jeder Regionalbezeichnung bestellt werden) waren vor allem beim ersten Konzert zu beobachten. Vereinzelt waren auch hessische Neonazis dort die im Dunstkreis der Hammerskins oder der Arischen Bruderschaft verortet werden können.
Mit Blick auf Frankfurt ist vor allem herauszuheben das zwei Personen der Brigade Nassau (Bild links) in Themar waren. Darunter Claus Seibold, der eine wesentlich Bedeutung für die Gruppe hat und somit die Frage um Akzeptanz von Neonazis in der Fanszene aufwerfen dürfte.

Im Nachgang

Innerhalb der Neonaziszene wird vor allem das erste Konzert abgefeiert. Dennoch gibt es nicht nur positive Stimmen, die Kleinstpartei der III. Weg echauffiert sich über den geringen politischen Anspruch, von einem Großteil der Teilnehmenden und bezeichnete die Organisatoren als „braun lackierte Kapitalisten“. In der medialen Öffentlichkeit erlangte unterdessen vor allem ein Video Bekanntheit in dem, bei dem Auftritt der Band Blutzeugen der Sänger „Sieg Heil“ skandierte, woraufhin mit massig Hitlergrüßen, „Sieg Heil“ bzw. „Heil“-Rufen reagiert wurde.
Dass Neonazis, Nazidinge tun, dürfte aber kaum überraschen. Das es empowernd ist, dies praktisch unter den Augen der Öffentlichkeit zu tun und nicht dafür belangt werden (zu können), dürfte ebenso offensichtlich sein. So wurde nun in der Öffentlichkeit einmal mehr deutlich, dass solche Veranstaltungen für den Austausch und der Vernetzung, sowie dem Transport von Ideologie und ein positives Gruppengefühl dienen.