Linksunten ist dann mal weg

Als Schlag gegen linksradikale Strukturen nach den militanten Protesten gegen den G20-Gipfel und kurz vor der Bundestagswahl politisch in Szene gesetzt, erfolgte die erfolgreiche Abschaltung der bundesweit bedeutsamen Seite linksunten.indymedia.org.
So aberwitzig die juristische Konstruktion gegen die Betroffenen ist, (ein Verein, der nie gegründet worden ist, wird verboten…), so war die repressive Aktion dennoch erfolgreich. Die Seite ist vom Netz genommen und kann unter Androhung höchster Strafen nicht weiter betrieben werden. Damit ist uns eine bedeutende Struktur genommen worden. Nämlich ein von überall zugänglicher Ort für Veröffentlichungen, Erklärungen und Diskussionen – moderiert, aber unzensiert. Und wie wir jetzt leider alle merken, war linksunten auch die einzige Säule für dieses Bedürfnis, es klafft eine schmerzliche Lücke.
Erstaunlicherweise lief dieser Schlag der Repressionsbehörden nach einem kurzen Empörungskorridor ziemlich geräuscharm ab. Trotz der auch nach bürgerlichen Maßstäben skandalträchtigen Begründung und einer fiesen Razzia im autonomen Zentrum Freiburg, der KTS, gibt es wenig Reaktionen unsererseits darauf. Weder in der Form vieler wütender Demos im Bundesgebiet, noch in der Form von wahrnehmbaren Debatten oder Bemühungen ein ähnliches Format neu zu launchen. Möglicherweise deshalb, weil viele im Stillen hoffen, die Seite würde ohne eigenen Beitrag schlicht wieder auferstehen. Eine solche Auferstehung wird unserer Einschätzung nach aber nicht so bald erfolgen. Vielmehr sehen wir den Anlass (einmal mehr) über linksradikale Mediennutzung ins Sprechen zu kommen.

Medien der Linken.

Als Menschen, die dieses regionale Printmedium seit Jahren betreiben, stehen wir angesichts der sich weiter verstärkenden Nutzung von Online-Medien in der Linken immer wieder vor der Frage, ob es sich überhaput noch lohnt, dieses Blättchen herauszugeben. Immer wieder kamen wir zu dem Punkt: Ja, es gibt einen Wert in einem solchen Medium, der auch über die verstärkte Nutzung von autonomen Online-Medien bestehen bleibt.
Da gibt es einmal den Punkt der Dezentra­lität, wie es durch das linksunten-Verbot sehr deutlich wird. Auf je weniger Säulen eine Struktur basiert, desto einfacher ist es für die Repressionsorgane, sie und die Funktion, die sie für die Szene hat, zu zerschlagen. Wir sehen einen Wert in einer dezentralen Veröffentlichungsstruktur, die wie die bekannten Knoten in einem Netzwerk belastbarer sind und Ausfälle einzelner Knotenpunkte auch verkraften, ohne dass die Struktur zusammenbricht. Auch wir sind nicht gefeit gegen Repressionsschläge und es ist auch nicht auszuschließen, dass das Rachebedürfnis des Staates mit der indymedia-Ausschaltung gedeckt ist und nicht noch ein Schlag gegen autonome Zeitungsprojekte wie unseres erfolgt. Bis es soweit ist, sehen wir uns aber als eine jener verlässlichen Strukturen an, in denen Debatten und Erklärungen fortgeführt werden können. Und zwar auch dann, wenn es wieder eine Online-Plattform mit bundesweiter Bedeutung geben wird, die die Lücke füllt, die die Indymedia-Abschaltung hinterlassen hat. Denn es gibt weitere Momente, die wir als Ergänzung oder eigenständigen Vorteil gegenüber Online-Strukturen wie Indymedia sehen.

Gut Ding will Weile haben

So erleben wir nach Ereignissen wie dem Hamburg-Gipfel das Phänomen einer schnelllebigen, hektischen, teils hysterischen „Debatte“ auch in unseren Kreisen. Dieser folgt den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie digitaler Medien. Während und kurz nach den Gipfeltagen tobte eine Debatte im Netz von 80 Millionen scheinbar dabei gewesenen. Alle gaben ihren Senf dazu, es herrschte ein hoher Druck sich zu positionieren, es gab keinen Raum für Zwischentöne, Beobachtungen, Ambivalenzen. Diese Form der Debatte, die gar keine Debatte ist, nutzte vor allem dem Staat und den anderen Hütern der Eigentumsordnung. Für eine Nachbetrachtung, für eine Diskussion, für Beobachtung, Austausch und Entwicklung von Gedanken und Ideen, braucht es Zeit. Orte, die das gewährleisten können Projekte wie diese Zeitung sein. Im Gegensatz zu Online-Plattformen sind wir in der Regel auch frei von rechten und staatlich finanzierten Trollen. Was ihr euch überlegt, verschriftlicht oder an uns schickt und ins Heft passt, veröffentlichen wir. Dies empfinden wir als ernsthafte Debatte, nicht die hysterischen „Abgrenzungs-“ und „Hast-du-schon-gelesen“-Dynamiken in den Tagen nach den Ereignissen im Netz.

Kontrolliertes Netz

Zudem sehen wir eine erstaunliche Blauäugigkeit auch unter Linksradikalen was die Dimension der Erfassung, Überwachung und Kontrollierbarkeit digitaler Medien angeht. Trotz den Enthüllungen von Edward Snowden und der sehr konkreten Beschreibung, wie genau, in welcher enormer Dimension und mit welcher Perspektive Überwachung und Kontrolle im Netz durch alle Staaten, auch diesem, erfolgt.
Wie der Schlag gegen linksunten zeigt, ist das Netz durchaus materiell. Die Daten liegen auf Servern, die beschlagnahmt und abgeschaltet oder schlechtenfalls kopiert werden können. Linksunten war es nach bisherigen Angaben gut gelungen, die ­Adressen derer, die etwas veröffentlicht haben, zu schützen. Wir bezweifeln allerdings, dass die passive Nutzung von linksunten nicht genaustens beobachtet und dokumentiert wurde. Oder habt ihr linksunten immer nur mit dem Internetbrowser TOR abgerufen?
Nur weil auf eine Überwachung kein unmittelbarer Schlag erfolgt, beispielsweise gegen Leute, die regelmäßig Bekennerschreiben im Netz lesen, heißt das nicht, dass keine Überwachung erfolgt. Wir jedenfalls sehen es, im Gegensatz zu den Sicherheitsanforderungen im Netz als wesentlich einfacher an, ihr habt die Swing auf dem Nachtisch oder auf dem Klo liegen und seid da hoffentlich unbeobachtet und könnt lesen, was und wieviel ihr wollt.

Insofern endet dieser Text, wie sollte es anders sein, mit dem Aufruf euch zu überlegen, wieviel euch welche Medien wert sind. Wie wollt ihr autonome Medien nutzen und wer soll davon etwas mitbekommen oder nicht? Begreift ihr es als etwas, was „halt da ist“? Oder sind diese Strukturen etwas, zu dem ihr euren Beitrag leisten könnt. Wir möchten jedenfalls appellieren: Diese Strukturen sind keine Selbstverständlichkeit. Verhaltet euch bitte dazu. Ob im Kampf gegen die Indymedia-Ausschaltung, ob in der Unterstützung der Swing oder in der Etablierung eures eigenen Konzepts. Just do it.
Einige von der Swing