swing – Autonomes Rhein-Main-Info

Hier findet ihr sowohl die aktuelle Ausgabe, als auch die alten Nummern. Ganze Hefte könnt ihr oben im Menü „Archiv“ finden, einzelne Artikel/Beiträge rechts in der Sidebar. Wir raten euch die Seite zu eurer eigenen Sicherheit nur mit dem Tor-Browser aufzurufen. Seid nicht unvorsichtig sondern benutzt Tails, Tor und Verschlüsselung.
In Übersicht, Swing Ausgaben veröffentlicht | Kommentare geschlossen

Vorwort

Irre Zeiten.

Trump ist endlich abgetreten und wir denken, dass dies die Bedingungen für progressive Bewegungen in der Welt verbessert. Wo aber Linke die Wahl der Figuren Joe Biden und Kamela Harris feiern, ist das für uns Ausdruck einer Versöhnung mit den globalen Ausbeutungsverhältnissen. Denn ein US-Präsident war, ist und bleibt oberster Vollstrecker des größten imperialistischen Akteurs in der Welt.

Täglich tauchen Nachrichten zur Verstrickung von Geheimdiensten mit extrem rechten Strukturen und organisierter Kriminalität auf. Über die Ereignisse in Österreich, wo der Verfassungsschutz die Flucht des Hautverdächtigen des milliardenschweren Wirecard-Betrugs nach Russland organisiert, ließe sich ein schlechter Krimi schreiben. In D-Land ist es nur noch ein Klamauk in der Randspalte, dass die Klage der AfD gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz durch die Kanzlei erhoben wird, in der der ehemalige Präsident des Verfassungsschutzes angestellt ist. Weiterhin auftauchende Berichte über Waffenfunde bei Nazis, Bullen und Nazibullen schaffen es dagegen nicht mal mehr in den Empörungskorridor. Und ertrunkene Migrant*innen, illegale Push-Backs und mörderische Bedingungen in den Lagern an der EU-Außengrenze schon lange nicht mehr. Den Schlag auf Schlag erfolgenden Verschärfungen, die die Bedingungen für eine totalitäre Überwachung schaffen, tritt nicht mal mehr die Linke entgegen – die flächendeckende ED-Behandlung aller Menschen durch den neuen Personalausweis, Geheimdienstmittel für die Bullen, die Erfassung aller KfZ auf den Straßen, alles wird ohnmächtig hingenommen.

Ebenfalls gewöhnt haben wir uns scheinbar an die Bewegung der selbsternannten Querdenker. Fast täglich kommt es im Rhein-Main-Gebiet irgendwo zu einer Aktion, wo sie ihre antisemitischen Verschwörungserzählungen in die Öffentlichkeit tragen. Wir vermissen strategische Debatten in der Antifa, in welchen Kontexten wir ihnen entgegentreten wollen und wann und wo wir sie ignorieren sollten, um Kräfte für wichtigeres zu sparen.

Strategische linke Debatten zu Corona haben dagegen Fahrt aufgenommen durch die Zero-Covid-Initiative. Ohne die Standpunkte und Vorschläge der Initiative teilen zu wollen, begrüßen wir sie, weil sie dort Impulse hinträgt, wo linke Debatten bisher marginalisiert oder eindimensional geblieben sind.
Dass durch Corona ausgelöste Dynamiken oft komplex und widersprüchlich sind, zeigen die Corona-Riots in den Niederlanden. Ursprünglich von rechten Corona-Leugnern gestartet, wurden sie vor allem von Jugendlichen der marginalisierten Bevölkerungsgruppen aufgegriffen und haben sich zu landesweiten Unruhen ausgeweitet. Zur Niederschlagung der abendlichen Krawalle bietet der niederländische Staat einen Hilfsdienst für Freiwillige an, an dem sich natürlich vor allem Faschist*innen beteiligen. Wer uns beweisen kann, dass er/sie so eine Dynamik vorher so hat kommen sehen, bekommt von uns ein Binding geschenkt. Ehrenwort.
Wir denken, es ist in diesen wirren Zeiten wichtig, nicht selbst wirr zu werden. Sondern zu versuchen, Dynamiken auch in ihrer Widersprüchlichkeit einzuschätzen und sich bei einer Positionierung stets daran auszurichten, dass wir Verhältnisse herstellen wollen, an denen kein Mensch nirgendwo ein geknechtetes Wesen mehr sein soll. Ganz in diesem Sinne sind die vielen Zuschriften, die für diese Ausgabe reingekommen sind. Vielen Dank auch an dich und an die anderen fleißigen Verteiler*innen der Swing während der Pandemie.

Post bitte bis zum 30. März in unsere Briefkästen, Eure Swing

Solidarität mit dem geräumten Squat AT Rog in Ljubljana und mit den Anarchist*innen in Russland

In Debatte, Swing 221 veröffentlicht | Getaggt , , , | Kommentare geschlossen

Am 19. Februar ist der rassistische Anschlag in Hanau ein Jahr her

Wir klagen an und fordern Taten statt Worte: Erinnerung, Gerechtigkeit, Aufklärung, Konsequenzen!

Wir trauern und erinnern uns.

An Ferhat Unvar,

Hamza Kurtović,

Said Nesar Hashemi,

Vili Viorel Păun,

Mercedes Kierpacz,

Kaloyan Velkov,

Fatih Saraçoğlu,

Sedat Gürbüz

und Gökhan Gültekin.

Am 19. Februar ist der rassistische Anschlag in Hanau ein Jahr her.

Am Jahrestag wird es in Hanau auch eine offizielle Gedenkveranstaltung mit dem Bundespräsidenten und dem hessischen Ministerpräsidenten geben. Wir werden viele anteilnehmende Worte hören, Betroffenheit und Verurteilungen der Tat. Was wir nicht hören werden, sind Antworten auf unsere vielen Fragen. Was wir nicht hören werden, sind Konsequenzen, damit sich das, was passiert ist, nicht wiederholt. Wir brauchen Taten statt Worte.
Ein Jahr danach sagen wir selbst, was nicht gesagt werden wird:

Wir sprechen über das Versagen der Behörden vor, während und nach der Tat, über die Schwerfälligkeit der Ämter bei der Unterstützung und Hilfe, und selbst beim Erkennen gravierendster Probleme – die Kälte der Bürokratie. Wir sprechen über das unverzeihliche Fehlverhalten der Sicherheitskräfte in der Tatnacht, über die Unwilligkeit und Schludrigkeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei den Ermittlungen, bei der Verfolgung von Spuren, bei dem Ernstnehmen neuer Bedrohungslagen, bei unserem Schutz. Wir sprechen über die wiederkehrenden Respektlosigkeiten und herabwürdigenden Gesten von Beamt:innen, Vertreter:innen von Behörden und Polizei gegenüber Angehörigen und Überlebenden und selbst gegenüber den Toten. Wir sprechen über den Normalzustand von institutionellem Rassismus.

Ein Jahr danach bedeutet für uns, wir klagen an.

Am 14.2. werden wir sprechen und in einer gestreamten Veranstaltung die Kette des Versagens nachzeichnen, die Bedingungen des Terrors benennen und den andauernden rassistischen Normalzustand anklagen.
Wir werden die Veranstaltung aufnehmen und übertragen. Wir laden alle ein, uns am 14.2., wenige Tage vor dem Jahrestag, zuzuhören wenn wir unsere Anklage vortragen. Wir werden Sequenzen unserer Anklage als Audio-Aufnahmen zur Verfügung stellen für alle Orte und Städte an denen ihr am 19. Februar sein werdet.
Wir wünschen uns nicht nur Beistand in der Trauer. Wir wollen mit euch gemeinsamen Druck entwickeln, um unsere Forderung durchzusetzen. Eine bittere Erkenntnis des letzten Jahres ist, dass all das was in Bewegung geriet, nur durch uns alle gemeinsam in Bewegung gesetzt worden ist. Deswegen fordern wir Euch für den 19. Februar dazu auf, mit uns gemeinsam Zeichen zu setzen. Wegen der Pandemie können wir leider nicht mit allen zusammenkommen, so wie wir es brauchen und uns wünschen. Organisiert deshalb auf den Straßen und Plätzen eurer Städte und Dörfer Kundgebungen, Demonstrationen, Gedenkaktionen!

Für politische Konsequenzen!

Die Namen der Opfer unvergessen machen. Ihre Namen sollen erinnern und mahnen, den rassistischen Normalzustand im Alltag, in den Behörden, den Sicherheitsapparaten und überall zu beenden. Der rassistische Anschlag war auch ein Ergebnis der rechten Hetze von Politiker:innen, Parteien und Medien. Behörden und Sicherheitsapparate haben ihn durch ihre strukturelle Inkompetenz und Ignoranz weder verhindert noch aufgeklärt. Es sind diese fließenden Formen rechten Terrors, die in den Handlungen Einzelner ihre mörderische Zuspitzung und Folge finden und damit niemals Einzeltaten sind. Schluss damit! Damit wir keine Angst mehr haben müssen, muss es politische Konsequenzen geben. Rassismus, egal in welcher Form, darf nicht mehr geduldet, verharmlost oder ignoriert werden.

Wir sind die Angehörigen, die Überlebenden, die Betroffenen. Wir haben dafür gesorgt, dass die Namen der Opfer bekannt sind – und nicht der des Täters. Wir waren unbequem und haben selbst recherchiert. Wir wurden vom Bundespräsidenten empfangen und von vielen anderen in Behörden und Gremien beschwichtigt. Wir wurden hingehalten. Wir haben nicht geschwiegen. Wir sind gereist, haben Treffen abgehalten, große und kleine, öffentliche und hinter verschlossenen Türen. Wir haben Öffentlichkeit geschaffen. Wir haben gelitten und uns gegenseitig getröstet, beruhigt und gestärkt. Wir sind sichtbar und unsere Stimmen sind überall zu hören. Wir sind vernetzt mit allen, die wissen und begreifen, dass Rassismus das Problem ist. Wir sind Berlin-Neukölln, Halle, Köln, Nürnberg, Mölln, Kassel, Wächtersbach. Wir sind Kesselstadt, das JUZ, die Initiative 19. Februar Hanau und viele mehr. Wir stehen zusammen und kämpfen gemeinsam.

Gegen die Angst. Für das Leben. Erinnern heißt verändern!

 

Vater des Attentäters fordert Waffen zurück und stellt rassistische Anzeigen

Wie Spiegel-Online am 15.12.2020 mit Bezug auf Ermittlungsakten veröffentlicht hat, steht der Vater des Täters vom 19. Februar dem verschwörungstheoretischen und rassistischen Weltbild seines Sohnes sehr nahe. Er fordert nicht nur die Mordwaffen zurück, sondern will auch das Traktat seines Sohnes mit dessen rassistischen Vernichtungsphantasien wieder online ins Internet stellen. Des weiteren stellt er Strafanzeigen wegen „Volksverhetzung“ bezüglich der Gedenkstätten und macht die Opfer zu Tätern. Und nicht zuletzt: er droht in den Schreiben mit weiteren Opfern!
Der Tätervater erscheint als „tickende Zeitbombe“ und gleichzeitig stellt sich die Frage, warum er von den Ermittlungsbehörden nach der Tatnacht binnen weniger Stunden vom Beschuldigten zum Zeugen gemacht wurde. Die Veröffentlichung macht jedenfalls deutlich, dass Vater und Sohn die gleichen rassistischen Vorstellungen teilen. Wir fragen die zuständigen Behörden und die Polizei: Wie ist es möglich, dass der Vater des Täters seit Ende April bis mindestens September 2020 mehrfach solche Anzeigen gestellt hat und dies ohne jegliche Konsequenzen bleibt? Warum wurden nicht zumindest die Angehörigen der Opfer informiert und Schutz angeboten? Wie ist es möglich, dass trotz offensichtlicher Fremdgefährdung der Vater in seiner Wohnung in Hanau-Kesselstadt verbleiben darf? Hat er weiter seinen Führerschein und darf auch seine PKWs fahren? Gibt es ein erneutes Ermittlungsverfahren gegen den Vater als Mitwisser oder Beihelfer zu den Morden vom 19.02.2020?

Wir können nicht fassen, dass nach dem unglaublichen rassistischen Verbrechen mit neun Todesopfern und der Kette behördlichen Versagens vor und während der Tatnacht nun auch im auf die rassistischen Anzeigen des Tätervaters und dessen offensichtliche Fremdgefährdung nicht sofort reagiert wurde. Niemand würde davon wissen, wenn es die Medien jetzt Monate später nicht endlich öffentlich gemacht hätten. Wenn erneut Schreckliches passiert wäre, hätten dann Behörden und Polizei erneut behauptet, dass sie es vorher nicht wissen konnten?

https://19feb-hanau.org/
www.bildungsinitiative-ferhatunvar.de

In Antifa, Antira, Swing 221 veröffentlicht | Getaggt , , , , | Kommentare geschlossen

Urteil im Brandstifter-Prozess

Dies ist die gekürzte und zusammengesetzte Version zweier Texte. Originale und weitere Hintergrundartikel auf https://www.rheinmain-doku.org

Am Freitag den 8. Januar 2021 wurde das Urteil im Prozess gegen den Brandstifter Joachim Scholz gesprochen. Betroffene der Anschlagsserie hatten unmittelbar vor Urteilsverkündung die Entpolitisierung im Verfahren kritisiert:

Die Motivation des Täters wurde nicht untersucht

Gericht und Staatsanwaltschaft bemühten sich, die Tatabläufe zu rekonstruieren und die Indizien und Beobachtungen zu werten, die Joachim Scholz belasten. Doch sie interessierten sich ausschließlich für kriminalistisch-technische Aspekte. Gänzlich ausgeklammert blieb die wichtige Frage, warum die Taten begangen und nach welchen Kriterien die Ziele gewählt wurden. Auch der psychologische Gutachter streifte diese Fragen nur am Rande. Aus dem Gutachten und nahezu allen Zeug:innenaussagen ergibt sich bei Scholz das Bild einer Person, die stets planvoll, zielstrebig und kontrolliert handelte. Dennoch blieben seine Einlassungen, wonach er betrunken gewesen sei und auch nicht wisse, warum er dies getan habe, unhinterfragt im Raum stehen. Denn die Fragen nach dem Motiv und der Auswahl der Ziele hätte unweigerlich die Frage nach einer politischen Motivation aufgeworfen. Das wollten Gericht und Staatsanwaltschaft offensichtlich vermeiden.

Falsche Behauptungen über die Auswahl der Ziele

In ihrem Plädoyer folgte Staatsanwältin Jacobi von Wangelin den Einlassungen von Scholz, wonach er alle seine Ziele nur zufällig ausgesucht hatte. Diese Annahme ist bei den Anschlägen in der Metzgerstraße und auf das Lila Luftschloss, weswegen Scholz angeklagt war, absurd. Am 21. Dezember 2018 besuchte Scholz mit Bekannten den Hanauer Weihnachtsmarkt. Danach ging er zum Kneipenabend ins Autonome Kulturzentrum Metzgerstraße, wo er in einem Nebenraum Feuer legte. Das Haus befindet sich in einer unbelebten Seitenstraße weit abseits der Wege, die Scholz hätte gehen müssen, um zu einem der Hanauer Bahnhöfe zu gelangen, von denen er nach Hause hätte fahren können. Auch wies vor Ort kein Aushang und keine Reklame darauf hin, dass dort ein Kneipenabend stattfand. Scholz unterhielt sich in der Metzgerstraße mit Anwesenden über die Serie von Brandanschlägen auf linke Projekte und zeigte sich darüber gut informiert. Diese Gespräche erwähnte Jacobi von Wangelin sogar in ihrem Plädoyer. Dennoch soll Scholz an diesem Abend nur zufällig in der Metzgerstraße gelandet sein?

Schon vor Juli 2019 hatte Joachim Scholz das feministische Wohnprojekt Lila Luftschloss im Frankfurter Nordend bei Behörden denunziert – er hatte sich also schon intensiv mit ihm beschäftigt und feindete es an. Am 26. Juli 2019 zu später Stunde ging er über das Nachbargrundstück zum Lila Luftschloss und zündete einen Busch an, der an dessen Fassade reicht. Im Prozess sagte ein Polizist aus, dass der Anschlag nach polizeilicher Einschätzung gezielt verübt wurde und dass Scholz den »optimalen Weg« über das Nachbargrundstück gekannt und genommen habe. Er nannte das Lila Luftschloss »links oder alternativ« und sprach davon, dass der Täter dieses habe „angreifen“ wollen. In ihrem Plädoyer ging Jacobi von Wangelin mit keinem Wort auf die Denunziation und auf die Aussage des Polizisten ein und auch nicht darauf, dass dieses und ein weiteres Wohnprojekt des Lila Luftschlosses im Frankfurter Ostend zuvor schon Ziele von Brandanschlägen waren. So mussten am 12. Dezember 2018 bei einem Anschlag auf das Lila Luftschloss im Nordend die anwesenden Personen von der Feuerwehr evakuiert werden. Nach Ausführung von Jacobi von Wangelin sei es dennoch reiner Zufall gewesen, dass Scholz bei dem Anschlag am 26. Juli 2019 ans Lila Luftschloss geriet, denn schließlich sei er ja über das Nachbargrundstück gekommen.

Das Politische der Taten und der Tatmotivation wurde konsequent ausgeblendet

Von Anfang an schien es, als hätten sich Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung darauf verständigt, bloß kein »politisches Fass« aufzumachen. Diesen Kurs hatte die Staatsanwaltschaft vorgegeben, indem sie das Verfahren nicht an eine Staatsschutz-Kammer gegeben hatte. Jacobi von Wangelin zog dies konsequent durch. Schon in der Anklageschrift fand sich kein Wort über die umfangreichen Ermittlungen des Staatsschutzes gegen Scholz, über dessen Nähe zur AfD und über seine Denunziationen gegenüber linken Projekten, die den Brandanschlägen vorausgingen. Dies im Prozess auszublenden, ist ein gravierendes Versäumnis von Richterin und Staatsanwältin. Im § 46 des StGB (Grundsätze der Strafzumessung) heißt es: »Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht: die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht (…).«

Unerwähnt blieb, dass Scholz 2017 und 2018 zweimal an die Alternative für Deutschland spendete. So überwies er im August 2018, drei Wochen vor dem Start der Brandserie auf linke Projekte, der Partei knapp 1.700 Euro. In welchem Verhältnis Scholz darüber hinaus zur AfD oder einer anderen rechten Gruppe stand, interessierte weder die Polizei in ihren Ermittlungen noch Richterin und Staatsanwältin.

Monatelang hatten die Staatsschutzabteilungen in Hanau/Offenbach und Frankfurt wegen der Anschlagsserie auf linke Projekte gegen Joachim Scholz ermittelt. Darüber wurden umfangreiche Akten angelegt, die in der Verhandlung ignoriert wurden. Dabei hatte selbst die Verteidigung angeregt, die führende Ermittlerin des Staatsschutzes, die für den Anschlag in der Metzgerstraße zuständig war, zu laden. Richterin Schröder lehnte dies mit den Worten ab: »Ich weiß nicht, wie uns das hier weiterbringen sollte.«
Seit 2015 hatte Joachim Scholz dutzende linke Projekte angezeigt oder wegen angeblicher Form- oder Rechnungsfehler bei den Behörden denunziert. Darunter waren auch mehrere Projekte, die Ziel der ersten Brandanschlagsserie waren, zum Beispiel das Lila Luftschloss. Diese Denunziationen hätten im Prozess behandelt werden müssen, um die Taten, die Persönlichkeit, die Motivation und die Zielauswahl von Scholz zu verstehen. Doch sie wurden verschwiegen, lediglich der Pflichtverteidiger von Scholz erwähnte sie in seinem Plädoyer.
Selbst wenn das Gericht zu dem Schluss gekommen wäre, dass aus den Taten von Scholz keine politische Gesinnung spräche, so hätte es die Frage nach einer politischen Motivation mindestens in den Prozess einführen und untersuchen müssen. Doch das tat es nicht. Im Gegenteil. Wenn diese Frage aufkam, wurde sie umgehend von Richterin und Staatsanwältin verworfen.

Betroffene der Brandanschläge wurden in einigen Fälle nicht angehört

Die Folgen, die eine Straftat für Betroffene hat, ist für die Strafzumessung erheblich. Wenn zum Beispiel eine Person traumatisiert wurde, wirkt sich das in der Regel strafverschärfend aus. Bei den meisten der 16 Brandanschläge, für die Scholz in diesem Prozess ursprünglich angeklagt war, waren Menschen unmittelbar betroffen. Dennoch wurden nur in einigen Fällen Geschädigte angehört.
Das Lila Luftschloss im Frankfurter Nordend war zweimal Ziel von Brandanschlägen. Beim zweiten Anschlag am 26. Juli 2019 war Scholz von einem Passanten gestellt worden. Diesen Anschlag räumte Scholz vor Gericht ein. Doch es wurden keine Bewohnerinnen des Lila Luftschlosses angehört. So blieben wichtige Fragen offen. Zum Beispiel, ob das Projekt bereits (andere) rechte Anfeindungen erlebt hatte oder welche Auswirkungen die Anschläge auf das Leben und Befinden der Bewohnerinnen hatten. (…)

Wer ist für die 7 Freilassungen von Joachim Scholz von Dezember 2018 bis Dezember 2019 verantwortlich?

Ein Polizist, der in der Brandserie im Herbst 2019 ermittelte, berichtete, dass Joachim Scholz alleine zwischen dem 20. Oktober und 27. Oktober 2019 viermal wegen Brandstiftungen festgenommen wurde. Doch trotz erdrückender Beweise wurde er jedes Mal wieder laufen gelassen. Der Ermittler erzählte von einem Gespräch, das er nach einer Festnahme mit Scholz geführt habe. Er habe Scholz gefragt, wie es nun weitergehe und Scholz habe gehöhnt: »So wie immer. Ich werde entlassen.«
So sind nunmehr acht Fälle zwischen dem 21. Dezember 2018 und dem 8. Dezember 2019 bekannt, in denen Scholz – meist auf frischer Tat – wegen Brandanschlägen festgenommen wurde. Siebenmal wurde er noch in der Nacht oder am nächsten Tag auf freien Fuß gesetzt. Er machte stets weiter, wobei bei mehreren Anschlägen Menschen in Gefahr gerieten.

Es muss geklärt werden, warum erst nach der achten Festnahme und über einem Dutzend Taten, bei denen er beobachtet oder erwischt wurde, eine Wiederholungsgefahr erkannt und Untersuchungshaft verhängt wurde.

Wieso konnten etliche Taten trotz Observation durch die Polizei geschehen?

Seit spätestens Anfang Dezember 2019 wurde Scholz von der Polizei aufwändig observiert. Auch am Abend des 3. Dezember 2019 begleitete ihn ein Observationsteam. Dieses verlor ihn aus den Augen, als Scholz auf ein Grundstück ging und im Keller eines Wohnhauses ein Feuer legte. Als Scholz das Grundstück verließ, hefteten sich die Polizist:innen wieder an seine Fersen – doch sie sahen nicht nach, was Scholz zuvor auf dem Grundstück getrieben hatte, was die Frage aufwirft, warum man ihn überhaupt beschattete. Nur weil eine Hausbewohnerin zu dieser Zeit vor die Tür trat und den Brandgeruch bemerkte, konnte das Feuer entdeckt und gelöscht werden, bevor es größeren Schaden anrichtete.

Schwer nachvollziehbar ist auch die Einsatztaktik am Abend des 8. Dezember 2019. Ein Observationsteam folgte Scholz bei seiner abendlichen Brandstiftungsrunde und löschte hinter ihm Brände, die er gelegt hatte. Erst bei seiner vierten Tat an diesem Abend schritten die Beamt:innen ein und verhafteten ihn. Ein Polizist, der an der Observation beteiligt war, sagte im Prozess aus, dass das Geschehen an diesem Abend »sehr dynamisch« gewesen sei. Einzelne Taten seien »hoch gefährlich« gewesen und es wäre mit Sicherheit zu Personenschäden gekommen, wäre die Polizei nicht vor Ort gewesen. Andererseits betonte er, dass die Polizei die Situationen unter Kontrolle hatte und deshalb das Geschehen so lange hat laufen lassen können. Seine Aussage wirkte widersprüchlich, doch das Gericht ließ auch dies so stehen.

Ein ernüchterndes Fazit

Die Dreistigkeit und Überheblichkeit, mit der Landgericht und Staatsanwältin in diesem Prozess alle politischen Aspekte ausblendeten, lässt uns Betroffene wütend und ratlos zurück.
Vor allem die Ausführungen von Staatsanwältin Jacobi von Wangelin, wonach Scholz nur zufällig beim Lila Luftschloss und in der Metzgerstraße gewesen sei, sind derart hanebüchen und ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen, dass man sich die Frage stellt, was sich eine Staatsanwältin eigentlich an Verdrehungen und Unwahrheiten erlauben kann, ohne dafür Konsequenzen zu erfahren.

Seit Jahren häufen sich Anschläge und Drohungen auf Menschen und Projekte, die nicht in das Weltbild von Rechten passen. Bei vielen Taten gibt es auffallende Ähnlichkeiten im Profil der Täter, die nicht nur wir in mehreren Artikeln beschrieben haben: Männer, die sich für überlegen halten, die andere Meinungen und Lebensentwürfe nicht ertragen und immer im Recht sein wollen, die ein tristes Leben führen und überzeugt sind, dass alle anderen ihnen gegenüber bevorteilt werden. Und die sich in ihrem autoritären Denken und ihrer Wut nie »nach oben« richten, sondern stets gegen die, von denen sie glauben, dass sie gefälligst unter ihnen zu stehen hätten. Das Narzissmus, wahnhafte Vorstellungen und rechte politische Gesinnung schlüssig zusammenwirken, wird mittlerweile überzeugend erklärt. In Teilen der Frankfurter Justiz ist dies noch nicht angekommen. Sie klammert sich offensichtlich noch immer an den Aspekt »Persönlichkeitsstörung«, um sich nicht mit rechter Gesinnung und Motivation beschäftigen zu müssen.

Die 4. Große Strafkammer des Landgerichts Frankfurt unter Vorsitz von Richterin Schröder und die Staatsanwaltschaft in Person von Jacobi von Wangelin hatten die Aufgabe und die Chance, diese Erkenntnisse im Prozess gegen einen rechten Brandstifter zu verwerten. Doch sie weigerten sich. Sie entschieden sich bislang für die klassische hessische Linie der Justiz bei rechten Straftaten, die seit vielen Jahren in der Kritik steht: Leugnen, was geleugnet werden kann – Entpolitisieren, was entpolitisiert werden kann – und alles möglichst geräuschlos und prozessökomisch abwickeln.

Das Urteil

Scholz wurde für insgesamt zehn Taten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 7 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Ob das Gesamtstrafmaß angemessen ist, mögen Jurist*innen beurteilen. Wir als Betroffene sehen den Prozess als gescheitert an, da die für uns wichtigen Fragen nicht im Ansatz beantwortet wurden. Für uns ist der Fall Scholz jedoch noch längst nicht abgeschlossen: Wir werden diesen weiter aufarbeiten und uns in den nächsten Wochen und Monaten wieder zu Wort melden. Wir planen unter anderem dazu eine Publikation sowie eine Veranstaltung, auf der wir ein Fazit unserer Arbeit ziehen.
Wir wissen jedoch auch, dass es viele Menschen gibt, die von rechten Straftaten und einer nachfolgenden Ignoranz der Gerichte und der Polizei betroffen sind. Als Zusammenschluss linker Wohnprojekte und Zentren hatten wir die Mittel und die Möglichkeit und zudem die Unterstützung vieler Menschen, dies offensiv öffentlich zu thematisieren und zu skandalisieren. Trotzdem war es uns nicht möglich, darauf hinzuwirken, dass Polizei und Justiz in Richtung eines rechten Motivs ernsthaft ermitteln. Viele Menschen, die von rechten Übergriffen, von Gewalt und Terror betroffen sind, haben nicht die Möglichkeiten, die Unterstützung und daraus resutierenden die Kraft, sich Gehör zu verschaffen, so wie wir das Dank unzähliger Unterstützer*innen konnten. Deshalb möchten wir abschließend nochmals deutlich machen, wie wichtig für uns die Unterstützung antifaschistischer Gruppen und Genoss*innen war, wie hilfreich die Gespräche mit der Opferberatungsstelle response waren und vor allen wie viel Kraft es uns gegeben hat, dass unzählige Freund*innen und Genoss*innen uns während der Anschlagsserie beim Wiederaufbau mit tatkräftiger Unterstützung und Spenden supportet haben, sich bei Nachtwachen mit oder für uns die Nacht um die Ohren geschlagen haben oder einfach mit uns den langen Atem hatten, bis zu diesem Zeitpunkt am Ball zu bleiben. Diese Formen der Solidarität wünschen wir uns für alle Betroffenen rechter Gewalt und rechten Terrors!
Wir haben einmal mehr erfahren, dass auf Polizei und Justiz kein Verlass ist. Wir setzen auf innerlinke Solidarität, antifaschistische Organisierung und Selbstschutz. Halten wir alle gemeinsam die Augen offen, wenn wieder mal die Rede von »verwirrten Einzeltätern« ist. Alerta antifascista!

Dies ist die gekürzte und zusammengesetzte Version zweier Texte. Originale und weitere Hintergrundartikel auf https://www.rheinmain-doku.org

In Antifa, Repression, Swing 221 veröffentlicht | Getaggt , , , , , | Kommentare geschlossen

Die CDU hat mitgeschossen. Tatort Köln Porz

Endlich beginnt Anfang März in Köln der Prozess gegen den ehemaligen CDU Lokal-Politiker Hans-Josef Bähner. Der rechts-konverative Politiker hatte im Kölner Stadtteil Porz Ende 2019 aus nächster Nähe auf einen migrantischen Jugendlichen geschossen. Dieser überlebte mit einem Schulterdurchschuss. Der 20-jährige Krys hatte am 30. Dezember mit Freunden am Rheinufer gechillt, nicht weit vom Grundstück des Politikers, der sich offenbar von den Jugendlichen gestört fühlte. Er kam mit einem Revolver bewaffnet aus seinem Haus, beleidigte die Jugendlichen rassistisch und schoss.
Der Name des rassistischen Schützen blieb der Öffentlichkeit 10 Tage vorenthalten und kam erst durch den Generalsekretär der CDU heraus: Paul Ziemiak wünschte dem Verletzten auf Twitter gute Genesung und erklärte, dass so ein Verhalten nicht „auf dem Boden unserer christlichen-demokratischen Werte“ stehe. Versehen war der Tweet mit dem Hashtag ‚Bähner‘. Erst dann zogen die lokalen Medien nach und nannten den Namen des Schützen ebenfalls. Das lange Verschweigen war kein Zufall. Ein Journalist des Kölner Stadtanzeigers erzählte später in einem Interview, dass er von Bähners Anwalt Ralf Höcker persönlich angerufen und unter Druck gesetzt wurde, Bähners Namen nicht zu veröffentlichen.

Der Anwalt für Medienrecht in Köln teilt seine Kanzlei unter anderem mit ex-Verfassungsschutzschef Hans-Georg Maaßen. Die Kanzlei vertritt bekannte Faschist*innen wie Alice Weidel, Andreas Kalbitz und den türkischen Präsidenten Erdogan, die NRW-AfD-Landtagsfraktion und nun auch Hans-Josef Bähner. Die Kanzlei und Höcker im speziellen sind bundesweit bekannt dafür, politische Gegner*innen mit Unterlassungsklagen zu überziehen und so kritische Berichterstattung zu unterbinden.
Höcker vertrat zudem den ehemaligen Kölner Neo-Nazi und VS-Spitzel Johann H., der dem Phantombild des mutmaßlichen Bombenlegers aus der Kölner Probsteigasse sehr ähnelt. Diesbezügliche Berichterstattung wurde durch Druck unterbunden.
Ralf Höcker war bis vor kurzem auch Sprecher der Werteunion. Hans-Josef Bähner wiederum teilte auf Facebook in der Vergangenheit immer wieder Hetzposts der AfD gegen Geflüchtete. Mit der Kanzlei Höcker schließt sich der Kreis, denn die Kanzlei ist eine Schnittstelle zwischen dem rechtskonservativem Spektrum von Werteunion über die AfD bis zum rechten Rand.

Der rechte Schütze Bähner war nach der Tat übrigens nach kurzer Festnahme übrigens nicht Haft, sondern hockt als freier Mann in seinem Grundstück am Rhein. Er trat inzwischen von seinem Posten zurück, mit der Begründung, es habe eine „rechtsstaatliche Hatz“ auf ihn und seine Frau gegeben. Im Anschluss an Bähners Erklärung in der Bezirksvertretung vor einem Jahr entrollten rund 20 Jugendliche ein Transparent im Sitzungsraum. Darauf forderten sie „Gerechtigkeit für Krys“. Auf anderen Bannern war zu lesen „Ein Monat Schweigen und Vertuschung“ sowie „Getroffen hat es einen, gemeint sind wir alle.“ Die meisten der Demonstrant*innen trugen an der Schulter einen mit roter Farbe getränkten Verband, der an die Schusswunde erinnern soll.

Keine Ruhe nach dem Schuss!

Das Bündnis „Tatort Porz. Keine Ruhe nach dem Schuss!“ wird den Prozess kritisch beobachten und Gegenöffentlichkeit schaffen. Im Land der Einzeltäter braucht es bundesweit weiterhin Aufmerksamkeit für rassistische Kontinuitäten und rechte Netzwerke und die Unterstützung Betroffener rassistischer und rechter Gewalt.
Prozessberichte und Informationen:

tatort-porz.org

In Antifa, Swing 221 veröffentlicht | Getaggt , , , , , | Kommentare geschlossen

Neonazi-Haus im hessischen Wald

Aus der TAZ

Meinolf Schönborn kaufte ein Hotel. Der Rechtsextreme plant ein Wohnheim für Neonazis, er selbst ist schon eingezogen.

Das „Apartment Hotel Waldmühle“ ist von hohen Bäumen umringt. Ein kleiner geteerter Weg führt durch ein Waldstück zu der mehrgeschossigen Anlage am Rande von Gieselwerder.
Das Gebäude mit Balkonen auf dem rund 3.351 Quadratmeter Grundstück in der hessischen Gemeinde ist in gutem Zustand. Länger stand das Gebäude mit zehn in sich abgeschlossenen Wohnungen leer. Die neuen Besitzer sind bereits eingezogen, ihre Namen stehen am Briefkasten: „Schönborn & Hell“. Es ist der Schönborn, der Meinolf. Seit Jahrzehnten ist der 65-Jährige in der rechtsextremen Szene aktiv.

Der Neubetreiber plant das Anwesen in die „Residenz Ludenbeck“ umzuwandeln. Ein „Gemeinschaftsprojekt verschiedener Patrioten“ soll es werden, wie es in einer internen Bewerbung heißt. Hier im Länderdreieck Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Hessen wird aber nicht bloß ein geistiges „Deutsches Kulturzentrum“ aufgebaut, sondern auch ein „modernes Wohnangebot für Senioren, Menschen mit Behinderung, junge Familien, Alleinerziehende und Singels“ entstehen.
Die Anlage soll für eine „patriotische Gemeinschaft“ mit angestrebter Selbstversorgung auch als „Schutz- und Trutzburg“ dienen, „für schlimme Zeiten, die ohne Zweifel auf uns Deutsche schon in naher Zukunft zukommen werden“, heißt es weiter. Und Schönborn ergänzt, dass „die Lage optimal“, da es fast eine Alleinlage wäre „und auf jeden Fall sehr gut zu verteidigen“.

Wohnhaus und „Schutzburg“

Der Kauf hat die Gemeinde mit rund 1.300 Einwohner*innen offensichtlich überrascht. Das Anwesen hatten zuvor Geflüchtete als Unterkunft nutzen können. Aus dem Anlass wurde unter anderem auch der Brandschutz erneuert.
Nach dieser Nutzung stand das Gebäude mit 856 Quadratmeter Wohn- uns Nutzfläche leer. Am 20. März wurde sie in Köln mit einem Mindestangebot von 79.000 Euro versteigert. Erst bei einer Begehung nach dem Verkauf wurde in der Gemeinde bekannt, dass ein Holocaustrelativierer und Anhänger der Reichsideologie der neue Hausherr ist. „Mit großer Sorge beschäftigen wir uns mit den verschiedenen Entwicklungen am rechten Rand“, sagt Cornelius Turry, Beauftragter für die vorläufige Wahrnehmung der Aufgaben des Bürgermeisters der taz. Die Bürger*innen würden vor Ort die rechten Entwicklungen „sehr genau“ beobachten. Eine Veranstaltung für einen Austausch zum Umgang mit der Situation mit Organisationen und Behörden fiel im November wegen den Coronaregeln aus, sagt Turry.

Aus datenschutzrechtlichen Gründen könne er aber nichts zu dem Eigentümer, dem Kaufpreis und den Nutzungsgenehmigungen sagen. Turry wies jedoch darauf hin, dass Städte und Gemeinden in Hessen in „aller Regel“ keine Eingriffsmöglichkeiten beim Kauf oder Verkauf von bebauten Grundstücken hätten.
Keine Eingriffsmöglichkeiten beim Verkauf in Hessen

Mit dem Clou kann Schönborn erneut eine größere Immobile für seine politischen Ambitionen nutzen. In der Vergangenheit führte er ein Schulungszentrum im nordrhein-westfälischen Detmold-Pivitsheide. Um 2014 übernahm Schönborn im vom Gieselwerder etwa 100 Kilometer entfernten Schwarzenborn am Knüllköpfchen das „Haus Richberg“. Dieses Zentrum in Hessen hatte der Rechtsextremist Manfred Roeder bis zu seinem Tod betrieben. Die Behörden untersagten dort zuletzt Veranstaltungen.

Nicht die erste staatliche Auseinandersetzung für den Mitbegründer der 1992 verbotenen „Nationalistischen Front“. 1994 erfolgte eine Anklage wegen Fortführung einer verbotenen Organisation, er musste eine Haftstrafe antreten. Eine Bewährungsstrafte wegen Volksverhetzung folgte 2006.
Schönborn bestätigte 2012 der taz, dass auch bei ihm eine Durchsuchung wegen des Verdachts auf „Bildung einer bewaffneten Gruppe“ am 7. Juni stattgefunden habe. Der umtriebige Rechtsextremist verantwortet zudem seit 1984 das Zweimonatsmagazin Recht und Wahrheit, das seit 2017 mit Videos auf einen Youtube-Kanal ergänzt wird. Von der neuen Adresse aus betreibt Schönborn bereits seinen „Z-Versand.shop“.

Aus der TAZ

In Antifa, Swing 221 veröffentlicht | Getaggt , , , | Kommentare geschlossen

AfDler Andreas Lobenstein in Frankfurt geoutet

Wir haben am Abend des 17. Januar den Frankfurter AfD-Kreisvorsitzenden Andreas Lobenstein in seinem Wohnumfeld geoutet. Wir sehen es als notwendig an, rechte Hetzer aus der Deckung zu holen und sie tagtäglich mit den Auswirkungen ihres Treibens zu konfrontieren. Gerade im Zuge des anstehenden Kommunalwahlkampfes kämpfen wir als Antifaschist*innen dafür, die Handlungsspielräume extrem rechter Parteien einzuschränken.

Liebe Nachbar*innen,
hiermit möchten wir Sie darüber in Kenntnis setzen, dass in Ihrer Nachbarschaft der rechte Hetzer Andreas Lobenstein (AfD) wohnt, und zwar im Baumweg 33.
Lobenstein ist seit Ende November 2020 erneut Vorsitzender des Frankfurter Kreisverbands der rassistischen und antifeministischen Partei AfD. Dieses Amt hatte er bereits von 2017 bis 2018 inne. Er kandidiert bei der Kommunalwahl im März und möchte so extrem rechte Positionen auch im Frankfurter Stadtparlament salonfähig machen.

Lobenstein gibt sich bürgerlich und pflegt dennoch Kontakt zur demokratiefeindlichen „Neuen Rechten“: Auf Facebook drückt er beim völkischen Thinktank „Institut für Staatspolitik“ ebenso auf Gefällt mir wie bei deren Zeitschrift „Sezession“, bei der antifeministischen Aktivistin Birgit Kelle oder dem nationalneoliberalen Blog „eigentümlich frei“.

Der gesellschaftliche Rechtsruck schreitet immer weiter voran, die AfD heizt ihn gleichermaßen an wie sie von ihm profitiert. Die rassistischen und antisemitischen Anschläge von Halle und Hanau sowie der neonazistische Mord an Walter Lübcke verdeutlichen, dass die AfD ein Klima schafft, in dem sich Einzelne bestärkt fühlen, loszuschlagen und für ihre menschenfeindlichen Ideologien zu töten.

Lobenstein ist ein Vertreter dieser Ideologien, dieser rechten Hetze. Es ist an uns allen, diesen Ideologien immer und überall entgegenzutreten: Auf der Straße, im Betrieb, und auch in der Nachbarschaft. Kein Frieden mit den rechten Hetzern!
Keine Ruhe der AfD im Kommunalwahlkampf!

In Antifa, Swing 221 veröffentlicht | Getaggt , , | Kommentare geschlossen

Lasst die Korken knallen… die Autonomia ist da!

In den letzten Wochen ist in Frankfurt eine neue Zeitung / Zine erschienen, die wir gerne auch hier begrüßen wollen!
Es ist die Autonomia – Zine für queer- / feministische Selbstorganisierung & Empowerment!
Wir freuen uns natürlich über jedes weitere linke Medium hier in der Region und können euch nur nahelegen in das vorliegende Heft reinzulesen. Es gibt eine Menge spannende Geschichten und Einschätzungen und wir wünschen der Autonomia Redaktion einen langen Atem und viel Spaß beim Produzieren weiterer Ausgaben.
Im folgenden Auszüge aus dem Vorwort Autonomia:

Wir haben uns hier selbst ein Medium geschaffen weil wir feministische Kämpfe und Organisierung sichtbar machen wollen. Oft merken wir, dass auch in linken und vermeintlich feministischen Räumen cis-männliche Perspektiven dominieren. Dem wollen wir etwas entgegensetzen! Hier sollen marginalisierte und Persönliche Geschichten und Erfahrungen ihren Platz finden. In der Autonomia darf und soll reflektiert und diskutiert werden. Wir wollen unsere Projekte gegenseitig feiern, kritisieren und voneinander lernen. Im Austausch über unsere Aktionen, Ideen und Projekte haben wir natürlich erstmal einen lokalen Fokus auf Frankfurt und Umgebung. Wir wollen unseren Blick aber auch auf queere und feministische Kämpfe weltweit richten.
Wir wissen noch nicht inwieweit wir unserem Anspruch möglichst vielen Perspektiven Raum geben zu können gerecht werden. Gerade deswegen ist diese Zeitschrift ein Versuch, der von eurer Beteiligung lebt. Wir wollen zusammen weiter arbeiten und dabei dafür offen bleiben, wohin es mit der Autonomia gehen kann.

Unser Zine trägt den Untertitel Queer-/ feministische Selbstorganisierung und Empowerment. Unsere Kämpfe sind immer wieder sehr persönlich und wir führen sie alltäglich. Gleichzeitig sind es genau diese Erfahrungen aus denen heraus wir systemischer Unterdrückung entgegentreten. Persönliche Texte, (selbst-)reflexive Texte, Gedichte, Fotos oder andere Formen des Schreibens, sollen hier ihren Raum finden. Auch das ist Teil unserer Vorstellung von [FLINT*Q]*Räumen. Gewohnte Schreibpraxen, ein oft vermeintlich rationaler Ansatz und das Entpolitisieren von Emotionen und anderen Zugängen zu Politik gehört für uns auch zu einer cis-männlichen Vorstellung von Textproduktion. Dem wollen wir bewusst entgegenwirken und dazu ermutigen sich auszuprobieren um seine*ihre eigene Form des Schreibens finden zu können.

Auch unsere redaktionelle Arbeit soll ausschließlich in einem FLINT*Q Rahmen stattfinden…

In FLINT*Q Räumen haben wir das Gefühl einen anderen Austausch und Umgang miteinander etablieren zu können. Wir haben nicht den Anspruch eine perfekte Zeitschrift herauszubringen, haben Mut zur Unvollständigkeit und sind alle mehr oder weniger neu was redaktionelle Arbeit betrifft. Wir stellen uns eine möglichst hirarchiefreie Zusammenarbeit vor. Dieser Anspruch gilt hier bei nicht nur für unsere Texte und die organisatorischen Tätigkeiten,die wir übernehmen, sondern auch für unseren Umgang mit den von euch eingesendeten Texten. Alle hier veröffentlichten Texte wurden wenn, nur in gemeinsamer Arbeit mit den Autor*innen verändert oder durch Erklärungen ergänzt.Wir haben im Aufruf bewusst kein klares Thema gesetzt um das erste Heft möglichst offen zu gestalten und die Möglichkeit zu geben sich aus zu probieren. Entstanden ist ein Heft, in dem viele verschiedene Themen aufgeworfen werden und daher ist es vielleicht auch ein wenig anmaßend an dieser Stelle eine Struktur zu beschrieben,die es nie gab. Trotzdem ist es vielleicht der Versuch einen kurzen Ausblick, auf das zu geben, was euch erwartet.Es gibt einen Text, der besonders FLINT*Q Perspektiven in der Corona Krise in den Blick nimmt. Am Anfang des Heftes haben wir außerdem weiteren aktuellen Ereignissen, wie den Geschehnissen rund um die Räumung des anarcha-queerfeminstischen Hausprojekts Liebig34 in Berlin Raum gegeben.Uns haben viele Einsendungen zu Körper(n) erreicht,deswegen haben wir entschieden, für diese Texte einen eigenen Themenschwerpunkt zu schaffen. Weitere Texte sind persönliche Perspektiven von FLINT*Qs oder Erfahrungen auf und aus FLINT*Q Selbstorganisierungen. In diesem Teil des Zines kommen auch lokale Gruppen zu Wort. Wenn auch mit etwas Verspätung wollen wir im letzten Teil des Hefts auf den diesjährigen 8.März zurückblicken.

Ihr findet einzelne Texte auch auf unserem Blog
https://autonomiamagazin.blackblogs.org/

Dort findet ihr auch Wege uns zu kontaktieren und wenn alles klappt gibt es dort bald weitere Infos und ganz vielleicht auch schon bald einen neuen Aufruf. Wir freuen uns auf Rückmeldungen, Anmerkungen, sowie nette und kritische Leser*innenbriefe, Interesse an Mitarbeit und hoffen, dass wir bald wieder von euch hören und ihr von uns!
Abschließend wünschen wir viel Spaß beim Lesen, diskutieren und weiterdenken!
SolidarischeGrüße,
AUTONOMIA-Redaktion.

In Feminismus, Swing 221 veröffentlicht | Getaggt , | Kommentare geschlossen

Wir Besiegten des Dannenröder Waldes

Ereignisreiche Wochen und Monate liegen hinter uns – wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass wir im Herbst 2020 Teil einer bundesweit beachteten Auseinandersetzung im hessischen Hinterland sein würden? Doch jetzt überwiegt der Schmerz und die Wut über den Verlust des Waldes und der Barrios, die wir im Wald geschaffen haben. Es tat weh, ein Baumhaus nach dem anderen fallen zu sehen. Es macht traurig, die gewaltige Schneise der Zerstörung zu betrachten, die die Harvester hinter sich gelassen haben. Wir sind weit davon entfernt zu behaupten, dass aus Schlechtem Gutes entsteht. Wir haben einen Ort verloren.

Und doch ist viel Gutes entstanden. Wir haben uns kennengelernt. In den Barrios und in all den Tagen wurden Affinitäten bestärkt und neue entstanden. Dort, zwischen Marburg und Kassel, haben wir Unbekannte kennengelernt und sie uns. Schnell wurden aus Unbekannten Companer@s, Freund*innen, Genoss*innen. Dort, wo viele Jahre eher ein rechter Mainstream (wir erinnern an die Nazis und Fascho-Bullen in Kirtorf) herrschte, sind andere Lebens- und Gesellschaftsentwürfe wieder sichtbar geworden. Das ist nicht wenig.

Vor unserer Trauer war die Wut: ein weiter so wird es nicht mehr geben, darf es nicht mehr geben. Das war das Signal, welches wir aus dem Herri, dem Mauli und dem Danni gesendet haben. Wir haben Nein gesagt zum ewigen „weiter so“ – nein zu Knechtschaft, nein zu Ausbeutung von Mensch, Tier und Natur, nein zu allen Unterdrückungsformen. Und viele haben sich in unserem Kampf wiedergefunden – von überall her kamen wir und überall waren wir, um der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen Einhalt zu gebieten. Diesmal noch wurden wir besiegt. Aber nicht wir wurden besiegt, denn eine Idee, eine Haltung kann nicht besiegt werden. Besiegt wurde ein intakter Mischwald, ein Trinkwasserschutzgebiet, ein überraschend hübsches Fleckchen Erde. An klaren Tagen können wir von hier bis in die Höhen des Vogelsberg schauen, und über die Ohm auf den Basaltsockel von Amöneburg.

Diejenigen, die sich „Die Grünen“ nennen, sie haben sich verkrochen, haben sich weggeduckt. Wir haben ihren Opportunismus für alle sichtbar gemacht. Auch das ist nicht wenig. Sie reden von Gesetzen, von Bundesentscheidungen, von Mehrheiten. Es läge nicht in ihrer Macht. Wir glauben ihnen schon lange nicht mehr. Sie sagen, sie wollen den Klimawandel stoppen. Wir haben gesehen, wie: mit Knüppeln, Tritten und ihren Wasserwerfern. Ihre Lösungen sind Teil des Problems. Sie sind das Problem. Wir vergessen nicht.

„So lange es den Menschen und die Umwelt geben wird, wird die Polizei zwischen ihnen stehen“ (Unsichtbares Komitee, Der Kommende Aufstand)

Unser Weg ist noch weit. Wir haben gerade erst wieder begonnen. Die Entfremdung aufzuheben in einer durchkapitalisierten Gesellschaft – ist uns das im Wald gelungen? Wir ziehen weiter, ja – und doch bleiben wir vor Ort. Wir haben ein Netz gespannt, das von den verschiedensten Orten dieser Welt bis in die kleinsten Dörfer Hessens reicht. Wir wollen und wir werden uns nicht vergessen. Wir werden die Menschen in Dannenrod, in Homberg, in Niederklein nicht alleine lassen. Denn der Kampf ist noch nicht vorbei. Sie dachten, sie brechen mit den Bäumen auch uns – vergesst es. Noch ist dort, wo gestern noch Wald war, kein Zentimeter Straße gebaut. Wir lernen, wann es Zeit ist, den Kopf hängen zu lassen, sich in Gedanken, Trauer und Wut zu verlieren. Wann es Zeit ist, zu streiten, zu diskutieren, gemeinsam zu lachen und weinen. Jetzt ist die Zeit, zu ruhen, sich um unsere Gefangenen zu kümmern, aus Fehlern zu lernen – und neue Pläne zu schmieden. Denn es ist nicht vorbei.

Über unseren Feind wollen wir schweigen. Die Bullen sind es nicht wert, Gedanken an sie zu verschwenden. Die Knechte kommen uns schon immer vor wie seelenlose Maschinen, gedrillt auf Macht und Gehorsam. Diesmal noch waren wir zu wenige, diesmal noch haben sie obsiegt. Doch was ist ihre Brutalität gegen unsere Solidarität? Was ist all ihre Technik gegen die vielen Hände, die Baumhäuser gebaut, Barrikaden errichtet haben – gegen die, die auf Schaukeln, den Wipfeln und über den Autobahnen saßen – gegen die, die Essen kochten und brachten, ihre Türen öffneten, auf Seilen tanzten oder die Bullen zum Tanz baten? Mögen sie sich einschließen in ihrer Burg aus rostigem Stahl. Wir gehen hinaus und verbreiten den Samen des Widerstands. Wo heute ein Baumhaus steht, stehen morgen zwei. Und übermorgen…

Wir sind gespannt. Wen werden wir auf unserem Weg treffen? Wer wird mit uns ziehen? Wo werden wir uns treffen? Mit Sicherheit wieder hier, dort wo einst unsere Barrios waren. Morgen vielleicht aber auch schon an einem anderen Ort, wo sie ihre zerstörerischen „Projekte“ durchsetzen wollen. Mit Sicherheit an den Orten, an denen Menschen kämpfen. Wir kennen viele dieser Orte. Wir werden dort sein. Denn wir sind das Unkraut, das immer wieder kommt.

Unbekannte*Personen

In Ökologie, Soziale Kämpfe, Swing 221 veröffentlicht | Getaggt , , , | Kommentare geschlossen

Über die Profiteure des Autobahnbaus

Wer profitiert eigentlich vom Ausbau der A49? Natürlich in erster Linie die beteiligten Bauunternehmen. Mit dem Bau und Erhalt von Autobahnen lässt viel Geld verdienen. Wenn die Kosten in die Höhe schnellen, wie unlängst beim Ausbau der A49 geschehen, freuen sich vor allem private Investoren. Doch der Reihe nach!
Das Autobahnteilstück in Mittelhessen entsteht in einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) und verspricht damit Konzernen und Banken erhebliche Gewinne. Der europäische Bautechnologiekonzern Strabag SE hat über seine Tochtergesellschaft Strabag Infrastrukturprojekt GmbH den Zuschlag für das Autobahnprojekt bekommen. Neben dem Bau des Teilstücks der A49 zwischen Schwalmstadt und dem künftigen Ohmtal-Dreieck an der Autobahn A5 umfasst das ÖPP-Projekt laut Strabag auch Planung, anteilige Finanzierung, Erhalt und Betrieb eines 62 Kilometer langen Teilstücks zwischen Fritzlar und dem Dreieck. Der ÖPP-Vertrag hat eine Laufzeit von 30 Jahren und endet zum 31. August 2050. Der ehrgeizige Plan sieht vor, den Bau im Herbst 2024 abzuschließen. Dies erklärt den Zeitdruck, der sich auch in dem rigorosen Vorgehen der Polizeikräfte niederschlägt.

Die Arbeiten wickelt Strabag zusammen mit dem Baukonzern Leonhard Weiss ab. Strabag mit Sitz in Wien gehört zu den ganz großen Baulöwen in Europa. Der deutsche Strabag-Ableger mit Sitz in Köln hält 100 Prozent der Aktien am Stuttgarter Baukonzern Züblin. Strabag-Großaktionäre sind die in Zypern ansässige Rasperia Trading des russischen Oligarchen Oleg Deripaska, die Haselsteiner-Gruppe, die Raiffeisen-Holding-Niederösterreich-Wien-Gruppe und die mit Raiffeisen verflochtene Uniqa-Gruppe. Haselsteiner ist nebenbei auch größter Anteilseigner der privaten österreichischen Westbahn und gilt als Großspender für die liberale Partei Neos.
Auftraggeberin für das A49-Projekt ist der Bund, der sich hier durch das Land Hessen und die privatrechtliche Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und bau GmbH (Deges) vertreten lässt. Deges-Gesellschafter sind der Bund und mehrere Bundesländer. An der eigens gegründeten Projektgesellschaft A49 sind Strabag und die global tätige Investmentgesellschaft Meridiam je zur Hälfte beteiligt. Für die Fremdfinanzierung der angegebenen Investitionssumme von rund 1,3 Milliarden Euro wurden laut Strabag die deutsche KfW Ipex-Bank, die Europäische Investitionsbank, die belgische KBC-Bank, die tschechische CSOB-Bank und die Münchner Meag GmbH ins Boot geholt. Meag bündelt nach eigenen Angaben Kapitalanlageaktivitäten der Versicherungskonzerne Munich Re (Münchener Rück) und Ergo.

Solche ÖPP-Projekte haben in Deutschland Tradition. Als Gegenleistung für die Autobahnfinanzierung wurde den Konsortien in der Vergangenheit oftmals längerfristig die erhobene LKW-Maut zugesichert. Weil der Lkw-Verkehr jedoch in Krisenzeiten auch drastisch einbrechen kann, scheuen die Konzerne offenbar das unternehmerische Risiko und setzen stattdessen auf garantierte üppige Pauschalbeträge im Rahmen eines „Verfügbarkeitsmodells“, die sie in Form einer einmaligen Anschubfinanzierung und eines monatlichen Entgelts beziehen.

So haben Linke-Finanzpolitiker*innen im Bund und Hessen bei der Durchsicht des Bundeshaushalts festgestellt, dass die Kosten für das ÖPP-Projekt A49 binnen eines Jahres von den zunächst veranschlagten 1,1 Milliarden Euro auf rund 1,4 Milliarden Euro hochgeschnellt sind. Alle wissen: Privatisierungen öffentlicher Infrastruktur kommt die Allgemeinheit meist teuer zu stehen und nutzen vor allem privaten Investoren. Die Projekte werden vor einer Teilprivatisierung meist künstlich billig gerechnet, sobald es aber losgeht, explodieren die Kosten für die Staatskasse.
Weiterer Profiteur ist die private Forstverwaltung der Freiherren Schenck zu Schweinsberg, das Freiherrlich Schenck’sche Forstamt Schweinsberg. Die Adelsfamilie besitzt und bewirtschaftet den Dannenröder Forst seit Jahrhunderten. Sie übernimmt nun die Fällarbeiten entlang der neuen Trasse.

Know your enemy.

In Ökologie, Swing 221 veröffentlicht | Getaggt , , , , , , , | Kommentare geschlossen

Sie sind dort drinnen für uns, wir sind hier draußen für sie!

Dass linke Aktivist:innen in Deutschland in letzter Zeit immer öfter im Knast landen, ist nicht von der Hand zu weisen. Vor allem nach den G20-Protesten und im Rahmen der Umweltproteste von „Ende Gelände“ oder der Waldbesetzungen fahren Leute vermehrt ein. So auch hier bei uns im Rhein-Main-Gebiet im Zuge der Besetzung des Dannis. Wie aber könnt ihr diese politischen Gefangenen unterstützen? Neben den momentan fast wöchentlich stattfindenden Soli-Kundgebungen an der JVA Preungesheim sind Briefe oder Postkarten eine gute Möglichkeit, die Gefangenen nicht allein zu lassen. Die Hemmschwelle, vor allem wenn ihr noch nie Briefe in den Knast geschrieben habt, kann dabei hoch sein. Im Folgenden wollen wir mit euch Tipps und Erfahrungen teilen, die es euch vereinfachen und Skrupel aus dem Weg schaffen sollen.

Ein Brief oder eine Postkarte kann ein Highlight des Tages hinter Gittern und eine wunderbare Solidaritätsbekundung von draußen bedeuten. Der Knastaufenthalt ist meist sehr eintönig, da verspricht jegliche Nachricht, ob von Bekannten oder Unbekannten, ein bißchen Ablenkung und Abwechslung. Einfach Anekdoten aus dem Alltag, ein Gedicht, ein guter Witz – alles Mögliche ist da denkbar. Menschen, die selbst schon einmal in einer Knastsituation steckten, berichten, dass sie sich eher über Geschichten und Nachrichten von draußen freuten, als dass es sie deprimierte. Jedoch solltet ihr darauf achten, über nichts zu schreiben, was einem:r selbst oder der adressierte Person Schwierigkeiten mit der Haftanstalt oder der Staatsmacht bereiten könnte. Denn eines sollten wir uns immer bewusst machen: Mitgelesen wird auf jeden Fall! Die letzte Verfolgungsjagd mit den Cops gehört zum Beispiel eher an einen Abend am Küchentisch als auf eine Postkarte (wenn sie denn überhaupt erzählt werden sollte)!

Der Umgang mit Post ist abhängig von der jeweiligen Haftanstalt. Erfahrungen haben gezeigt, dass unterschiedliche JVAs unterschiedlich reagieren. Wenn ihr einen regelmäßigen Briefkontakt in eine JVA pflegt, empfiehlt es sich, die Briefe durchzunummerieren, damit klar wird, wenn Briefe zurückgehalten werden. Ein wichtiger Punkt ist die Absenderadresse. Falls keine angegeben wird, kann die JVA die Weitergabe von Briefen an Gefangene verweigern und die Gefangenen können euch nicht antworten, falls sie das möchten – das Antworten kann als ein guter Zeitvertreib dienen.
Die Frage, inwieweit ihr eure persönlichen Daten angeben wollt, ist euch überlassen. Manchmal ist es eine Möglichkeit eine zugängliche Adresse, die aber nicht die eigene ist, anzugeben. Zum Beispiel die des Infoladens eures Vertrauens oder die eines Postfachs. Das kann allerdings dazu führen, dass die Post nicht bei den Empfänger:innen ankommt. Hier kommt es auch immer auf den Kontext an.

Einzelne Haftanstalten begrenzen auch die Anzahl der Briefe, die ein:e Gefangene:r empfangen oder schreiben darf. Falls ihr den Verdacht habt, dass ein Brief nicht ankommt, fragt am besten sofort bei der Haftanstalt nach oder erkundigt euch bei euren Antirepressionsstrukturen vor Ort, wie ein weiteres Vorgehen aussehen kann.
Ansonsten gibt es auch die Möglichkeit, Briefmarken oder Fotos mitzuschicken. Aber auch hier liegt es im Ermessen der Haftanstalt, ob diese herausgegeben werden oder nicht – erst kürzlich wurden zum Beispiel in Hessen Briefmarken nicht zugelassen wegen Angst vor LSD-Schmuggel
Wenn ihr andere zum Briefe schreiben anregen möchtet, dann könnt ihr zum Beispiel eine eigene Postkarte entwerfen und in den Läden eures Vertrauens auslegen oder anderweitig verteilen.
Also: An die Griffel, fertig, los!

In Repression, Swing 221 veröffentlicht | Getaggt , | Kommentare geschlossen