Nr. 219

Wir haben wenig Zeit für ein Vorwort. Eben kommen wir von den Moria-Demos und sind schon auf den Sprung in den Dannenroeder Wald. Daher nur so viel: Es ist in mancherlei Hinsicht ein ungewöhnliches Heft geworden. Zum Beispiel gibt es einen Schwerpunkt auf Antifa, ohne dass wir uns klassischen Nazis widmen würden. Aber schaut einfach selbst. Wie so oft fehlen uns inhaltlich auch einige Betrachtungen. Unter anderem haben wir wieder nix zu stadtpolitischen Kämpfen im Blatt, obwohl viel in Bewegung ist. Und bestimmt ist auch wieder das Wichtigste von dir, deiner Bezugsgruppe und deiner Szene-Bubble nicht abgebildet. Schade. Aber wenn wir es nicht hinbekommen, schreib du uns doch. Fürs nächste Heft bitte alle eure Beiträge bis zum 10.11. in die üblichen Postfächer. Wir sehen uns auf der Forstwegbarrikade. Swing


Widerstand gegen Ausbau der A49 geht weiter!

Über die seit Ende September 2019 bestehende Waldbesetzung im Dannenröder Wald (zwischen Stadt-Allendorf und Homberg/Ohm im Vogelsbergkreis) wurde bereits in den letzten Ausgaben der Swing berichtet. Ende August spitzte sich die Situation fast täglich zu. Am 1. September ging die Waldfläche vom Land Hessen in den Besitz der DEGES über. In knapp einem Monat beginnt die Rodungssaison, die vom 1. Oktober bis zum 1.3. dauert. In dieser Phase dürfen großflächige Wald­rodungen vorgenommen werden. Zwar versucht der Naturschutzverband BUND weiter die Rodung der 100 Hektar großen Fläche juristisch noch zu verhindern, aber die Chancen stehen nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im Juni diesen Jahres schlecht.

Die Bündnisse „Wald statt Asphalt“ (bestehend aus u.a. der lokalen Bürgerinitiative, Ende Gelände, Greenpeace, Fridays for Future) und „Autokorrektur“ (Waldbesetzung, Aktion Schlagloch und Sand im Getriebe), die in den letzten Monaten gegründet wurden, wollen unter anderem mit Aktionen des zivilen Ungehorsams die Räumung der Waldbesetzung und die Rodung des Waldes verhindern.
Die Polizeipräsenz hat in den vergangenen Wochen deutlich zugenommen, fast täglich kommen Cops in den Wald – mit Pferden, Six-Packs und zuletzt auch einem Bagger, der Barrikaden auf den Waldwegen räumen sollte. Waldbesetzer*innen konnten den Bagger jedoch stoppen und blockieren. Die Cops brachten auch Schranken an den Zufahrten zum Wald an, um den Materialtransport zu unterbinden – sie standen aber nur ein Tag, danach waren sie wieder verschwunden.

Neben den Cops treibt sich seit kurzem auch die Firma Mundt-Security im Wald herum, fährt Wege ab und dokumentiert Strukturen. Mundt Security, die von der DEGES beauftragt und mit einem „Hausrecht“ ausgestattet wurde, ist bereits aus dem Hambacher Forst berühmt-berüchtigt. Die Cops und die lokalen Medien verbreiten natürlich auch schon ihre Propaganda der „gefährlichen Waldbesetzer*innen“ – die Stimmung in den umliegenden Gemeinden ist gemischt. Viele Anwohner*innen sind gegen den Bau der Autobahn, aber es gibt auch Befürworter*innen, die sich eine Entlastung der Bundesstraße 3 erhoffen. Wie so oft stehen aber wirtschaftliche Interessen im Vordergrund – der in der Region ansässige Süßwarenhersteller Ferrero und der Autoteilezulieferer Fritz Winter machen massiv Stimmung, sind Teil des „Ja zur Autobahn“-Bündnisses. 800 LKW fahren täglich zu den Werken der beiden Firmen. Ferrero soll zukünftig eine eigene Autobahnauffahrt bekommen. Um den Befürworter*innen den Wind aus den Segeln zu nehmen, kritisieren die Bündnisse nicht alleine den geplanten Autobahnbau, sondern setzten sich auch mit alternativen Verkehrskonzepten auseinander.

Die hessische Landesregierung aus CDU und Bündnis 90/Die Grünen befürworten den Ausbau. Auf die umweltzerstörerischen Auswirkungen angesprochen, schiebt der grüne Verkehrsminister Tarek Al-Wazir die Verantwortung auf die Bundesebene – Autobahnen seien Sache des Bundes, nicht der Länder. In den letzten Wochen störten Waldbesetzer*innen und A49-Gegner*innen immer wieder Veranstaltungen von Politikern der Landesregierung und lokaler Ausbau-Befürworter*innen.

Für den „Tag R“, den Tag der Räumung, rufen die Bündnisse zum Widerstand am und im Wald auf. Mehrere geplante Camps wurden durch das Regierungspräsidium Gießen verboten. Nur noch 1 Camp ist derzeit (Anfang September) ohne Übernachtungen genehmigt. Das Verbot wird sicherlich nicht das letzte Wort gewesen sein. Zwischen dem 7. und 11. September soll eine „Wald statt Asphalt“-Aktionswoche stattfinden, am 11. September eine Demo in Wiesbaden.

Ob zum Erscheinen dieser Ausgabe der Swing die Räumung bereits abgeschlossen ist, ist schwer vorauszusehen. Die zu räumende Fläche ist groß und es befinden sich mehrere Baumhäuser und Kletterstrukturen darin. Es ist davon auszugehen, dass sich die Räumung über mehrere Tage hinziehen wird. Wir hoffen, dass der Widerstand erfolgreich sein wird und in der nächsten Ausgabe der Erfolg gefeiert werden kann. Sicher ist jedoch, dass der Widerstand auch nach einer Räumung weitergehen wird. Beteiligt euch an den Protesten und am Widerstand gegen die Zerstörung eines einzigartigen Arten-, Natur- und Trinkwasserschutzgebietes!
KEINE A49 – Stoppt die schwarz-grüne Landesregierung und die DEGES!

Aktuelle Informationen:
www.dannenroederwald.org


Rassistische Eskalation im Mittelmeer und solidarische Praxen

Das Lager Moria ist endlich Geschichte. In der Nacht zum 8. September ist das überfüllte Freiluft-Gefängnis auf Lesbos vollständig abgebrannt. Die Erleichterung über das Ende von Moria reicht allerdings nur soweit, als dass zwar nun Raum für Neues existiert, aber das Neue wird für die Menschen kaum eine Verbesserung bedeuten. Die bisherige Politik der Inhaftierung und Aussonderung wird sich nicht ändern, auch wenn im besten Falle wirklich einige hundert Menschen evakuiert werden. Die auf Lesbos und anderen Inseln gefangenen Menschen werden weiter eingesperrt sein, ein neues Lager ist im Bau, das die Menschen maximal stundenweise werden verlassen dürfen.
Neben der Internierung von Geflüchteten auf Lesbos, Chios und Samos und vielen Abschiebungen werden auch die Neuankünfte von Geflüchteten in Griechenland mit allen Mitteln verhindert. Die faschistischen Angriffe auf den Inseln finden ihre Entsprechung auf dem Meer, durch eine weitere Eskalationsstufe der Gewalt gegen Boote während der Überfahrt: Die Griechische Küstenwache will unter der neuen rechtskonservativen Regierung Ankünfte in Griechenland um jeden Preis verhindern. An der Seegrenze zur Türkischen Such- und Rettungszone (SAR-Zone) werden Boat-people von maskierten Männern empfangen und zurück Richtung Türkei gezwungen. Sie werden angegriffen und die Boote zerstört oder auf dem Meer treiben gelassen, nachdem ihnen Motor und Treibstoff entwendet wurde. Zugleich wird die Dokumentation derartiger Verbrechen sowie jegliche solidarische Unterstützung von Geflüchteten zu verhindern versucht, mit Gewalt oder durch Kriminalisierung.
2015 erreichten insgesamt rund 850.000 Menschen von der Türkischen Westküste aus die griechischen Inseln per Schlauchboot: Familien, Frauen, Kinder, Alte, Kranke und Gebrechliche. Sie zogen weiter, über die Balkanroute nach Norden. Als der „Lange Sommer der Migration“ ging 2015 als Erfolg für die Bewegungsfreiheit und gegen das Grenzregime in unsere Geschichtsschreibung ein.

Keine Rettung unter dieser Nummer

Die staatliche Seenotrettung der EU, sprich, Italiens und Maltas, hat sich inzwischen auf ein absolutes Minimum zurückgezogen. Für die Menschen auf der Flucht ist die Situation dramatisch bis tödlich. Im Bereich der 170 km breiten libyschen SAR-Zone wird entweder gar nicht gerettet (obwohl das Gebiet zum internationalen Gewässer zählt und die Intervention der Küstenwachen Maltas und Italiens rechtlich möglich wäre) oder die Menschen werden von den Menschenjägern der „Libyschen Küstenwache“ nach der Rettung nach Libyen geschafft, zurück in ein Kriegsgebiet und in die Folterlager, denen die Menschen entfliehen wollten.
Das Aufspüren der Boote durch die Libysche „Küstenwache“ ist dabei nicht dem Zufall überlassen. Dafür sorgt die Europäische Luftaufklärung wie Frontex und EuNavforMed. Boote auf dem Weg Richtung Norden sollen auf diese Weise möglichst schon vor Erreichen der Europäischen Rettungszone abgefangen werden, so lauten die Verabredungen zwischen Malta, Italien und Libyen.
Doch selbst wenn Boat-People die Europäische Rettungszone erreichen, bedeutet dies für sie keine Sicherheit. Illegale Rückführungen aus der Maltesischen SAR-Zone nach Libyen sind mehrfach nachgewiesen; die Dunkelziffer liegt sicherlich um ein vielfaches höher.

Freiheit für die El-Hiblu 3!

Auch Handelsschiffe werden in die illegalen Rückschiebungen nach Libyen involviert. Nur ein Beispiel mit ungewöhnlichem Ausgang: Im Frühling 2019 wurden 108 Menschen in Seenot in internationalen Gewässern von dem Frachter „El-Hiblu 1“ gerettet. Der Kapitän wurde von den europäischen Behörden angewiesen, die Menschen nach Libyen zurück zu bringen, doch die Geflüchteten fürchteten nichts mehr als das. Sie protestierten vehement gegen den illegalen Push-Back. Mit Erfolg: Die El-Hiblu drehte bei und brachte die Menschen stattdessen nach Malta. Öffentlich wurden die Geretteten als „Piraten“ und „Terroristen“ bezeichnet, doch als das maltesische Militär die „El-Hiblu“ stürmte, trafen sie nur auf Menschen, die Schutz in Europa suchten. Drei junge Männer stehen nun in Malta vor Gericht. Anstatt anzuerkennen, dass die drei über 100 Menschen von einer Deportation nach Libyen bewahrten, werden sie als Kriminelle behandelt. Die internationale Solidaritätskampagne „Free the El Hiblu Three!“ fordert die Freilassung der drei jungen Männer.

Bringen Handelsschiffe Gerettete nach Europa, ist inzwischen ein langes Ringen um das Einlaufen in einen sicheren Hafen vorprogrammiert. Der Frachter „Talia“ musste 5 Tage vor den Territorialgewässern Maltas ausharren, bevor die Geretteten Festland betreten und einen Asylantrag stellen konnten. Da Malta keine Rettung sandte, nahm schließlich die „Talia“ die Menschen an Bord. Nur durch das Engagement des Kapitäns und immensen öffentlichen Druck gelang schließlich die Durchsetzung der Landung in Malta. Anders verhält es sich mit dem Tanker „Maersk Etienne“, der am 5. August 27 Menschen rettete, kurz bevor ihr kleines Holzboot sank. Seit einem Monat wehrt sich Malta gegen die Aufnahme der 27 Menschen, der bislang längste Stand-off eines Handelsschiffs im Mittelmeer.
Die Rettungszone Maltas wird ihrem Namen nicht gerecht. Notrufe bei der dortigen Rettungsleitstelle werden nicht entgegengenommen, die für die Seenotrettung zuständigen „Armed Forces of Malta“ kommen entweder spät oder gar nicht. Der traurige aktuelle Rekord ist eine Verzögerung der Rettung erst 80 Stunden nach Eingang des Notrufs. Eine andere maltesische Taktik ist die Ausstattung von Boatpeople mit Treibstoff und Rettungswesten und dem Befehl, weiter nach Sizilien zu fahren. Tätliche Drohungen und die Zerstörung von Booten oder Motoren, wie dies aus auch aus der Ägäis bekannt ist, gehören ebenfalls zur Praxis des Maltesischen Militärs.

Kontinuierlicher Widerstand gegen das Grenzregime

Gleichzeitig wird die Europäische „Migrationskontrolle“ durch viele Ankünfte in Italien, vor allem auf Sizilien und der kleinen Insel Lampedusa herausgefordert. Aktuell kommen dort täglich Boote aus Tunesien und Libyen an. Von Zuwara in Libyen beträgt die Distanz nach Lampedusa rund 270 Kilometer.
Auch sind weiterhin zivile Rettungsschiffe im Einsatz. Die Diffamierung als „Schlepper“ und die darauffolgende Kriminalisierung und Festsetzung der „Iuventa“, des Schiffes der Organisation „Jugend rettet“, waren zwar der Beginn einer bis heute andauernden Welle von Behinderungen und Blockaden von NGO-Schiffen. Die zivile Rettungsflotte gibt aber nicht auf! Gerade waren die Sea Watch 4 und die Louise Michel das erste Mal im Einsatz. Die „Louise Michel“ – pink, feministisch, schnell und benannt nach der französischen Anarchistin – kann es bezüglich der Geschwindigkeit mit den Schnellbooten der Libyschen Küstenwache aufnehmen. Die Schiffe der zivilen Rettungsflotte sind die einzigen, die der Aufgabe der Seenotrettung im zentralen Mittelmeer im eigentlichen Sinne nachkommen. Nicht zu vergessen die zivile Luftaufklärung: das kleine Flugzeug der Sea Watch „Moonbird“.
Der Bedarf nach solidarischen Praxen und praktischer Intervention gegen das EU-Grenzregime ist riesig und lässt uns gelegentlich mit Ohnmachtsgefühlen zurück. Doch vieles, was läuft, passiert unter dem öffentlichen Radar, ist versteckt und individualisiert, wie Aktivitäten gegen Abschiebungen oder solidarische Fluchthilfe. Daneben gibt es zivile Seenotrettung und die Versuche Geflüchtete kommunal aufzunehmen, gegen den Widerstand Seehofers und Co.
Wir machen weiter, allen Widrigkeiten zum Trotz! Kein Kielbreit den Rassist*innen!


We look out for each other!

Stellungnahme von Copwatch Ffm zum Opernplatz vom 08.08.2020
Nachdem es in der Nacht von Samstag auf Sonntag am 19. Juli 2020 zu Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Besucher*innen des Opernplatzes gekommen ist, reagierte die Stadt Frankfurt am 23. Juli 2020 mit einer Allgemeinverfügung über den nächtlichen Aufenthalt am Opernplatz in Frankfurt, die ein Betreten des Platzes ab 0:00 Uhr und den Aufenthalt auf dem Platz zwischen 1:00 und 5:00 Uhr Nachts verbietet.
Als Informations- und Dokumentationsstelle, die Betroffene unterstützt, wissen wir, dass rassistische Polizeikontrollen (Racial Profiling) in Frankfurt immer wieder passieren. Seit den Geschehnissen am Opernplatz lässt die Polizei insbesondere Schwarze Jugendliche, Jugendliche of Color und migrantisierte Jugendliche nicht in Ruhe und schikaniert sie mit rassistischen Kontrollen in der Innenstadt, im Bahnhofsviertel und in der Umgebung des Opernplatzes. Dadurch wird die Innenstadt zum Angstraum für betroffene Menschen. Aktuell weitet die Polizei die Kontrollen sogar im ÖPNV aus und begründet dies mit den Geschehnissen am Opernplatz. Sowohl Betroffene als auch Augenzeug*innen berichteten, dass fast ausschließlich „migrantisch“ gelesene Jugendliche und junge Erwachsene im Fokus der Polizei standen. Die betroffenen Personen, solidarische Aktivist*innen und Passant*innen intervenieren, stehen den Kontrollierten bei und kritisieren diese rassistische Praxis.

Obwohl Racial Profiling seit Jahren eine Belastung und Bedrohung für betroffene Menschen darstellt, weist die Polizei Vorwürfe dieser Art zurück. Eine kritische Auseinandersetzung mit Rassismus innerhalb der Polizei wird immer wieder verhindert, zuletzt mit dem Argument, dies sei verboten und somit nicht vorhanden. Ein Merkmal von Rassismus ist es, Personengruppen in bestimmte Kategorien einzuteilen (z.B. als migrantisch) und ihnen dann pauschal eine höhere Bereitschaft zu Kriminalität zu unterstellen. Die Polizei tut genau das. Polizeipräsident Gerhard Bereswill betont, seine Beamten stünden völlig zu Unrecht unter Generalverdacht, obwohl es seit Jahren den Vorwurf des Rassismus gegen die Frank­furter Polizei gibt und obwohl zur gleichen Zeit der NSU 2.0 mutmaßlich weiterhin unter Rückgriff auf Polizeidaten Todesdrohungen verschickt. Die Behauptung eines Generalverdachts gegen die Polizei ist zynisch, da Racial Profiling genau auf einem solchen Generalverdacht gegen Schwarze und Personen of Color aufbaut. Die Opferposition, die die Polizei hier für sich beansprucht, ist absurd angesichts der Macht, die die Polizei innehat.
Am ersten Wochenende der Opernplatzräumung kam es zu „Begegnungen“ zwischen der Stadt Frankfurt, vertreten durch Oberbürgermeister Peter Feldmann und Stadtrat Markus Frank und Betroffenen. Hierbei wies Frank die vielfachen Vorwürfe des Racial Profiling ignorant als „Bull­shit“ zurück. Und Feldmann hatte für die Sorgen der Betroffenen nur leere Phrasen übrig. Die Versäumnisse der städtischen Politik sich für die Coronazeit um sichere Räume und Plätze für alle zu kümmern, an denen sich aufgehalten werden kann, werden nun dadurch verschleiert, dass eine Gruppe konstruiert wird (Personen „mit Migrationshintergrund“), die gar keine einheitliche Gruppe ist, sondern Personen mit sehr unterschiedlichen Lebensrealitäten und Erfahrungen. Und diesen zu „den Anderen“ gemachten Personen wird dann öffentlichkeitswirksam die Schuld an den Auseinandersetzungen mit der Polizei am Opernplatz gegeben.
Die Stimmungsmache, die sowohl von den Polizeiverantwortlichen, als auch der Presse initiiert wurde, hat in der Zivilbevölkerung Konsequenzen für die Betroffenen. Es ist aufgrund eines ausbleibenden öffentlichen Aufschreis der Mehrheitsgesellschaft zu befürchten, dass es zu einer zunehmenden gesellschaftlichen Anerkennung für offene rassistische Polizeirepression kommt. Politische Gruppen, die sich gegen strukturellen, institutionellen Rassismus, Diskriminierung und Racial Profiling engagieren, werden kaum bis gar nicht gehört und stattdessen denunziert.
Wir kritisieren zutiefst die Diskursverschiebung, die von Politik, Polizei und vielen Medien aktuell betrieben wird und fordern stattdessen:

1. Solidarität mit Betroffenen von Racial Profiling und rassistischer Polizeirepression

2. Die Beendigung dieser massiven Polizeipräsenz in der Stadt. Die rassistische Alltagspraxis von Behörden darf nicht hingenommen werden. Herr Feldmann betont ja gerne, dass Frankfurt so „multi-kulti“ sei und gibt damit international an. Dann soll er sich jetzt auch für die vielen Menschen mit internationaler Geschichte, für die die Polizei keine Sicherheit, sondern Angst bedeutet, einsetzen und diese rassistische Praxis beenden!

3. Das Recht in Ruhe gelassen zu werden, unbehelligt am öffentlichen Leben teilnehmen zu können, ohne Gewalt, Diskriminierung und Kriminalisierung ausgesetzt zu sein. Dieses Recht muss es für alle Menschen geben!


Statement der Initiative 19. Februar zum 22. August 2020

Es gibt kein Zurück zur Normalität, es wird nichts vergessen. Hanau ist sechs Monate her. Hanau ist überall.
Und dennoch klingt „Hanau“ heute anders, wenn man es in Berlin oder Freiburg, in Dortmund oder in Leipzig hört. Es ist etwas hinzugetreten, etwas, das nun untrennbar und auf lange Zeit mit der Stadt und ihrer Geschichte verbunden sein wird: Die Gesichter und Stimmen der Angehörigen, Familien, der Freund*innen der Opfer und der Jugendlichen aus Hanau, ihr Zusammenhalt, ihre Wut, Kraft und Trauer. Das Bild, das sie am Samstag zeigten, jede und jeder für sich und alle gemeinsam, ging in die Welt: „Wir lassen uns nicht zu Fremden machen und auch nicht zu Opfern. Wir geben keine Ruhe“. Hanau weckt heute nicht nur Empathie oder Mitleid, sondern Respekt und genaues Hinhören. Hanau ist nicht bloß ein Ruf nach Unterstützung – Hanau gibt auch vielen anderen Kämpfen Kraft und Mut.

Fast 50 Menschen standen am 22. August auf der Bühne. Vor ihnen standen nicht die erwarteten 5000, sondern gerade einmal 249. Aber es hörten Zehntausende im ganzen Land zu, nicht nur vor Bildschirmen zu Hause, sondern auch auf öffentlichen Plätzen, in Cafés und Läden. Viele sagten uns, dass sie nun nochmal deutlicher verstanden haben, dass der 19. Februar mitnichten vorbei ist. Hanau, die Erinnerung genauso wie der Kampf der Angehörigen, Freund*innen und Unterstützer*innen, ihre Stärke und ihre Ausdauer ist jetzt überall. Auch wir selbst – die Initiative und die Menschen, die auf der Bühne standen, Angehörige, Überlebende – haben so viele berührende, beeindruckende, motivierende Rückmeldungen bekommen und haben viel Kraft und Mut aus diesem Tag und aus Euren Rückmeldungen geschöpft.

Die Unterstützung von Tausenden auf den Straßen Hanaus, sie konnte nicht stattfinden. Das fehlt und ist mit keinem Live-Stream zu ersetzen. Wir denken trotzdem, dass wir alle gemeinsam aus dem Verbot etwas Gutes machen konnten und dass es keineswegs ein Rückschlag war. Warum? Weil so das Herzstück des geplanten Tages – die Kundgebung der Angehörigen, der Freund*innen, der Überlebenden der rassistischen Anschläge in Hanau, in Halle, in Wächtersbach und in Mölln – stattfinden konnte. Weil ihre Stimmen groß und laut wurden, auf Plätzen, auf Straßen, in Euren Zimmern. Dafür danken wir Euch. Entschuldigen möchten wir uns bei den Menschen, die Reisebusse und Gruppen organisiert hatten und so wahnsinnig kurzfristig daheim blieben. Wir hätten gern mit Euch zusammen in Hanaus Straßen demonstriert.
Arbeit, Konsum, Fußball, Urlaub: Es wurde viel getan für die Wiedereröffnung der Büros, Fabriken und Einkaufsmeilen in den Corona-Monaten, die zugleich die Monate nach dem 19. Februar waren. Wäre der Elan in Bezug auf Hanau auch nur halb so groß gewesen, wäre den Hinterbliebenen sicher vieles erspart geblieben. Hier gab es geschlossene Jugendzentren, Hinhalterei und jetzt ein Demoverbot, das aus regionaler Perspektive konsequent war und dennoch auch die Absurdität der herrschenden Prioritätensetzung zeigt. Einer Prioritätensetzung, die genauso falsch ist wie sie uns nicht überrascht. Es trifft als erstes die, die es eben immer als erstes trifft. Und nebenan darf weiter in überfüllten „Konsumzonen“ geshoppt werden.
In dem Verbot seitens der Stadt sehen wir aber, um es nochmal deutlich zu sagen, keine politisch motivierte Absage und nicht den Missbrauch der Corona-Regeln durch die Stadt, wie es mancherorts – vor allem außerhalb Hanaus – spekuliert wird. Die Demonstration wurde wegen (auch über das Wochenendende der geplanten Demonstration hinaus weiter) steigender Corona-Zahlen in Hanau selbst und im gesamten Landkreis Main-Kinzig verboten.
Und dennoch, und auch wenn Hanau nicht Berlin ist: nach dem letzten Wochenende bleibt auch das Bild, dass Demo und Gedenken in Hanau verboten wurden, während in Berlin Nazis auf den Stufen des Reichstags posieren konnten. Es mag nachvollziehbare Erklärungen geben, warum es zum Verbot kam und dass dahinter keine bösen Absichten stecken. Trotzdem muss man sagen: das alles passt zu Deutschland im Jahr 2020.

Der vergangene Samstag war ein wichtiger Tag. Wir danken allen, die ihn möglich gemacht haben. Allen, die dabei waren, die zugeschaut und zugehört haben, die mit dem letzten und dem ersten Zug kamen, die ganze Nacht telefoniert, geschraubt, organisiert haben, über Nacht eine kleine Technikburg neben der Bühne aufgebaut haben, um die Kundgebung in unzählige Wohnzimmer und öffentliche Plätze zu streamen. An die, die Sharepics gemacht und die Infos gestreut, die Texte geschrieben, Geld gespendet, Kaffee um drei Uhr nachts gebracht und auf die Kinder aufgepasst haben. An die Zeitungen, NGOs und bundesweite und lokale politische Organisationen, die ihre Internetauftritte zum Streamen bereitgestellt haben. An die über 50 Städte bundesweit, die über Nacht lokale Kundgebungen und Public Viewings des Streams organisiert haben.

Der 22. August hat für uns so stattgefunden, wie er war. Es gibt für uns nichts nachzuholen. Die durch Angehörige, Überlebende, Freund*innen geplante Demonstration sechs Monate nach den Anschlägen sollte kein Show-Event sein, das man nachholt. Wir machen weiter, und zwar gemeinsam hier vor Ort, gemeinsam bundesweit, gemeinsam mit Euch. Und dennoch: Auch die nächste Demo kommt bestimmt.

Wir geben keine Ruhe. Für lückenlose Aufklärung, für Gerechtigkeit und Unterstützung, für angemessenes Erinnern, für politische Konsequenzen.


Was geschah mit Matiullah Jabarkhil?

Am 13.04.2018 wurde Matiullah Jabarkhil in Fulda von Polizist*innen erschossen. Anstatt eine unabhängige Aufklärung zu ermöglichen, scheinen Polizei und Justiz seitdem vor allem mit Repression gegen Demonstrant*innen und Kritiker*innen vorzugehen.

Eine für das Wochenende vor seinem Todestag geplante 2-Personen-Demo zum Gedenken an Matiullah hatte die Stadt Fulda verboten. Wir sind empört über diesen massiven Grundrechtseingriff. Das Verbot steht in keinem Verhältnis zu den möglichen Gefahren der Aktion und die Begründung, dass von einer Versammlung von 2 Personen eine Gefahr für die Öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe, scheint vorgeschoben. In Anbetracht des Demonstrationsverbots der Stadt Fulda, organisierten wir gemeinsam mit Afghan Refugees Movement ein Online-Gedenken.

Über die letzten Jahre geriet auch die Athmosphäre in Fulda und die harte Gangart der örtlichen Behörden und der Ton lokaler Politiker immer mehr in den Fokus der Kritik. So wurde der Vorsitzende des Ausländerbeirats in Fulda, Abdulkerim Demir beispielsweise massiv von dem Fuldaer Oberbürgermeister Heiko Wingenfeld (CDU) und Bernd Woide (CDU) angegriffen. Unterstützung bekamen sie dabei aus dem Lager der rechtsextremen AfD und identitären Bewegung, die gemeinsam für eine Demo in Fulda mobilisierten. Rassismus beginnt nicht bei der AfD, er ist ebenso in der Mitte der Gesellscahft verankert. die CDU Stadtverband Fulda scheint hier ein Paradebeispiel. Demir wird seitdem massiv bedroht und rechtsradikale Rassist*innen leben ihre Gewaltphantasien in den Mails aus. Aber auch das schert die Behörden in Fulda kaum. Der Hessische Rundfunk konnte mit wenigen Klicks Verfasser der Drohungen ausfindigmachen, etwas wozu die Fuldaer Behörden nach einer Anzeige von Demir anscheinend nicht willens waren. Das wirft ein schlechtes Licht auf die Ermittlungsbehörden und nährt die Zweifel an dem Aufklärungswillen.

Polizei und Staatsanwaltschaft machen mit ihrer harten Linie gegen alle, die die wichtige und legitime Frage stellen, warum Matiullah sterben musste und ob die tödlichen Schüsse verhältnismäßig waren, weiter. Nach der Demonstration letztes Jahr, ein Jahr nach Matiullahs Tod, hagelte es förmlich Anzeigen. Gegen die Anmelderin, gegen Demoteilnehmende und gegen Kritiker*innen der rassistischen Kommentare und Berichterstattungen nach der Demonstration. Die Hessenschau berichtet dazu ausführlich. Scheinbar halten es viele in Fulda nicht aus, wenn bei Polizeieinsätzen kritisch nachgefragt wird, dabei ist die Kontrolle der Exekutive zentrales Element der Demokratie. Nicht auszuhalten scheinen es viele insbesondere auch nicht, dass geflüchtete Menschen und People of Color ihre Stimme erheben und mit ihren Bedürfnissen und Forderungen in die Öffentlichkeit treten.

Wir hegen weiter Zweifel an der Erzählung, es habe sich bei den tödlichen Schüssen auf Matiullah um eine Notwehr-Situation gehandelt. Wir hegen Zweifel an der Untersuchung des Falles, weil die Sicherheitsbehörden hier gegen sich selbst ermitteln – auch wenn es sich um eine „unbeteiligte Stelle“ handelt – und weil institutioneller Rassismus nicht anerkannt wurde. Aus der Ermittlungsarbeit im NSU-Komplex wissen wir, welch gravierende Fehleinschätzungen daraus resultieren können, als die Beamten damals vor allem gegen die Familien und Angehörigen der Opfer der rassistischen und rechtsextremen Morde ermittelten.

Beschwerde des Bruders von Matiullah J. gegen Einstellung der Ermittlungen erfolgreich

Nun hat die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt am gestrigen Montag, den 10. August, der Beschwerde des Bruders von Matiullah gegen die Einstellung der Ermittlungen gegen den Polizisten, der die tödlichen Schüsse abgab, stattgegeben. Die Staatsanwaltschaft in Fulda muss nun die Ermittlungen wieder aufnehmen. Die Generalstaatsanwaltschaft in Frankfurt rügt damit die scheinbar ungenau geführten Ermittlungen in Fulda und beim LKA Hessen. Dass dem Einspruch von Matiullahs Bruder stattgegeben wurde, verweist darauf, dass es in den Ermittlungen erhebliche Fehler oder Versäumnisse gegeben haben muss. Einsprüchen gegen die Einstellung von Ermittlungen wird nur in sehr seltenen Fällen stattgegeben, insbesondere wenn es sich um Ermittlungen gegen Polizist*innen handelt.

Die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt legt nahe, dass in der Begründung zur Einstellung des Verfahrens Widersprüche aufgetaucht sind, wichtige Sachverhalte nicht ausermittelt wurden oder dass es neue Anhaltspunkte gibt, aufgrund derer die Ermittlungen fortgeführt werden müssen. Sofern der Beschwerde nicht wegen neuer Anhaltspunkte stattgegeben wurde, würde es bedeuten, dass die Ermittlungen in Fulda nicht nur höchst intransparent geführt, sondern hierbei auch grobe Fehler gemacht wurden. Die Motivation, die tödlichen Schüsse auf Matiullah aufzuklären, kann demnach auf Seiten der Justiz und Polizei in Fulda offensichtlich als gering eingestuft werden.

Ermittlungen zu Polizeigewalt – ein systemisches Problem

Es wurde immer wieder kritisiert, dass die Polizei in Fällen von potentieller Polizeigewalt gegen sich selbst ermittelt. Dass die Beamt*innen des LKA Hessen in ihren Ermittlungen gegen ihre Kolleg*innen in Fulda durch ihre institutionelle Nähe nicht voreingenommen sein sollen, ist kaum denkbar, und auch die Staatsanwaltschaft steht in ihrer täglichen Arbeit mit der Polizei den Beschuldigten viel zu nahe. Aus diesem Grund werden seit Jahren unabhängige Stellen zur Aufarbeitung von potentieller Polizeigewalt und strukturellem Rassismus gefordert. Kürzlich hat die taz beispielsweise “24 Todesfälle in Gewahrsam” untersucht, in denen es um von Rassismus betroffene Personen geht. Insbesondere nach dem Bekanntwerden des hessischen Polizeiskandals bzw. des NSU 2.0 erscheinen solche Stellen dringender denn je. Auch im Polizeipräsidium Osthessen gab es im Zuge des hessischen Polizeiskandals Fälle, in denen Nazis in der Behörde aufgeflogen sind.

Die Fuldaer Polizei und Staatsanwaltschaft waren zuletzt in die Kritik geraten, weil sie mit strafrechtlichen Repressionen gegen Demonstrant*innen, Kritiker*innen und Aktivist*innen vorgingen, nachdem diese Aufklärung im Fall gefordert hatten. Doch der Versuch, die Öffentlichkeit zum Schweigen zu bringen und kritische Nachfragen zu unterbinden, ist gescheitert und hat stattdessen die bundesweite Aufmerksamkeit für den Fall verstärkt.

Wir bleiben Wachsam –
Der Kampf für Aufklärung geht weiter

Wir unterstützen weiterhin die Forderungen nach einer unabhängigen Aufklärung von Matiullahs Tod. Zum dritten Mal nimmt die Staatsanwaltschaft nun die Ermittlungen auf. Damit hat sie zum dritten Mal die Chance, transparente und ausgiebige Untersuchungen anzustellen.
Zu oft haben wir erlebt, wie Ermittlungen nach tödlichen Einsätzen der Polizei eingestellt, Täter*innen geschützt und entschuldigt wurden. Mit Oury Jalloh, Adel B., Aman Alizada oder Mehmet B. sind nur einige Fälle genannt. Wir werden wachsam bleiben und nicht aufhören, Druck auf die ermittelnden Behörden auszuüben. Wir danken dem Afghan Refugees Movement und allen Unterstützer*innen, die die Aufklärung weiterhin ermöglichen und damit die Erinnerung an Matiullah erhalten.

Migrant Support Network


Joachim Scholz: Narzisst, Brandstifter, AfD-Spender

Ein Text zum Brandstifter an linken Projekten von www.rheinmain-doku.org. Wir haben entschieden, Scholz vollen Namen einzusetzen, der im Original nur abgekürzt war.

Angesichts des aktuellen Verfahrens gegen Joachim Scholz müssen wir davon ausgehen, dass seine politische oder ideologische Motivation in dem bald stattfindenden Prozess kein Thema sein wird.
Vermutlich werden die meisten Brandstiftungen an linken Zentren und Wohnprojekten im Rhein-Main-Gebiet 2018 im Prozess nicht angeklagt sein. Offensichtlich rechnet die Staatsanwaltschaft damit, dass Scholz wegen einer Vielzahl von Brandstiftungen, die er im Herbst 2019 beging, verurteilt werden wird und hält es deswegen nicht für nötig, die Fälle anzuklagen, bei denen ihrer Ansicht nach die Beweislage nicht eindeutig ist. Was aus Gründen der Prozessökomie nachvollziehbar scheint, ist jedoch ein falsches Signal. Denn es bedeutet, dass die politische Dimension der Anschlagsserie gegen linksalternative Projekte keine juristische Beachtung und Aufarbeitung finden wird.

Noch bedenklicher wäre eine Einstellung des Verfahrens zum Brandanschlag im Autonomen Kulturzentrum Metzgerstraße in Hanau am 21. Dezember 2018, als ­Scholz im laufenden Betrieb Feuer in einem Nebenraum legte. Aufgrund der schnellen Löschung und der wochenlang verzögerten Brandbegehung, die alleine die Polizei zu verantworten hat, fehlen gerichtsfeste Beweise dafür, dass überhaupt ein Brand bzw. eine Brandstiftung stattgefunden hat. Es lässt sich zynisch feststellen, dass die Anwesenden in der Metzgerstraße es wohl länger brennen lassen und das Feuer ausführlich dokumentieren hätten sollen, anstatt sofort nach dem Feuerlöscher zu greifen und zu löschen.

Wahrscheinlich wird die Anklage der Staatsanwaltschaft als auch das Urteil des Gerichts eine „narzisstische Persönlichkeitsstörung“ des Joachim Scholz in den Mittelpunkt ihrer Entscheidungen rücken. Derartiges wurde ihm schon vor Jahren in einem psychologischen Gutachten diagnostiziert.
Joachim Scholz ist, so wissen wir heute, ein Mensch mit einer bitteren Kindheit, der eine Persönlichkeitsstruktur entwickelt hat, die genauso zerstörerisch ist wie die Bedingungen unter denen er aufgewachsen ist. Eine harte Biographie mag manches erklären, doch entschuldigen tut sie nichts.

Rechte Taten und Spenden an die AfD
2015 war das Jahr des Aufstiegs von PEGIDA und der Alternative für Deutschland (AfD). Rechte Akteur*innen inszenierten sich als „besorgte Bürger“, wurden von vielen Politiker*innen gepampert und dadurch wirkungsmächtiger. Wir gehen davon aus, dass Joachim Scholz nicht zufällig just in dieser Zeit begann, sich gegen alternative Wohnprojekte zu wenden. In diesem Jahr schrieb er seine ersten Denunziationen und Strafanzeigen gegen linke Projekte.
Rechte und reaktionäre Weltbilder und ihr Hass auf das, was sie als „linke Gleichmacherei“ verstehen, basieren auf angenommenen Vorrechten für weiße Männer. Sie kämpfen verbissen und zornig um ihren privilegierten gesellschaftlichen Status und sie beklagen jeden Ansatz von Gleichstellung derer, die sie als „anders“ (und somit untergeordnet) wahrnehmen, als eigene Benachteiligung.
Die Brandstiftungen, die zwischen Herbst 2018 und Sommer 2019 ausschließlich gegen linke Projekte verübt wurden und für die wir Scholz verantwortlich machen, waren zweifellos rechte Anschläge. Auch wenn es nach wie vor keinerlei Hinweise gibt, dass sich Scholz in einer rechten Gruppe organisierte, so spricht die Auswahl der Ziele eine deutliche Sprache. Zudem trat Scholz in der Vergangenheit als Unterstützer der AfD auf. 2017 bereits spendete er der Partei 65 Euro, im August 2018, drei Wochen vor dem Start der Brandserie, überwies er der Partei die erkleckliche Summe von knapp 1.700 Euro als „Plakatspende“.

Die Taten von Scholz lassen sich nicht mit den mörderischen Anschlägen von Hanau am 19. Februar 2020 und Halle am 9. Oktober 2019 vergleichen. In Hanau wurden neun Menschen aus einer rassistischen Motivation heraus ermordet, in Halle hatte der antisemitische Täter einen Massenmord an Teilnehmenden einer Feier in der Synagoge geplant und zwei Menschen erschossen. Wenngleich die Brandstiftungen von Scholz in einzelnen Fällen Menschen in Gefahr brachten, so lässt sich nicht erkennen, dass er beabsichtigt hatte, jemanden zu töten. Doch zwischen den Tätern von Hanau, Halle und der Brandserie lassen sich signifikante Parallelen finden.

Der Hass auf „die Anderen“
Scholz saß schon Anfang der 2000er Jahre eine mehrjährige Haftstrafe ab, weil er 14 zum Teil schwere Brandstiftungen begangen hatte. Damals richteten sich die Brände unter anderem gegen Häuser von Menschen, die er beneidete: Häuser von Kleinfamilien, offensichtlich aus der Mittelklasse. Ab 2015 richtete er seine Missgunst gegen alternative Lebensformen und insbesondere gegen Projekte des Miets­häuser Syndikats (MHS).
Scholz hatte auf wechselnden Arbeitsstellen bis 2017 Kolleg*innen, die ein Wohnprojekt im Mietshäuser Syndikat (MHS) entwickelten und mittlerweile in diesem leben. Zwischen den Kolleg*innen und ihm gab es keine Zerwürfnisse, aber auch keine Nähe. Vermutlich ist Scholz über diese kollegialen Kontakte auf das MHS gestoßen. Dass sich Menschen mit einem geringen oder mittleren Einkommen gemeinschaftlich ein Haus kaufen (können), vermochte er nicht zu akzeptieren. Gegenüber einem Arbeitskollegen äußerte er, dass er diese Form des Zusammenlebens als „strange“ empfinde. Er neidete und verachtete es als unverdientes Lebensglück anderer, dass ihm seiner Meinung nach stets vorbehalten geblieben war. In einer privaten Kommunikation echauffierte er sich in überheblicher Art über einen Kollegen, der Direktkredite für ein MHS-Projekt einwarb und bezeichnete diesen als „Schnorrer“.
Vor diesem Hintergrund mag es überraschend erscheinen, dass Joachim Scholz selbst viele Jahre seines Lebens nicht von eigenem Erwerb sondern von Erbschaften gelebt hat. Anstatt seine Werte und Ansprüche zu hinterfragen, versucht er diese aggressiv im Außen durchzusetzen. Anstatt sich seiner eigenen (sozial isolierten) Lebensführung zu zuwenden, greift er jene an, die sich durch solidarisches Handeln und Wirtschaften ein gutes, gemeinschaftliches Leben verwirklichen. Anstatt sich einer positiven Verwirklichung seines individuellen Selbst zu zuwenden, flüchtet er sich aus der Selbstverantwortung ins Autoritäre und Destruktive.

Wir wissen heute, dass Joachim Scholz ein Mensch mit sehr wenigen Bekannten und Freizeitaktivitäten war. Er fand seine Befriedigung offensichtlich darin, quer durch die Republik dutzende Syndikatsprojekte wegen kleiner Form- und Bilanzfehler anzuzeigen. Er investierte sicherlich enorm viel Zeit, sich das hierzu notwendige Wissen anzueignen, die entsprechenden Unterlagen der Projekte zu beschaffen und penibel durchzusehen. Diese Anzeigen haben in keinem Fall zu einer nachhaltigen Schädigung eines Projekts geführt, in der Regel wurden seitens der Ämter Korrekturen angemahnt, die dann auch geschahen. Wir gehen davon aus, dass Joachim Scholz diese „Ergebnisse“ seines Tuns als unzureichend empfand und auf ein Aktionsniveau wechselte, das ihm unmittelbaren „Erfolg“ versprach und mit dem er Erfahrung hatte: Brandstiftung.
Es ist ein übliches Legitimationsmuster rechter Täter: Sie sehen sich selbst als Wächter einer „ganz natürlichen“ bzw. „ganz normalen“ Ordnung, die durch Gruppen gefährdet wird, die sie als schädlich und minderwertig bewerten. Die schließt die Anwendung von Gewalt zur Aufrechterhaltung dieser Ordnung ein. Wir verorten Joachim Scholz in diesem Typus „Wutbürger“ der selbst Hand anlegt, um sein autoritäres Denken durchzusetzen.

Misogynie
Frauenverachtung verbindet viele der rechten Mörder und Attentäter der letzten Jahre. Misogynie scheint auch im Handeln von Joachim Scholz eine Rolle gespielt zu haben. Wir verorten Joachim Scholz, der (vermutlich sogar mehrfach) am Frauenwohnprojekt Lila Luftschloss Feuer gelegt hat in der Kategorie misogyner Männer.

Zu Studienzeiten war Scholz in der katholischen Studentenverbindung Moenania-Starkenburg in Darmstadt organisiert, kein rechtsradikaler, aber ein stramm konservativer Männerbund.
Wir wissen dass er objektivierende, sexualisierende und verachtende Äußerungen über Frauen kundtat. Die Rekonstruktion seines Lebens seit den 1990 Jahren hat keinen Hinweis darauf erbracht, dass er jemals eine Lebensbeziehung geführt hat. Es ist häufig zu beobachten, dass sich solche Männer nicht fragen, was sie an sich und ihrem Verhalten ändern können, sondern stattdessen ihre Unzufriedenheit und Aggression gegen Frauen richten.

Rechte Ideologien gehen in der Regel einher mit klassischen bis übersteigerten Geschlechterrollen, in denen Männlichkeit oft mit gewaltvollen und schädlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen verknüpft ist. Hierfür hat sich der Begriff „Toxische Männlichkeit“ etabliert.
Vielen Männern gelingt es nicht, die Eigenschaften zu erfüllen, die in ihrem Wertesystem Männern zugeschrieben werden: beruflicher Erfolg, sexuelle Attraktivität und Aktivität, soziale und körperliche Dominanz. Als Folge kommt es häufig zu einem Rückzug in soziale Isolation, Depressionen und hohen Drogen- oder Alkoholkonsum. All das lässt sich im Leben von Joachim Scholz in großer Deutlichkeit erkennen. Um das Jahr 2000, als er seine erste Anschlagsserie beging, die ihn für über drei Jahre ins Gefängnis brachte, war er schwerer Alkoholiker. In Folge seines Gefängnisaufenthalts und einer Therapie wurde er trocken. Doch ab 2018 fing er wieder an, täglich große Mengen Alkohol zu trinken. Bei seinen Festnahmen 2018 und 2019 wurden bei ihm Promille-Werte über 2,0 gemessen. Der Zustand der Volltrunkenheit hat ihn sicher enthemmt und sein riskantes und gewalttätiges Tun gefördert. Doch der Grund für die Taten war freilich nicht der Suff, sondern liegt alleine in seinem Hass auf die Lebensentwürfe, die er „strange“ findet.

Ein Fazit
Wir führen diese Thesen und Erklärungen auf, weil wir eine Entschuldigung der Taten von Joachim Scholz durch diagnostizierte Störungen und schwere biographische Erfahrungen nicht akzeptieren werden. Dies erfolgte zum Teil schon im Boulevard (BILD) und wird sich vermutlich auch im gerichtlichen Urteil wiederfinden.
„Narzisstische Persönlichkeitsstörungen“, toxische Männlichkeit und rechte Gewalt stehen in einer logischen Verbindung. Das ließ sich in der vergangenen Jahren bei vielen rechten Gewalttätern erkennen.
Die Taten von Scholz richteten sich gezielt gegen linksalternative Lebensentwürfe. Sie sind zweifellos rechte Taten und sie wären es auch, wenn es keine Nachweise der Verbundenheit des Joachim Scholz mit der Alternative für Deutschland (AfD) gäbe. Das sich ein Charakter wie Joachim Scholz der rechten AfD zuwendet, ist naheliegend und logisch. Denn die Partei vertritt die ideologische Vorstellung einer „ganz normalen“ gesellschaftlichen Ordnung, in der Menschen beständig in Gruppen aufgeteilt, gewertet, kategorisiert und hierarchisiert werden. Und in der sich alles dem weißen, deutschen, angeblich leistungstragenden Mann unterzuordnen hat. Und wo Menschen von dieser fantasierten Ordnung abweichen, sollen sie durch Gewalt in diese gezwungen werden.
Das machen Politiker*innen der AfD, indem sie solche Gewaltanwendung sprachlich vorwegnehmen und legitimieren. Und Männer wie Joachim Scholz fühlen sich dann berufen, sie eigenständig umzusetzen.
Der derzeit erkennbare Versuch der Staatsanwaltschaft, diese Anschlagsserie und damit die politische Dimension der Anschläge auszublenden, zeigt, dass die zuständigen Behörden offensichtlich noch immer wenig verstanden haben vom Wesen rechter Ideologie und rechter Gewalt.


Keine Einzeltäter

Rassistischer Angriff durch NPD-Mitglied Stefan Heym in Darmstadt

Einen Tag nach seinem rassistischen Angriff (*) auf zwei Menschen in #Darmstadt, sind am frühen Freitag Morgen mehrere Details über den Nazi Stefan Heym auf seinem Facebook-Account veröffentlicht worden. Der Nazi Stefan Heym wohnt in Darmstadt, hat mindestens einen Bachelorabschluss und hatte an der Frankfurter Goethe-Universität ein Stellenangebot als Tutor in den Rechtswissenschaften vorliegen. Nach Angaben des Fachbereiches hat er dies aber nicht angetreten. Stefan Heym ist Mitglied und Fanboy der NPD Hessen. Es ist dokumentiert, dass er zahlendes Mitglied im Freundeskreis der AfD-nahen Desiderius Erasmus Stiftung ist.
Den Veröffentlichungen ist zu entnehmen, dass es sich bei Stefan Heym um einen überzeugten Rassisten mit einem extrem rechten Weltbild handelt. Es geht zudem aus den Veröffentlichungen hervor, dass er sich an Verteil- und Klebeaktionen von NPD-Inhalten in Darmstadt beteiligt hat.
Doch der rassistische Angriff von Stefan Heym ist kein #Einzelfall. Auch wenn es in Darmstadt noch keine organisierte Nazi-Szene gibt, in den letzten Jahren kam es immer wieder zu rassistischen und rechten Angriffen und Auffälligkeiten in #Darmstadt.
Die jüngste und prägnantesten Vorkommnisse in Darmstadt der letzten Monate wollen wir kurz darstellen:

• 21.11.19 AfD und JA Kader Sascha Loppnow versucht Gegendemonstranten mit dem Auto umzufahren.

Fast zweihundert Menschen protestieren gegen AfD-Veranstaltung

• 1.01.2020 Angriff mit Schreckschusspistole und zeigen des Hitlergrußes vor einer Darmstädter Kneipe
https://www.echo-online.de/lokales/darmstadt/staatsschutz-ermittelt-nach-attacke-in-darmstadt_20982177

• März / April bzw. noch anhaltende Sachbeschädigungen und Verunglimpfungen an Plakaten, die an die Opfer von Hanau erinnern.
https://www.echo-online.de/lokales/darmstadt/in-darmstadt-nehmen-rassistische-taten-zu_21591193

• Seit April Querdenker Demonstrationen mit bis zu 400 Menschen, bei denen von Beginn an Antisemitische und Demokratiefeindliche Aussagen und Propaganda (Auslegen u.a. des Compact-Magazins) getätigt wurden. Fotos und Dokumentation bei Twitter: @filmkollektivDA und @pro_foto_SuedHE

Schließlich: Zeigen des Hitlergrußes auf Querdenken-615 Fahrraddemo

Hitlergruss und Sieg-Heil-Rufe in Darmstadt – oder: Polizei muss zum Jagen getragen werden

• 16.06.2020 Menora der liberalen Synagoge wird beschädigt.
https://www.echo-online.de/lokales/darmstadt/entsetzen-uber-anschlag-auf-menora-in-darmstadt_21826875

• 26.08.2020 Angriff von Neonazi Stefan Heym auf zwei schwarze Jugendliche mit Aussagen „Scheiss N.“ und „Heil Hitler“ mit entsprechendem Gruß. Außenstehende schreiten erst ein als die Jugendlichen sich Versuchen zu wehren.

(*) https://www.fb.com/watch/?v=590881328245570&extid=ZqB3BblyE8HDtMvI

Diese Reihe von rechten Gewalttaten macht deutlich: Nazis fühlen sich in Darmstadt zunehmend sicher. Auch wenn es bisher Individuen sind, die diese Taten begehen, sind es #KeineEinzeltäter. Ihre Taten finden im Kontext eines gesamtgesellschaftlichen Rechtsrucks statt und finden Widerhall im Resonanzraum rechts-affiner Mobilisierungen wie Querdenken und werden befeuert und unterstützt von rechten Netzwerken in Polizei- und Sicherheitsbehörden ( #NSU20 ).

Diesen Bestrebungen müssen wir entgegentreten, um in Darmstadt Nazis wieder aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Für #MakeRacistsAfraidAgain braucht es eine gemeinsame Anstrengung in allen Lebensbereichen, einen gesamtgesellschaftlichen #Antifaschismus.

Das meint ALLE ZUSAMMEN GEGEN DEN FASCHISMUS. Für eine konsequente #Entnazifizierung.
Für einen gesamtgesellschaftlichen antifaschistischen Konsens!
https://darmstadt.interventionistische-linke.org/beitrag/keine-einzeltater-rassistischer-angriff-durch-npd-mitglied-stefan-heym-darmstadt


„Corona-Rebellen“!?

Seit einem knappen halben Jahr finden in Frankfurt Proteste gegen die Corona-Maßnahmen statt. Neben vielen kleineren Kundgebungen die u.a. von dem extrem rechten Streamer Henryk Stöckl initiiert wurden, waren es vor allem drei Veranstaltungen, die mit höheren Teilnehmer*innenzahlen aufwarten konnten.

Darunter ein „Hygiene-Spaziergang“ am 9. Mai, ca. 350 Personen, die sich den „Corona-Rebellen“ zuzählten, zogen hier durch die Frankfurter Innenstadt. Ein Lable, was sich vornehmlich via Messengerdienste vernetzt und de facto keine feste Struktur hat. Dabei war auch der Heusenstammer AfD-Politiker und Holocaustleugner Carsten Härle, des Weiteren hatte eine Teilnehmerin eine schwarz-weiss-rote Reichsfahne dabei. Am 16. Mai lud der ehemalige Occupy-Aktivist Hajo Köhn, der sich zu diesem Zeitpunkt bei Widerstand2020 organisierte, zur Kundgebung auf den Frankfurter Rossmarkt. Dem Aufruf folgten ca. 300 Personen. Hier war neben Carsten Härle, auch Heidi Mund, sowie diverse Personen mit antisemitischen Patches oder Shirts des verschwörungsideologischen Qanon.

Nachdem Querdenken mit Kundgebungen in Stuttgart erste Erfolge feiern konnte, etablierte sich das Label und es wurden Ableger in u.a. Darmstadt gegründet. Eine weitere Etablierung erfolgte durch die Demonstrationen in Berlin. Mittlerweile hat sich auch in Frankfurt ein Ableger gegründet. Nach kleineren Veranstaltungen mobilisierte dieser am 15. August zum Frankfurter Rossmarkt. Geworben wurde hierbei u.a. mit Samuel Eckert, der bereits bei mehreren Querdenken-Veranstaltungen als Redner auftrat, darunter auch bei den Demonstrationen in Berlin. Dem Aufruf folgten ca. 500 Personen. Die ganze Veranstaltung wirkte auf gewisse Weise absurd und skurril. Ein Ordner im Shirt des NS-Rapper Chris Ares stand neben Teilnehmer*innen mit Regenbogenfahnen oder auch mit „Gib Gates keine Chance“-Patches. Moderator und Teilnehmende riefen im Wechsel „Frieden“ und „Freiheit“, während ein Teilnehmer mit „Merkel muss weg“-Aufkleber auf dem Hemd, dabei die geballte Faust hob.

Das Ganze wirkte auch etwas sektenhaft, die Teilnehmenden wurden mit einem Komplettprogramm bespaßt, in welches sie teilweise miteinbezogen wurden. Für Musik wurden Janin Devi und André Maris eingeladen. Neben der schwer zu ertragenden Pop-Musik, die mit den gängigen Schlagwörtern der Szenerie versetzt war, fügte Maris zu: „Ich sehe hier keine Nazis, sondern nur wunderschöne Menschen“, na dann. Auch Samuel Eckert unterstrich das Gefühl, hier bei einer Art Sekte zu sein. Er ratterte seine Beiträge phrasenweise runter, immer wieder versetzt mit gängigen Phrasen und Schlagworten. Bei den „Pointen“ oder bei Appellen wurde er langsamer und lauter. Letztendlich bemühte er immer wieder „die Wahrheit“. Das Publikum war begeistert.

Ernüchternd war an dem Tag vor allem der kaum vorhandene Protest gegen diese Veranstaltung. Wenn sich so viele Anhänger*innen von Verschwörungstheorien, die mit Rassismus und Antisemitismus durchsetzt sind, so ungestört treffen können, ist das ein massives Problem. Für den 19. September haben Querdenken 69 ihre nächste Veranstaltung angekündigt. Ein „Fest für Freiheit und Frieden“ soll ab 15.30 Uhr im Günthersburg Park (Eingang: Palmengarten) stattfinden. Dieser Text ist nur ein erster kurzer Abriss, mehr zum Thema wird folgen, bis dahin seien die zwei angegebenen Artikel empfohlen:
Im Antifaschistischen Infoblatt #127 ist der Artikel „Corona-Diktatur?“ über Grundrechte, antidemokratisches Denken und extrem Rechte in Pandemie-Zeiten erschienen.
Auch online: https://www.antifainfoblatt.de/artikel/corona-diktatur
Zu den Protesten der selbsternannten „Corona-Rebellen“ in Hessen, NRW und RLP ist in der Lotta #79 ein Ausführlicher Artikel. Auch dieser ist online Abrufbar:
https://www.lotta-magazin.de/ausgabe/online/masken-runter


Die Atlas-Initiative

Folgender Artikel ist vom Jounalisten Andreas Kemper. Wir haben ihn geklaut, gekürzt und neu arrangiert. Die Recherche ist zu einer milliardenschweren rechtslibertären Strömung mit logistischem Schwerpunkt in Frankfurt. Originale und weitere Recherchen auf andreaskemper.org

Das Frankfurter Netzwerk

Die Atlas-Initiative ist dem Anschein nach ein Projekt des Hauptgeschäftsführers von Degussa Goldhandel, Markus Krall. Ziel der Atlas-Initiative ist der Sturz der Regierung, wozu aktuell die Proteste in der Corona-Krise genutzt werden sollen, um sozialstaatliche Maßnahmen und das allgemeine Wahlrecht abzuschaffen.

Entstehungsgeschichte

Die konkrete Entstehungsgeschichte des Projekts Atlas-Initiative mit diesem Namen beträgt anderthalb Jahre. Die erste von mir gefundene Erwähnung der Atlas-Initiative im bestehenden Kontext ist ein Tweet von Markus Krall am 22. Oktober 2018. Nach außen hin blieb es dann für einige Monate ruhig. Hinter den Kulissen wird es zu Kooperationen mit Fritz Goergen und Markus Ross (adpunktum / Bockenheimer Landstraße 101 in Frankfurt a.M.) gekommen sein, deren Strukturen (Newsletter, Website, Adresse, Telefonnummer) die logistische Basis für die Atlas-Initiative stellen. Neben dieser logistischen Basis gibt es spätestens seit September 2019 eine relevante Verbindung zu Degussa Goldhandel von August von Finck.

August von Finck junior

Der Milliardär August von Finck junior erbte sein Vermögen vom Hitler-Unterstützer und Banken-„Arisierer“ August von Finck senior. (In den 00er Jahren wurde von Finck als Großspender der FDP bekannt „Möwenpick-Skandal. Seit den 10er Jahren gilt er als Großspender AfD.) 2010 kaufte August von Finck den „guten Namen“ Degussa, um das Unternehmen „Degussa Goldhandel“ aufzubauen. Im April 2012 ernannte Finck Thorsten Polleit zum Chefökonom von Degussa Goldhandel. Dieser begann sodann mit der Gründung des Mises-Instituts. Im Oktober 2012 trat das Ludwig-von-Mises-Institut Deutschland an die Öffentlichkeit mit Sitz in der Residenz von Degussa Goldhandel München. Am 06.09.2019 trat Markus Krall seinen Job als Hauptgeschäftsführer von Degussa Goldhandel an. Am 31.10.2019 wurde der Verein Atlas-Initiative eingetragen.Im Februar 2020 verkaufte August von Finck einen Großteil seiner Aktien beim Schweizer Unternehmen SGS im Wert von ca. 2,3 Milliarden (Anmerkung: und hat sie damit flüssig gemacht.) Finanzierte der 90-jährige Milliardär August von Finck in der Vergangenheit rechtspopulistische Partei wie Bund Freier Bürger oder neoliberale Kampagnen wie die vom Bürger-Konvent mit Millionenbeträgen, hat er nun Ideologen wie Thorsten Polleit (Mises-Institut) und Markus Krall (Atlas-Initiative) als Führungskräfte in seinem Unternehmen Degussa Goldhandel eingstellt.

Markus Krall

Markus Krall ist Hauptgeschäftsführer von Degussa Goldhandel. Ein normales Unternehmen würde sich Sorgen um seinen Ruf machen, wenn der Hauptgeschäftsführer in seiner Freizeit eine antidemokratische Umsturzbewegung aufbauen und von den Mächten des Teufels schwadronieren würde. August von Finck hat sich – soweit ich weiß – jedoch noch nicht zu Wort gemeldet. Obschon auch Markus Kralls Freizeitaktivitäten derart viel Raum einnehmen, dass sie sich parallel zu einer 60-Stunden-Woche eines Hauptgeschäftsführers eines Milliarden-Euro-Jahresumsatz-Unternehmens schwer vereinbaren ließen – oder habe ich da falsche Vorstellungen vom durchschnittlichen Arbeitspensum eines Hauptgeschäftsführers? Jedenfalls ist es merkwürdig, wenn jemand am 6.9.2019 seine Stelle als Hauptgeschäftsführer antritt und am 7.9.2019 bei der Landesfraktion der AfD in Kiel eine Rede hält (zu seinem Buch, nicht zur Firma). Krall schrieb in seiner Zeit als Hauptgeschäftsführer ein Buch, dass seit Wochen beim Spiegel weit oben ist, gründete einen Verein, der noch dieses Jahr bereit gemacht werden soll zur „Konterrevolution“ und hielt in den wenigen Monaten – nur ausgebremst durch Corona – mehrfach wöchentlich Vorträge oder gab lange Interviews.
Meine These: Markus Krall setzt seine antidemokratischen Endzeit-Umsturz-Aktivität nicht neben oder trotz seiner Stelle bei Degussa Goldhandel um, sondern mit seinem Posten. Degussa Goldhandel scheint seine Aktivität – unter anderem auch durch die Zusammenarbeit mit Thorsten Polleits Mises-Institut – zu fördern. Besorgniserregend sind Kralls Crash- und Umsturzthesen, da es ganz real bewaffnete Prepper-Gruppen wie Nordkreuz gibt. Auch wenn die Umsturzphanatisen nicht für einen Umsturz reichen – für Anschläge im apokalyptischen Wahn reichen sie allemal.

Fritz Goergen

Fritz Goergen hatte bereits 1992, als er noch in der Geschäftsführung der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung saß, zusammen mit Detmar Doering (bis 2015 Leiter des “Liberalen Instituts“ der Friedrich-Naumann-Stiftung) die Kampagne „Bürger zur Freiheit!“ gestartet. Ein Jahrzehnt später war Fritz Goergen der Mann hinter Jürgen Möllemanns „Projekt 18“. Mit der Konzeption als „Protestpartei“ konnte die FDP 2002 ihren Stimmenanteil mehr als verdoppeln. Elisabeth Niejahr charakterisierte Goergen in der ZEIT mit dem Begriff „Der Anstifter“: Als Populist schüre er gezielt alte Ressentiments, Otto Graf Lambsdorff warnte seine Partei vor einer „Haiderisierung“ der FDP durch Goergen. Es gelte, jeden Tag eine Regel zu brechen, von „Frauenwitze“ bis zu einem „Hitler-Plakat“, skizziert die ZEIT Goergens Strategie. Bei jeder Kritik gehe man sofort in die Opferrhetorik.
Kurz vor dem Tod Möllemanns, der behauptete, Goergen verfolge das Prinzip des Tabubruchs mehr als er selber, verließ Goergen die FDP. Der FDP-Chronist Udo Leuschner schreibt hierzu: „Als Möllemanns Stern zu sinken begann und die Bundestagswahlen im September 2002 nur ein mageres Ergebnis erbracht hatten, trat Goergen im November 2002 aus der FDP aus. Kurz nach Möllemanns Tod wurde er als jener Geldbote enttarnt, der von einem Konto in Luxemburg eine Million Euro abgehoben hatte, mit der das Faltblatt gegen [Michael] Friedman finanziert worden war.“
Fritz Goergen ist seit mindestens fünf Jahren journalistisch aktiv. Er schreibt unter anderem die Kolumne „Goergens Feder“ im Magazin „Tichys Einblick“ und zwar ziemlich regelmäßig seit Dezember 2014. Insgesamt scheint er es seither auf mehrere hundert Kolumnen gebracht zu haben. Bereits 2015 konstatierte er eine „vorrevolutionäre Situtation“, allerdings damals noch ohne „Revolutionäre“.

Das „Ceros-Haus“ als logistische Basis

Die Etablierung des sogenannten „Ceros-Hauses“ in Frankfurt am Main zur logistischen Basis der Atlas-Initiative erfolgte schleichend. Unter anderem wurde der Newsletter von Ceros nachträglich als Newsletter der Atlas-Initiative präsentiert.

Kunsthandel: thomas punzmann contemporary

Der Geschäftsführer der Ceros Consulting GmbH, Markus Ross, ist Mitglied der Atlas Initiative. Im Juni 2019 erschien von Markus Ross ein Artikel in Tichys Einblick zum Maler Axel Krause. Krause ist AfD-nah, Kuratoriumsmitglied der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung. Krauses politische Einstellung führte zum Bruch mit einer Galerie in Leipzig, die seine Bilder nicht mehr ausstellen mochte. Mit dem Titel „Es geht nur total – die deutsche Begeisterung“ beklagte Markus Ross den angeblichen „Totalitarismus“ in der Kunst. Hier sei der Hinweis gestattet, dass die Ceros GmbH in der Beratungsarbeit für Kunsthandel aktiv ist.
Der Frankfurter Galerist Thomas Punzmann ist wie auch der Maler Axel Krause Kuratoriumsmitglied der Desiderius-Erasmus-Stiftung der AfD und Punzmann ist zugleich Mitglied der Atlas-Initiative. Punzmann ist seit April 2018 Autor bei The European, wo er u.a. das Buch des für die Atlas-Initiative relevanten russisch-orthodoxen Christen Igor Schafarewitsch zum Todestrieb (Sozialismus) in der Geschichte (edition lichtschlag) empfahl. Die Videos der Atlas-Initiative wurden bislang in der Kunst-Galerie von Thomas Punzmann gedreht und im März 2020 zunächst auch unter Punzmanns Namen bei Youtube hochgeladen.

Alte AfD-Bekannte bei Youtube und Facebook: Salger und Hübner

Der überwiegende Teil dieser Videos besteht aus Statements des Jura-Professors Hanns-Christian Salger, der die Zuhörer*innen mit „liebe Mitstreiter der Atlas-Initiative“ begrüßt. Salger lehrt am Institute for Law and Finance an der Uni Frankfurt a.M.

Salger war Mitglied der AfD in der Anfangsphase. Ende 2013 eskalierte ein Streit zwischen zwei Lagern. Zur „Salga-Liste“ zählte laut einem Artikel der FR, auch Wolfgang Hübner. Wolfgang Hübners Name taucht überdurchschnittlich häufig in den Originalbeiträgen der Facebook-Seite der Atlas-Initiative auf. Da die Facebook-Seite sonst fast nur fremde Artikel verlinkt (hauptsächlich Tichys Einblick, gefolgt von der Achse des Guten), liegt es nahe, dass Hübner die Facebook-Seite der Atlas-Initiative gestaltet.

Mehr auf: https://andreaskemper.org


Zwei Spotlights zur Situation in den USA

Seit der rassistischen Ermordung von George Floyd am 25. Mai in Minneapolis kam es in Portland, Oregon, jeden Abend zu antirassistischen Protesten der Black Lives Matter Bewegung – mittlerweile an mehr als 100 aufeinanderfolgenden Tagen. Die anhaltenden Proteste, die sich auch durch starke Polizeikräfte der Staates Oregon nicht eindämmen ließen, wurden zu einem landesweiten Politikum, spätestens als Trump Sondereinheiten der Bundespolizei gegen den Protest der föderalen Regierung einsetzen ließ. Diese Sondereinheiten waren berüchtigt, in unmarkierten Vans um Proteste herumzufahren und willkürlich Menschen zu verhaften und einzuschüchtern. Doch die Proteste hielten weiter an. Infolgedessen kam es zu einer starken Mobilisierung rechtsradikaler Kräfte, um die Bewegung in Portland niederzuschlagen. Neben kleineren Scharmützeln fuhr am 29.8. eine Karawane von Pro-Trump-Aktivisten in die Innenstadt von Portland, um Demonstrant*innen abzugreifen. Sie fuhren teils schwer bewaffnet mit Pick-Ups durch die Straße und sprühten mit Bärenspray oder schossen auf Passant*innen, die sie als politische Gegner einschätzten. Im Zuge dieser Eskalation wurde ein Aktivist der rechtsextremen Gruppe Patriot Prayer, Aaron „Jay“ Danielson, getötet. Es ist unklar, was genau geschehen ist. Aber am darauffolgenden Donnerstag veröffentlichte VICE TV ein Interview mit dem Antifa-Aktivisten Michael Reinoehl, der die Verantwortung dafür übernahm.

In diesem Interview sagte er, er habe bei den Black Lives Matter-Demos für Schutz gesorgt. Einer der Hauptorganisator*innen der Proteste in Portland bezeichnete Reinoehl als „Schutzengel“ für Demonstrant*innen. Er war bereits im Juli in Portland am Rande einer Demo angeschossen und verwundet worden, nachdem er in eine Auseinandersetzung eingegriffen hatte, in der einer der rechten Angreifer bewaffnet war.

Staatliche Liquidation von Antifa-Aktivisten in Portland, USA
Zu Erschießung von Aaron Danielson sagte Reinoehl, er habe in Notwehr gehandelt. „Ich sah all diese Fahrzeuge mit hasserfüllten Menschen auf der Ladefläche der Lastwagen rumschreien, und mit ihren Baseballschlägern Demonstrant*innen bedrohen, die gerade da rumstanden“. Um 20.45 Uhr sei er schließlich einem Freund zur Hilfe gekommen, der von Pick-Ups mit bewaffneten Pro-Trump-Demonstranten umringt war. „Ich habe jemanden gesehen, der ein lieber und enger Freund von mir in der Bewegung ist, der sich im Grunde mit all diesen Fahrzeugen konfrontiert hat“, erzählte Reinoehl „Und so ließ ich ihn wissen, dass ich hier mit ihm bin. Ich habe mich mit ihm an der Kreuzung vor den Foodtrucks wiedergefunden (eine wichtige Infrastruktur der Proteste), die von Pick-Ups und Autos mit Waffen umgeben waren.“

Reinoehl betonte, dass die Menschen, die an der Pro-Trump-Karawane teilnahmen, in diesen Lastwagen schwer bewaffnet seien und dass sie „nicht nur Paintball-Gewehre“ mit sich führten, wie in der Presse berichtet wurde. Er sei schließlich in eine Konfrontation mit einem Mann geraten, der ihn und einen anderen Demonstranten mit einem Messer bedroht haben soll. „Hätte ich nach vorne getreten, hätte er mich gepfeffert oder erstochen“, sagte Reinoehl. Handyvideos von Umgebenden zeigen die Situation. Dabei feuert ein Mann, der Reinoehl ähnelt und das gleiche Hals-Tattoo zu haben scheint, zwei Schüsse auf Danielson ab und geht dann weg. „Ich war zuversichtlich, dass ich niemanden unschuldig getroffen habe, und habe mich zurückgezogen“, sagte er.

„Wissen Sie, viele Anwälte schlagen vor, dass ich gar nichts sagen sollte, aber ich halte es für wichtig, dass die Welt wenigstens ein bisschen von dem mitbekommt, was wirklich vor sich geht“, sagte Reinoehl. „Ich hatte keine Wahl. Ich meine, ich hatte die Wahl. Ich hätte dort sitzen und ihnen dabei zusehen können, wie sie einen schwarzen Freund von mir töten. Aber das wollte ich nicht tun.“

Zum Zeitpunkt der Konfrontation sei keine Polizei anwesend gewesen. „Es war definitiv niemand in Sicht, kein Polizist, niemand, der eingreifen konnte. Es war ein Freibrief für alle. Und die Polizei ließ es geschehen“, sagte er. Auch im Nachhinein bereue er seine Tat nicht. „Wenn das Leben von jemandem, der mir lieb ist, in Gefahr ist, und es gibt etwas, was ich tun kann, um es zu verhindern. Ich denke, dass jeder Mensch dasselbe tun würde“, sagte er.

Nach der Schießerei sei er untergetaucht und habe seine Kinder an einen sicheren Ort gebracht, nachdem wenige Stunden nach dem Vorfall Schüsse in sein Haus abgefeuert worden waren. Er wusste, dass er gejagt wurde, auch weil dies in sozialen Medien offen kommuniziert wurde. Er hatte sich nicht an die Polizei gewandt, weil er davon ausging, dass diese mit den Trump-Supporter*innen zusammenarbeiten würden und ihn oder seine Familie nicht schützen werde. Damit lag er wohl sehr richtig. Denn wenige Stunden nach Ausstrahlung des Interviews auf VICE TV, wurde Reinoehl von US-Sheriffs und FBI-Agenten erschossen. Zeugen berichteten, dass zwei SUVs neben Michael Reinoehls Auto heranfuhren und sofort 30 bis 40 Schüsse in sein Fahrzeug abfeuerten.

Der Generalstaatsanwalt Bill Barr feierte die Erschießung als Sieg für die Strafverfolgungsbehörden. „Das Aufspüren von Reinoehl – einem gefährlichen Flüchtling, bekannten Antifa-Mitglied und mutmaßlichen Mörder – ist eine bedeutende Errungenschaft in den laufenden Bemühungen, Recht und Ordnung in Portland und anderen Städten wiederherzustellen“. Der oberste Gesetzeshüter feiert eine staatliche Hinrichtung durch Bundespolizisten aus Rache für einen rechtsradikalen Aktivisten.

Rechter Terror als Ergänzung der Staatsmacht

Wenige Tage vor den Ereignissen in Portland kam es zum Massaker in Kenosha Wisconsin. Am 23.8. wurde in der Stadt im Norden der USA dem Afro-Amerikaner Jacob Blake vor den Augen seiner Kinder und vor laufender Kamera von zwei weißen Polizisten sieben Mal in den Rücken geschossen. Daraufhin kam es zu tagelangen Demos und Riots, bei denen auch ein Knast niedergebrannt wurde. In der zweiten Nacht des Protests konfrontierte ein bewaffneter 17-jähriger Rassist einen Demozug und erschoss eine Person. Beim Versuch, ihn zu entwaffnen, wurde ein weiterer Mensch erschossen und weitere schwer verletzt. Der Täter konnte sich anschließend unbehelligt hinter die Polizeilinie zurückziehen. Erst auf internationalen Druck hin wurde dieser zwei Tage später festgenommen. In der extremen Rechten in den USA wurde der 17-jährige Kyle Rittenhouse sofort zum Idol und zur Ikone erhoben. Sie sammeln Gelder, produzieren Merchandise und kleiden sich im Stil des Teenagers während der Tatnacht. Im Gegensatz zur Situation von Michael Reinoehl wurde von staatlicher Seite vielfach auf eine angebliche Notwehr-Situation von Rittenhouse hingewiesen. Dabei hatte sich dieser bewusst für einen bewaffneten Angriff mit der Demo positioniert, in dem er die Tötung von Demonstrierenden billigend in Kauf genommen haben muss. Und die Demonstrierenden hatten schlicht das versucht, was im Falle eines sogenannten Mass-Shootings in den USA propagiert wird – die militante Entwaffnung des Täters.

Kyle Rittehouse sieht sich in der Tradition weißer Freiwilligenverbände, die in Ergänzung der Staatsmacht in den USA tatsächlich kein neues Phänomen sind – sie waren von Anfang an integraler Bestandteil der Vereinigten Staaten. Während des größten Teils der US-Geschichte war der staatliche Repressionsapparat relativ klein, und die Machthaber verließen sich stark auf nichtstaatliche Kräfte bewaffneter weißer Männer, um die Unterdrückten – Indigene, Schwarze, Mexikaner und Asiaten – zu terrorisieren und unter Kon­trolle zu halten. Während der Schlüsselzeit der Industrialisierung von den 1870er bis in die 1930er Jahre verließen sich die Kapitalisten stark auf private Armeen wie die „Pinkerton Detective Agency“, um Arbeiter einzuschüchtern, zu schlagen oder zu töten, die versuchten, Gewerkschaften zu organisieren oder zu streiken. Noch in den 1970er Jahren sponserten Bundessicherheitsbehörden rechtsradikale Organisationen wie die „Legion of Justice“ und die „Secret Army Organization“, um Linke auszuspionieren, Räume zu verwüsten und physisch anzugreifen. 1979 half ein Undercover-Agent des „U.S. Bureau of Alcohol, Tobacco and Firearms“ bei der Planung der Operation, die zum Massaker von Greensboro führte, bei dem eine Koalition von Klansmen und Nazis fünf Linke bei einer Anti-Klan-Kundgebung ermordeten.

Insgesamt ist jedoch Terror durch Freiwilligenverbände im letzten halben Jahrhundert tendenziell zurückgegangen, da die herrschende Klasse sich von traditionellen Organisationen wie dem Ku-Klux-Klan distanziert hatte, während große Teile der White Supremacist-Bewegung die Loyalität zum Staat aufgab und der eigene Unterdrückungsapprat des Staates zudem viel größer und mächtiger wurde. Aber jetzt ist unter Trump ein neuer Vorstoß zu erleben, wo die Repression nicht-staatlicher Akteure wieder neben dem modernen Sicherheitsstaat Einzug hält.

Aber auf der einen Seite haben wir eine Welle von Protesten, Aufständen und Streiks gegen Polizeigewalt und weiße Vorherrschaft, die alles übertrifft, was die USA seit Jahrzehnten erlebt. Auf der anderen Seite haben wir einen Präsidenten, der White Supremacy fördert, routinemäßig Regierungsfunktionen seinen persönlichen Interessen unterordnet und gewaltig gegen seine Gegner droht und feuert. Bewaffnete Rechtsextreme sammeln sich bei der Polizei, teils, weil sie Angst vor einer Revolte der schwarz geführten Arbeiterklasse haben, und teils, weil sie Trump trotz Vorbehalten immer noch als populistischen Führer im Krieg mit fest verankerter Elitemacht sehen. Ihre de facto Loyalität könnte dazu führen, Trumps Bemühungen, im Amt zu bleiben, mit extralegalen Mitteln zu unterstützen oder sich in eine bewaffnete Opposition verlagern, falls sie Trump aufgeben oder er aus dem Amt scheidet. Das Szenario eines Putschversuchs oder eines Bürgerkriegs in den USA steht im Raum.

Collage und Übersetzungen von Texten von itsgoingdown.org


Neuer Wagenplatz in Frankfurt

Wir haben unter dem Motto „We Need Homes To Stay At Home“ ein leeres Gelände am Ostbahnhof in Frankfurt am Main mit unseren Wägen befahren, um der Forderung zur Entstehung von neuem Wohnraum während der Corona Pandemie für Menschen ohne Zuhause Ausdruck zu verleihen.

Unsere Gruppe setzt sich für die Entstehung eines neuen Wagenplatzes ein und hat sich für die Besetzung dieses Gelände entschieden, um ein Zeichen zu setzen und Druck auf die Stadtregierung auszuüben. Dafür brauchen wir vor allem in den folgenden Tagen dringend Unterstützung von Außenstehenden, über die wir uns sehr freuen würden. Hierfür gibt es einen Kanal auf Telegram (eine kostenlos verfügbare Messenger-App), über den wir interessierte Menschen auf dem Laufenden halten und euch aktuelle Informationen erreichen. Der Kanal ist unter dem Namen „weneedhomestostayathome“ auf Telegram zu finden.

Teilt diesen bitte mit euren Freund*Innen und eurem Bekanntenkreis. Wir haben ein Hygienekonzept und Santäreinrichtungen in unseren Wägen und Wohnmobilen, um bedacht mit der Gefahr von Covid-19 umzugehen.
Als Gruppe sind wir es leid, während der Pandemie alleine auf Parkplätzen oder bei Freund*Innen oder Bekannen notdürftig unterkommen zu müssen.

Wir brauchen dringendst einen Ort, wo wir als Gruppe zusammenleben können, wo wir uns in dieser schweren Zeit gegenseitig unterstützen können und nicht auf uns allein gestellt sein müssen. Denn: „We Need Homes To Stay At Home“ – ebenso wie andere Menschen, die ohne festen Wohnsitz in Frankfurt leben, was gerade in Zeiten einer Pandemie besonders unverantwortlich und untragbar ist. Daher fordern wir, Hotels und Leerstand zu öffnen um neue Perspektiven für Menschen ohne Wohnsitz entstehen zu lassen!
Ebenso möchten wir die Möglichkeit einer alternativen Wohn- und Lebensform durch einen neuen Wagenplatz weiterverfolgen!
Erklärung und Offener Brief der Gruppe „We Need Homes To Stay At Home“ im August 2020


Verschärfung der Vorladungspflicht?

Die polizeiliche Vorladung von Zeug*innen im Auftrag der Staatsanwaltschaft

Rote Hilfe OG Frankfurt

Aus aktuellem Anlass möchten wir über die Zeug*innen-Vorladungen der Polizei informieren. Die 2017 erneuerte Regelung zur Vorladungen (§ 163 Abs. 3 StPO) lautet: „Zeugen sind verpflichtet, auf Ladung von Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt.“ Die Verunsicherung war groß – Gerüchte und Falschinformationen machten die Szene-Runde. Was ändert diese Neuregelung? Die Antwort ist schnell gesagt: Nichts.

Vor 2017 bestand keinerlei Pflicht, Vorladungen der Polizei wahrzunehmen, bzw. dort auszusagen. Das galt für Zeug*in und für Beschuldigte gleichermaßen. Als Änderung wurde eingeführt, dass die Staatsanwaltschaft die Polizei zu einer Befragung beauftragen kann. Die Polizei leistet in solchen Fällen sozusagen Amtshilfe. Alle sonstigen Ladungen der Polizei sind wie bisher nicht verpflichtend.
Eine Vorladung heißt, man wird zu einem Sachverhalt, in dem Polizei und/oder die Staatsanwaltschaft ermittelt, als Zeug*in befragt oder verhört. Das kann unangenehm sein und egal wie gut man sich vorbereitet, es kann passieren, dass man Dinge sagt, die man später bereut. Deshalb ist es Selbstschutz, zu Vorladungen nach Möglichkeit nicht zu erscheinen.

Zeug*in oder Beschuldigte*r
Bei Vorladungen ist generell zu unterscheiden, ob die Personen als Zeug*innen oder Beschuldigte geladen sind. Die Neuregelung hat zum Ergebnis, dass die Ermittlungen frühzeitig festlegen müssen, wer als Schuldige*r und wer als Zeug*in gilt. Die Neuregelung betrifft also nur Vorladungen als Zeug*in. Das muss zwingend in der Vorladung drinstehen. Beschuldigte sind in keinem Fall verpflichtet, Vorladungen zur Polizei nachzukommen. Beschuldigte können zudem immer ohne weitere Repressionsgefahr die Aussage verweigern.
Darüber hinaus lässt sich hier ein weiterer Vorbehalt entkräften, der uns öfters begegnet ist: Kann die Polizei mich überraschen und mich spontan vor Ort, beziehungsweise daheim, befragen? Nein! Die Polizei ist in der Nachweispflicht, dass sie von der Staatsanwaltschaft beauftragt wurde – Auch wenn ihnen viel zuzutrauen ist, werden sie das spontan kaum hinbekommen. Außerdem hat jede*r Zeug*in Anrecht auf einen Zeug*innenbeistand, etwa eine*n selbst gewählte*n Rechtsanwält*in.
Die Konsequenzen, auch bei einer Vorladung im staatsanwaltlichen Auftrag nicht zu erscheinen, sind zunächst überschaubar. Bei Nicht-Erscheinen trotz verpflichtender Ladung können Ordnungsgelder und ersatzweise Ordnungshaft drohen. Ordnungsgelder müssen von der Staatsanwaltschaft verhängt werden, Ordnungshaft benötigt eine richterliche Entscheidung. In der Regel ist eine Erzwingungshaft/Beugehaft in unseren alltäglichen Fällen äußerst unwahrscheinlich. Die Angst, plötzlich in Haft zu müssen, weil man eine Vorladung erhalten hat, ist aus unserer Sicht daher unbegründet. Und die Rote Hilfe steht bei einer Verhängung von Ordnungsgeldern den Genoss*innen finanziell zur Seite.

Umgang mit Vorladungen
In der Praxis haben wir unterschiedliche Erfahrungen mit den neuen Vorladungen gemacht. Beispielsweise wurden Ermittlungen zum gleichen Sachverhalt von mehreren Beamt*innen in unterschiedlichen Städten durchgeführt. Bei manchen reichte es aus, den Termin telefonisch abzusagen, um keine erneute Einladung zu erhalten. Bei anderen wurde noch darauf gepocht, dass die Zeug*innen erscheinen sollen – eine erneute Vorladung kam jedoch nicht. Im Zuge einer anderen Ermittlung waren die anwesenden Beamt*innen von der Begleitung einer Rechtsanwältin derart überrascht, dass sie nach drei völlig unerheblichen Fragen das Gespräch selbst abgebrochen haben. Bei den aktuellen Fällen wurde kollektiv die Aussage verweigert und das Spiel der Polizei nicht mitgespielt.

Was heißt das nun für Aktivist*innen? Viele Vorladungen berufen sich wie früher und sind nicht im staatsanwaltlichen Auftrag – der alte Leitsatz „Niemals vor der Polizei aussagen!“ hat weiterhin Bestand. Dies heißt aber auch, dass drohende Strafen wie Ordnungsgelder solidarisch und gemeinschaftlich getragen werden. Diese Veränderung, im Kontext weiterer Gesetzesverschärfung, gibt den Beamt*innen mehr Handhabe in der Verfolgung politischer Aktivist*innen. Dagegen gilt es sich zu wehren und ihr dämliches Spiel nicht mit zu spielen. Daher gilt auch weiterhin: Geht nicht zu den Vorladungen der Polizei!
Unabhängig davon gilt auch: Betroffene sollten jeden Vorladungsbrief zunächst aufheben und im Zweifel die Beratung der Roten Hilfe oder einer anderen Rechtshilfestruktur aufsuchen. Je nach Situation kann es interessant sein, wer eine Vorladung erhält oder wer zum Beispiel in der Ermittlung als Zeug*in geführt wird.

Es ist nach so einer Gesetzesveränderung besonders wichtig, sich zu wehren und die neue Pflicht nicht einfach zu fressen. Wenn sie versuchen, ihre Repression effektiver zu gestalten, heißt das für uns, ihre Arbeit zu verlangsamen. Dafür braucht es nicht nur entschlossene Betroffene, sondern vor allem solidarische Strukturen. Finden wir also einen kollektiven Umgang mit den Vorladungen!

Viel hat sich also nicht verändert. Der alte Satz stimmt: Keine Aussage bei der Polizei! Die Verweigerung der Aussage, sei es als Zeug*in oder als Beschuldigte*r, ist eine unserer stärksten politischen Möglichkeiten gegenüber den Repressionsorganen. Sie lässt Betroffene souverän auftreten und ist ein selbstbestimmter, politischer Akt, der das übliche Spiel der Polizei und Staatsanwaltschaft nicht mitspielt. Zugleich schützen wir uns und unsere Genoss*innen, wenn wir konsequent die Aussage verweigern. Auch deshalb unterstützt die Rote Hilfe Menschen finanziell, die in politischen Verfahren ihre Aussage verweigern.

Die Moral von der Geschicht‘: Mit der Polizei redet man (immer noch) nicht!


Dokumentation

Rigaer94 bleibt!
Vonovia Karre plattgemacht

In der Nacht von dem 15. auf den 16.07. haben wir in der Kuhwaldsiedlung in Frankfurt am Main in Solidarität mit den räumungsbedrohten Hausprojekten Rigaer 94 und Liebig34 in Berlin eine Vonovia Karre tiefer gelegt, mit Abbeizer überschüttet und eine Botschaft hinterlassen: R94 bleibt!
Wir sind überall, wütend und lassen uns diese Scheiße nicht gefallen! Vonovia steht für die Gentrifizierung und Profitmaximierung von Wohnraum und in ganz Deutschland tatsächlich und symbolisch für die Stadt der Reichen. Für Vonovia sind die Menschen scheißegal! Es geht lediglich um Profit. Für diesen Scheißverein werden immer wieder Menschenaus ihren Wohnungen verdrängt und erniedrigt, günstiger und besetzter Wohnraum werden platt gemacht.
Wir sagen den Gentrifizierungskonzernen und dem Staat, die Hand in Hand mit den Bullenjede Nische für kollektives Wohnen zerstören wollen, den Kampf an!

Wohnraum ist keine Ware! Freiheit braucht Räume! Wir wollen keine Leistungsgesellschaft und keine Welt nur für die, die es sich leisten können, sondern ein gutes Leben für alle!

Wir rufen zudem alle auf am 01.08. zu der Demo gegen Räumungen in Berlin zu kommen um in Soildarität mit den Genoss*innen auf die Straße zu gehen!

Gegen die Stadt der Reichen
Rhein Main nach Connewitz

26.04.2020

Hofheim im Taunus liegt zwischen Wiesbaden und Frankfurt, dort haben wir in der Nacht von Freitag auf Samstag 2 Firmenfahrzeuge der Firma HÄHNLEIN & KRÖNERT in der Tiefgarage angegriffen. Wir haben in der Tiefgarage den Spruch „Gegen die Stadt der Reichen“ hinterlassen und den Porsche SUV mit dem Kennzeichen MTK HK 800 ordentlich demoliert und am Ende noch mit Löschpulver den Innenraum unbenutzbar gemacht. Der Spritfresser und Umweltsünder dürfte Schrott sein. Auch ein weiteres Auto der Firma hat einiges abbekommen – Laut den Bullen insgesamt 25000 Euro Schaden. Es war ihnen sogar zwei Pressemitteilungen wert. (s.U.)
HÄHNLEIN & KRÖNERT sind die Verkäufer eines Nobelwohnblocks in Leipzig Connewitz.

Dieser erregte bereits in der Vergangenheit den Zorn des Stadtteils:

„Hähnlein & Krönert prahlen derweil im Internet damit „mit großem Respekt vor den urbanen Besonderheiten des quirligen Stadtteils Connewitz“ [..] „Familien ein angenehmes Leben in ruhiger Umgebung zu ermöglichen.“ – es quirlen Hohn und Spott aus jedem Satz des Werbetextes.

Fakt ist, dass der Frieden der zukünftigen Eigentümer mit hohen Toren und fensterlosen Mauern in den zwei unteren Etagen gesichert wird. Dass sich, angesichts eines wahnwitzigen Verkaufspreises von rund 4000€/m², die Mieten der umliegenden Einwohner in den nächsten Jahren weiter steil nach oben entwickeln werden, ist so gewiss wie das Amen in der Kirche“

Leipzig wird wie alle größeren Städten stetig weiter aufgewertet. Den Gutverdienenden wird mehr Platz geschaffen, die Obdachlosen schikaniert und die Gerinverdienenden an den Stadtrand gedrängt. Die Coronakrise wird diese Ungerechtigkeiten weiter verschärfen, wenn wir nicht auf vielen Ebenen intervenieren.

Im nahegelegenen Frankfurt wird seit langem der Mietentscheid mit fadenscheinigen Argumenten heraus gezögert. Er wäre eine Chance eine Stadt für alle zu gestalten bei der die Menschen und nicht die Profitmaximierung im Mittelpunkt stehen. Wir nehmen uns ein Beispiel an Connewitz und lassen uns das nicht weiter gefallen! Die Verkäufer solcher Immobilien sollten sich nirgends sicher fühlen. Deshalb haben wir sie dort angegriffen wo sie zu Hause sind.
Insbesondere Grüßen wir die Kämpfenden gegen den Verkauf der Liebig 34 in Berlin, welche sich aktiv zu Wehr setzten. Auch wenn sie den Prozess weiter verschieben – Wir geben keine Ruhe!
Beste Grüße an die 3 von der Parkbank und alle Anderen in den Knästen.
Aktionsgruppe gutes Wohnen


Chronik Juli/August 2020

9.5. Bereits am zweiten Maisonntag nahmen über 150 solidarische Teilnehmer*innen am Solirun teil. Unter dem Titel „Against the Virus of Control – Fight Fortress Europe“ liefen, rollten oder radelten solidarische Leute auf verschiedenen Strecken zwischen Praunheim und Sossenheim.
Die Corona-Pandemie erfordert neue Formen von Protest und auch der Finanzierung unserer Projekte. Für jede Runde hatten sich die Teilnehmenden vorher eigene Sponsor*innen gesucht, so dass am Ende Spenden im deutlich dreistelligen Bereich gesammelt wurden.

22.07. Über 100 Menschen gedenken am Jahrestag dem rassistischen Anschlag auf Bilal M. in Wächtersbach. Der rassistische Schütze hatte die Tat in seinem Stammlokal vorher angekündigt, weder die anwesenden Gäste, noch der Wirt hatten eingegriffen. Gestört wurde die Kundgebung von einem Anwohner mit rassistischen Zwischenrufen und Zeigen des Hitlergrußes.

23.07. Seit Jahresbeginn wurden schon mehr als 100 Hochsitze in ganz Südhessen demoliert, umgeworfen, abgesägt oder angezündet … häufig auch mit dem Kürzel ALF versehen … viel mehr Spuren hinterlassen die nächtlichen Aktivist*nnen selten vor Ort. Währenddessen bläst die BILD zur Jagd auf einen 38jährigen aus Trebur, der schon mal neben einem „gefällten Ansitz“ posiert und bei seinen „FB-Freunden“ fragt, ob jemand Lust habe, ein paar Hochsitze zu demolieren? Be smart, cancel Facebook.

25.07. Die Polizei darf auf Corona-Listen in Gaststätten zurückgreifen und wird das auch tun. You know what to to!

26.07. Die Bullen rücken mit Spezialeinheiten, einer Hundestaffel und einem Überfallkommando vors Klapperfeld und greifen Gäste an. Eine Stürmung des Zentrums kann verhindern werden. Angeblich ein Missverständnis. Oder doch eine Eigeninitative von Polizeikritik angepisster Straßenschläger.

1.8. Dem Pressesprecher der Frankfurter Staatsanwaltschaft Frankfurt werden (weitere) Fälle gewerbemäßige Korruption nachgewiesen. Das fast zwei Jahrzehnte bestehende Korruptionssystem wird von unterlegenen Konkurrenten zum Einsturz gebracht. Sie wollten schließlich alle was abbekommen vom Millionengeschäft.

7.8. 2 Monaten, nachdem Bullen in Dietzenbach mal kassiert haben, rächen sie sich und machen erste Verhaftungen. Zwischenzeitlich wurde mit bis zu 2000€ Belohnung fürs Petzen geworben. ACAB

7.8. Der Geschäftsführer der Koke GmbH in Pfungstadt, Dirk Koke, hat bestätigt, dass er für Querdenker-Demos technisches Equipment zur Verfügung gestellt hat. Er scheint kein Problem damit zu haben, dass sich bei den diesen Demos Nazis und Rassist*innen, Antisemit*innen und Q-Anon Anhänger*innen tummeln.

10.8. 15 bedauerliche Einzelfälle der hessischen Polizei sind vom Dienst suspendiert worden – zumeist wegen Betrugs- und Unterschlagungsdelikten. Bei 10 der bedauerlichen Einzelfälle hessischer Polizeibeamter, die in einer rassistischen Chat-Gruppe waren, wurden die Ermittlungen eingestellt und diese sind zurück am Arbeitsplatz.

8.8. Bei einem rechten Aktivisten in Limburg werden bei einer Durchsuchung scharfe Waffen, passende Munition und ein ganzes Arsenal an Deko-, Softair- und Schreckschusswaffen gefunden sowie Datenträger beschlagnahmt. Der bedauerliche Einzelfall läuft selbstverständlich weiter frei herum.

14.8. In Sachsenhausen wird gefilmt, wie mehrere bedauerliche Einzelfälle der Frankfurter Polizei einer fixierten Person mehrfach in die Seite schlagen und treten. Wenn IHR das tun würdet, wäre das mindestens schwere Körperverletzung. Wäre die geschlagene Person Bulle, wäre es Mordversuch und gäbe es U-Haft und ARD-Brennpunkt mit Lobbyisten der DPolG.

15.8. Trumpisierung in Rheinhessen: Bei einem Naziaufmarsch in Ingelheim werden anreisende Antifas von der Bullerei in einer Unterführung zuerst eingekesselt und dann großzügig mit Pfefferspray eingedeckt. Anschließend kommentierte ein Bullensprecher das veröffentlichtes Video der Situation: Er vermute, die Linken hätten Panik vorgetäuscht, um die Polizei zu diskreditieren. Willkommen im postfaktischen Zeitalter.
Eine Theatergruppe wird im Frankfurter Gallusviertel bei Proben in der Frankenallee von Leuten bespuckt, mit Gehstöcken bedroht und rassistisch beleidigt. Die Proben zu einem antirassistischen Open-Air Theaterstück müssen abgebrochen werden.

19.8. Gegen die sieben Bullen, die den stark übergewichtigen, unbewaffneten und nackten Savas K in Ffm-Höchst in seinem Bett niederdrücken bis er verstirbt, wird keine Anklage erhoben. Das zulässige Maß an angewendeter Gewalt sei nicht überschritten worden. August Im Frankfurter Stadtteil Heddernheim und den angrenzenden Niddawiesen tauchen vermehrt Nazisticker und Fascho-Sprühereien auf. Augen auf. Antifa heisst Angriff!

22.8. Nach der öffentlichen Empörung über die brutalen Festnahme und den Tritten in Sachsenhausen wird nun auch gegen beteiligte Beamte ermittelt. Allerdings bedrängen Bullen in der Folge gezielt Anwohner*innen und Menschen aus der Personengruppe, zu der die Bullen den Festgenommene zuordnen. Die Betroffenen sprechen von massiver Einschüchterung. Die mitgeführten Bodycams der Bullen, können das nächtliche Vorgehen nicht belegen, angeblich waren die Batterien zur vorgerückten Stunde leer. Welch ein bedauerlicher Einzelfall von Batterienversagens!

23.8. Bereits im Januar filmt ein* Anwohner*in folgende Begebenheit: Ein Sixpack fährt gegen 23.30 entgegen der Einbahnstraße ( und ohne Blaulicht) vor einem Offenbacher Apfelweinlokal vor, die Streifenbullen gehen kurz in das Lokal, und holen drei Angetrunkene ab, die sich ebenfalls als Polizeibeamte herausstellen und die zum Revier gefahren werden. Der Rhein Main Extra Tipp, nicht gerade für seinen investigativen Journalismus bekannt, hat den Vorfall nun veröffentlicht, nachdem Nachfragen beim zuständigen Polizeirevier Südosthessen ignoriert wurden. Es kommt heraus das einer der Chauffierten der Revierleiter selbst war und versetzt wurde. Die saufenden Kollegen müssen wohl in Zukunft nach Hause laufen.

28.8. In Kassel demonstrieren mehrere hundert Anti-Militarist*innen gegen die Kriegswaffeproduktion in Deutschland. Mit Straßenblockaden wird versucht, das mörderische Geschäft zumindest kurzfristig zu stören.

29.8. Zehntausende demonstrieren in Berlin, darunter Tausende aus allen Teilen des rechtsradikalen Spektrums. Die Reichsfahnen auf dem Reichstag symbolisieren die faschistische Raumnahme. Die Berliner Bullen sind nicht Willens, diese zu verhindern.

30.8. Ihr erinnert euch an die Ausmaße der Brandrodungen im Amazonas letzten Sommer? Der Regenwald brennt weiter. Ununterbrochen. In gleichem Ausmaß. Ohne Medienbeachtung.

31.8. Organisationsverfolgung gegen linke Strukturen scheint in Karlsruhe wieder in Mode zu kommen: Razzien in und um Hamburg gegen den Roten Aufbau im Zuge eines §129-Verfahrens gegen die ganze Organisation.
1.9. Zum Jahrestag des faschistischen Überfalls auf Polen und dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs demonstrieren knapp 500 Menschen durch Frankfurt.

2.9. Der Frankfurter Mainkai wird wieder dem Autoverkehr übergeben. Verschiedene Gruppen blockieren allerdings mehrfach in den folgenden Tagen den Autoverkehr. 5.9. Herausragend die BikeNight mit massenhaft Fahrrädern.

3.9. Es werden bekannt: Mehrere Drohbriefe gegen linke Gruppen und Zentren in Wiesbaden, sowie erneute Drohschreiben des NSU 2.0 an Personen des öffentlichen Lebens. Sicherlich Einzelfallbriefschreiber.

5.9. Antirassistische Kundgebung auf der Hauptwache fünf Jahre nach dem March of Hope.

5.9. Schluckt Kielwasser, ihr Bonzen: Beim Versuch einer Bootsparade für Donald Trump sinken mehrere der Yachten auf einem kleinen Süßwassersee in Texas.

8.9. Moria wird in einem Akt der Verzweifelung niedergebrannt. Bundesweite Demos zur längst fälligen Evakuierung des Lagers und gegen das mörderische Grenzregime der EU.

11.9. Start der Konferenz Frankfurt for Future. Es werden Strategien diskutiert, um trotz der sozial-ökologischen Gesamtscheiße das Ruder noch herumzureißen.

12.9. Mietendemo in Frankfurt. Vonovia enteignen – die Häuser, denen die drin wohnen!