Repression

Politik vor Gericht

Bei Prozessen gegen Linke gibt es kein neutrales, wertfreies Recht. Gerichte sind keine Institution außerhalb der Gesellschaft, auch wenn sie sich als solche bezeichnen. In ihnen werden normative Aspekte verteidigt, gegen die sich linke Politik wendet. Der Zusammenhang von „Recht und Ordnung“ kommt nicht von ungefähr. Revolutionäre linke Politik ist notwendigerweise eine Bedrohung von Rechtsvorstellungen und wird als Bedrohung des Status quo gesehen. Dagegen schreiten auch Gerichte ein. Gerade in den letzten Monaten wurden in den Prozessen zu Blockupy 2015 höhere Strafen als üblich verhängt und dies mit den Ereignissen am Tage der Eröffnung der EZB begründet.

Dass es sich um politische Prozesse handelt, merkt man nicht zuletzt daran, dass die vorgeführten „Beweise“ eine vergleichsweise geringe Rolle für das Urteil und das Strafmaß spielen. Während in anderen Prozessen Reue, Täter-Opfer-Ausgleich, belastbare Beweise und glaubhafte Zeugen im Mittelpunkt stehen können, machen wir bei Prozessen gegen Linke die Erfahrung, dass die Beweise noch so dürftig, die Zeugenaussagen noch so widersprüchlich und belanglos sein können, und es trotzdem zu hohen Verurteilungen und Strafen kommen kann – auch Einlassungen seitens der Angeklagten haben in den seltensten Fällen einen relevanten Einfluss auf das Urteil.

Worin besteht dann die Möglichkeit „unsere“ Politik in die Gerichtssäle zu bringen? Zum einen kann eine kritische Öffentlichkeit bereits vor den Prozessen informiert und mobilisiert werden. Durch Pressearbeit oder die üblichen linken Kanäle können Informationen verbreitet oder Aktionen organisiert werden. Allein das Thema Repression auf die Tagesordnung linker Strukturen zu setzen erweist sich in allen Fällen als sinnvoll. Zum anderen können am Prozesstag selbst politische Aktionen durchgeführt werden. Als Beispiel seien hier Kundgebungen, politische Prozesserklärungen oder auch eine kritische Pressearbeit genannt. Inwiefern solche Aktionen Sinn ergeben, muss im Einzelfall und gemeinsam entschieden werden. Politische Prozessführung hat dabei keinen Nachteil für die Angeklagten. Nach unserer Einschätzung hat eine Kundgebung vor dem Gerichtssaal oder eine politische Prozesserklärung, die zu Beginn gesellschaftliche und juristische Umstände anprangert, keine relevante Auswirkung auf das Strafmaß oder besondere Vermerke zur Folge.

Viele Beispiele haben gezeigt, dass Repression die linke Szene auch stärken kann. Durch einen Prozess in Mailand dieses Jahr konnten viele politische und persönliche Kontakte aufgebaut werden; durch die Verfolgung des Sozialwissenschaftlers Andrej Holm konnte beispielsweise das Thema „Gentrifizierung“ in den gesellschaftlichen Diskurs gerückt werden. Dies zeigt uns, dass es nicht nur wichtig ist, einzelnen Genossinnen und Genossen zu helfen, sondern dass durch den Zusammenhalt wertvolle Erfahrungen gewonnen werden können. Es ist außerdem wichtig, sich vor Gericht nicht zermürben zu lassen. Ein politischer, gemeinschaftlicher Umgang mit Repression kann Betroffene sowie die ganze Szene ideell stärken.

Die Entpolitisierung von Genossinnen und Genossen ist eine der politischsten Waffen in der Prozessführung auf Seiten der staatlichen Repressionsbehörden. Aufgabe der linken Szene ist es, gegen diese Negation von politischen und moralischen Werten zu kämpfen. Die Verunsicherung, ob eine Einlassung sich lohnt und die damit verbundene Möglichkeit der Entsolidarisierung der/des Angeklagten von der Bewegung ist Teil des politischen Prozesses. Wenn mitgespielt wird, wird dem Prozess und dem Gericht Legitimation verliehen.

Unsere Erfahrungen zeigen, dass politische Prozesse nicht auf die Wahrheitsfindung und „gerechte“ Strafen zielen. Hier bewährt sich ein weiterer Klassiker: Getroffen sind wenige, gemeint sind wir alle. Vor Gericht stehen Einzelpersonen, geurteilt wird aber über die ganze politische Aktion und die mit ihr verbundene Gesinnung. Doch das Gericht ist, wie sich zeigt, nicht neutral. Es ist gegen uns.

Diese Angst über die Unfairness erfährt jede*r Angeklagte am eigenen Leib. Deshalb ist es umso wichtiger, eure Freundinnen und Freunde, aber auch alle Genossinnen und Genossen nicht allein zu lassen!

Und die Moral von der Geschichte: Make Antirepression great again!
Prozesstermine und Infos findet ihr unter: www.frankfurt.rote-hilfe.de


Getroffen hat es wenige. Prozesse in Frankfurt

80 Tagessätze für eine ­Plastikfolie?

Am 18.03.2015 soll der Angeklagte eine Plastikfolie bei sich getragen haben, die seine Augen vor Pfefferspray hätte schützen können. Von Staatsanwaltschaft und Gericht erhielt er dafür einen Strafbefehl von 80 Tagessätzen. Glücklicherweise legte er Einspruch ein. Bei der Verhandlung ließ Oberstaatsanwalt Klein ausrichten, einen solch hohen Strafbefehl würde er „heute nicht mehr machen“. Auch wenn der Richter Verständnis für die Strenge der Staatsanwaltschaft zeigte – er selber musste sich am 18.03.2015 „durch Rauchschwaden zum Gericht kämpfen“ – wollte er es nicht gewesen sein, der einen solchen Strafbefehl unterschrieb. Die Verteidigung machte klar, dass eine solche Plastikfolie allenfalls die Augen vor einem Strahl Pfefferspray schütze, das ohnehin für die Polizei in dieser Art der Anwendung nicht erlaubt sei. Die Verhandlung endete mit einer Einstellung gegen Geldauflage. Die Frage der Plastikfolie wird in den kommenden Wochen in einem anderen Fall auch das Landgericht Frankfurt beschäftigen.

14 Monate für Holzlatte

Mit einer Holzlatte soll der Angeklagte einen BFE-Bullen während der Proteste gegen die EZB-Eröffnung angegriffen haben. Drei bayerische BFE-Bullen in zivil wollten den Angeklagten an seiner blauen Jacke und einem Rucksack erkannt und ihn nach dem Vorfall mehrere Stunden lang durch die Stadt verfolgt haben. In ihren Zeugenaussagen vor Gericht verweigerten sie oft die Auskunft – aus Einsatz-taktischen Gründen, Staatsanwalt Klein unterstützte ihre Aussageverweigerung. Zivilbeamten seien sehr effektiv und gefürchtet, ihre Enttarnung lebensgefährlich. Infos zu ihrer Arbeitsweise dürften nicht öffentlich werden, da sie sonst von Hilfsorganisationen wie der Roten Hilfe genutzt würden. Obwohl sich die Bullen trotz offensichtlicher Absprachen immer wieder widersprachen, verurteilte das Schöffengericht den Angeklagten wegen schweren Landfriedensbruchs und versuchter gefährlicher Körperverletzung zu 1 Jahr und zwei Monaten auf drei Jahre Bewährung. Den Vorwurf eines weiteren Flaschenwurfs sah das Gericht dagegen nicht als erwiesen an. Die Urteilsbegründung war so hanebüchen, dass sich selbst der Vorsitzende Richter beim Verlesen sichtlich schwer tat.

Magen-Darm, Friedberger Anlage und 10 Monate auf Bewährung

Auch der letzte Prozess zum 18.03.2015 wegen des Vorwurfs des schweren Landfriedensbruchs endete mit einer Verurteilung. Wegen eines Steinwurfs auf Bullen wurde der Angeklagte wegen schwerem Landfriedensbruch, versuchter gefährlicher Körperverletzung, Widerstand und Körperverletzung zu 10 Monaten auf Bewährung verurteilt. Wie bei fast allen Angeklagten soll der Schauplatz die Friedberger Anlage gegen 9 Uhr morgens gewesen sein. Dies wollen Zivis gesehen haben, die sich, um nicht aufzufallen, am Rufen „Polizei-feindlicher Parolen“ beteiligten. Drei der aussagenden BFE-Zivis aus Berlin waren auch schon in einem anderen Fall die Hauptzeugen der Anklage. Obwohl sie in dem vorangegangenen Prozess den dortigen Angeklagten auf Schritt und Tritt und lückenlos beobachtet haben wollen, äußerten sie, auch den neuen Angeklagten und seinen Wurf genau gesehen zu haben. Das war einem von ihnen wohl auch zu viel. Er ließ sich am ersten Prozesstag entschuldigen „wegen Magen-Darm im Krankenhaus“. Blöd, dass die Anwältin des Angeklagten ihn nach dem ersten Prozesstag in Frankfurt mit den anderen Kollegen rauchend am Auto fotografieren konnte. Das Gericht fand das Schwänzen problematisch, sah die Glaubwürdigkeit der Bullen aber nicht erschüttert.

In den kommenden Wochen stehen weitere Prozesse an. Zeigt den Betroffenen, dass sie nicht allein sind und besucht die Gerichtsverhandlungen. Aktuelle Prozesstermine findet ihr auf der Webseite www.frankfurt.rote-hilfe.de.


Schmerzensgeld einfordern – Blockupy-Kessel 2013

Hergehört! Wer am 1. Juni 2013 in Frankfurt an der Blockupy-Demonstration teilnahm und kurz nach dem Start hinter dem Theater gekesselt wurde, hat womöglich Anspruch auf Schmerzensgeld!

Allerdings ist das alles nicht so einfach, wie das letzte Mal – und die Zeitnot ist größer denn je. Meldet euch also schnell bei uns, falls ihr damals gekesselt wurdet und schreibt eine Mail an: frankfurt-kessel@riseup.net [Key] oder kommt in unsere Beratung im Exzess.

Letztes Jahr konnten wir eine große Schmerzensgeld-Kampagne gegen das Polizeipräsidium Frankfurt fahren, da die Kesselung der M31-Demo am 31. März 2012 unrechtmäßig war. Aus der polizeilichen Maßnahme wurde so eine Freiheitsberaubung, die den Betroffenen bis zu 600 Euro Schmerzensgeld brachte. Dieses konnte sehr einfach mittels eines formlosen Briefes beim Polizeipräsidium eingefordert werden. Vorausgegangen waren dem sowohl ein Urteil, das dem Kessel die Rechtmäßigkeit absprach und einige erfolgreiche Klagen auf Schmerzensgeld. Zwar stellten sich die Polizei zunächst etwas quer und versuchte, alles zu verzögern. Letztlich musste sie sich aber auf erneuten anwaltlichen Druck bereit erklären, alle eingehenden Forderungen zu bearbeiten. Auf diese Weise wurde die Polizei ca. 100.000 Euro los!

Beim Blockupy-Kessel ein Jahr später wurden abermals ca. 1000 Linke über mehrere Stunden gekesselt. Anders als bei M31 fand kein Abtransport in Gefangenensammelstellen statt, sondern Polizei, gekesselte und nicht-gekesselte Demonstrantinnen verharrten stundenlang an Ort und Stelle. Gegen den Kessel wird geklagt und das Verfahren ist zur Zeit dem Bundesverfassungsgericht anhängig. Es gibt noch kein Urteil, ob der Kessel legal oder illegal war. Dementsprechend gibt es auch noch keine erfolgreiche Klagen auf Schmerzensgeld. Ärgerlicherweise ändert das nichts daran, dass ein Anspruch auf ein solches mit Ende diesen Jahres verjährt!

Solltet ihr 2013 im Kessel gewesen sein, meldet euch schnell bei uns! Wir können dann ein eventuelles weiteres Vorgehen besprechen!

frankfurt-kessel@riseup.net