Frankfurter Betongoldpreis

in der Stadt nur noch Luxus für alle (die es sich leisten können)!

In der letzten Ausgabe der Swing hatten wir einen aktuellen Überblick über die Kämpfe um ein Recht auf Stadt und die Auseinandersetzungen rund um die Mietenfrage in Frankfurt abgedruckt. Hier dokumentieren wir daran anschließend einen Text zur Verleihung des „Frankfurter Betongold-Preises“, der am 9. September von Frankfurter Stadtinitiativen auf dem Römer „verliehen“ wurde. Der Text und die anschließend abgedruckte Preisrede beschäftigen sich mit der Nassauischen Heimstätte, einem bisher unterbelichteten Akteur auf dem Immobilienmarkt – dieses Jahr im Betongold-Ranking „nur“ auf dem zweiten Platz. Der Betongold-Preis 2017 ging an die größte deutsche Wohnungsgesellschaft Vonovia (ehemals Deutsche Annington), die derzeit mit Mieter*innenverdrängung im Frankfurter Gallus-Viertel auf sich aufmerksam macht.

Luxus – Luxus – Luxus

Was die Frankfurter Wohnungspolitik angeht, fühlen wir uns häufig wie in dem Film „Und ewig grüßt das Murmeltier“ – in einer Endlos-Schleife. Außer uns selbst finden alle Beteiligten alles in Ordnung. Die kreative Stadtpolitik deutet teure und superteure Miets- und Eigentumswohnungen zu sozialer Wohnraumversorgung um. Massenhafter, neugebauter, hochpreisig verkaufter Luxus bringt mit seinem Leerstand das richtige Flair in die Stadt. Welcher anlagensuchender Investor will schon in der global city sich mit Mieter*innen befassen? Der Brexit läßt grüßen, voraussichtlich wird es also nur noch mehr Endlos-Schleifen geben.
Das „notleidende“ Kapital erfindet Betongold als Anlage und die städtische, landes-, bundes-, EU- sowie weltweite Politik die dazu nötigen Gesetze. Die Steigerungsmöglichkeiten des Luxus kennen keine Grenzen. Wo Milliardäre für Millionäre und Kapitalgesellschaften für Kapitalgesellschaften bauen – da bleibt kein Platz für 2/3 der Stadtgesellschaft, die was anderes braucht als Luxusmieten und Eigentumswohnungen. Ein paar Krumen der „Mittelstandsförderung“ simulieren sozialen Wohnungsbau. Für die halbe Stadt, die Sozialwohnungen statt Luxusquartiere braucht, hat die städtische Politik nicht mal mehr Worte.

Einige Beispiele (von unendlich vielen). Das PRAEDIUM.

Das PRAEDIUM ist ein „exklusives“ Wohnhochhaus mit Quadratmeterpreisen von 3.000 bis 8.000 Euro und ab dem 16. Obergeschoss wesentlich mehr. Der Bau steht kurz vor seiner Fertigstellung. Die Mattheußer Immobilienvertriebsgesellschaft mbH, seit 2002 in Frankfurt am Main, bietet die Wohnungen dort zum Kauf „für Selbstnutzer“ und „für Kapitalanleger aus dem In- und Ausland“ an. Auf diese Firma kommen wir gleich nochmal zu sprechen. Aber, wer hat das Praedium bauen lassen? Viele Investoren fallen uns ein. Es sind zu viele, um sie alle zu nennen.
Jedoch: Überraschung – es ist die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft „Nassauische Heimstätte“ (NH). Sie baut im Auftrage des Landes Hessen hessenweit Wohnungen. Bezahlt haben es ihre Mieter*innen, mit ständigen Mieterhöhungen. Und zusätzlich, wie alle hier, mit den abgegebenen Steuern. 2016 hat sich dadurch das Jahresergebnis der NH um 44% erhöht. Ebenfalls 2016 lehnte die NH einen beinah Mietenstopp für 5 Jahre, wie bei der städtischen Wohnungsgesellschaft ABG in Frankfurt, ab – weil sie dafür „zu sozial“ wäre. Stattdessen kann die NH 2017 mehr als 2.000 qm Büroraum im Westhafen Tower mieten, sozusagen „auf Augenhöhe“ mit der europäischen Versicherungsaufsicht (EIOPA) im gleichen Gebäude.
Im Frankfurter Stadtteil Bornheim wiederum baut die NH auf einem Grundstück, das ihr von der Stadt in Erbpacht überlassen wird, 54 Wohnungen ab 13,50 Euro pro qm Miete.
Auch sind 40 Millionen Euro noch übrig, um in Hanau ein Grundstück zu kaufen, das die NH bisher von der Stadt mittels Erbbaurecht nutzt. Billiger kann nirgendwo ein Grundstück sein. Die darauf befindlichen 98 Wohnungen – für den Mietpreis von etwa 4 Euro pro qm – sollen abgerissen werden. Damit der Abriss möglich wird, wurde der Denkmalschutz für das Laubenganghaus aufgehoben. Neu gebaut werden 153 Mietwohnungen. 80 % der Wohnungen werden dann bei 9,50 Euro pro qm beginnen. Gerade mal um die 30 Wohnungen werden – trotz Förderung (eben mit Steuermitteln) – einen Mietpreis von 6,67 Euro pro qm haben. Per Pauschale legt die NH den jetzt dort Wohnenenden den Aus- und Umzug nahe, denn sie wissen genau, dass die meisten von ihnen keine 50%ige Mieterhöhung zahlen können. (Hat irgendwer schon mal von einer 50%igen Löhnerhöhung im mittleren und Niedriglohnsektor gehört?)
Das alles nennt sich staatlich geförderte Mieter*innen-Vertreibung. Mieter*innen von NH-Wohnungen hält das nicht davon ab, schon mal Unterschriften für einen Mietenstopp zu sammeln. „Eine Stadt für Alle! – Wem gehört die Nassauische Heimstätte?“
Aber es geht alles noch teurer, noch luxuriöser, noch abgehobener. Die Mattheußer Immobilienvertriebsgesellschaft verkauft auch (wie beim PRAEDIUM) die Eigentumswohnungen im GRAND TOWER. Zur Zeit im Bau, wird dieser Turm 172 Meter hoch, wird 401 superteure Luxuswohnungen enthalten, mit 5-Sterne-Service und bis zu 19.000 Euro pro qm. „Living the high life“ bietet „Architektur für Menschen“ – die nach der Definition der gesellschaft für städtbau und projektentwicklung (gsp) natürlich „kosmopolitische Großstädter mit Anspruch an das Wohnen der Zukunft“ sind. gsp wird einen weiteren Turm bauen, einen Steinwurf vom GRAND TOWER entfernt. Dieses nächste Hochhaus heißt TOWER 90 und wird, laut Werbung,“hängende Gärten“ aufweisen. Begrünter Luxus – sowas nennt sich green capitalism. Die NH-Gruppe will in diesem Areal den noch in Planung befindlichen SPIN-TOWER (Arbeitstitel: TOWER 120) voraussichtlich 2021 als Hotel mit 416 Zimmern betreiben. Es ist die einzigartige Langeweile im Europaviertel – wo Luxus auf brachiale Weise Luxus schlägt. Dort befindet sich das PRAEDIUM wie der GRAND TOWER, und genau da soll der TOWER 90 wie der SPIN-TOWER gebaut werden. Direkt neben dem Stadtteil Gallus und der hat davon – neben unzähligen teuren und superteuren Neubauwohnungen – hauptsächlich steigende Mietpreise, überall.
Die Grund- und Bodenspekulation ist seit Jahren mit dem Wohnungsbau – deswegen „Betongold“ – zum Preistreiber geworden. Im Europaviertel ist das zusätzlich so brisant, weil dieser Grund und Boden Allgemeineigentum war – nämlich im Besitz der Bahn, also öffentliches Eigentum – und massiv privatisiert worden ist. Die Spekulationen mit dem Brexit und die Abstaubermentalität der Regierungen des Landes Hessen und Frankfurts sorgen für weitere sprunghafte Preissteigerungen.
Die Mattheußer Immobilienvertriebsgesellschaft mbH arbeitet mit der Nassauischen Heimstätte / mit GeRo Real Estate AG / Goldman / Lang&Cie./ BG / clavis international / opera one AG (Teil von Franconofurt, die das IVI räumen ließen)… zusammen. Mattheußer verkauft auch Eigentumswohnungen im Hafen Offenbach und treibt dort die Gentrifizierung voran sowie die Mietpreissteigerungen im Offenbacher Nordend, welches direkt neben dem ehemaligen Hafengelände liegt.

Preisrede – unautorisiert – der Nassauischen Heimstätte (09.09.2017)

Sehr geehrte Damen, Herren, verehrte AnlegerInnen, last but not least, liebe MieterInnen,

unsere erste Reaktion in der Geschäftsführung des Nassaischen Heimstätte, als wir hörten, dass wir zum engsten Kreis der potenziellen Preisträger des „Frankfurter Betongoldhäuschens“ gehören: tiefer Stolz. Ja, wir sind wirklich stolz darauf, zu diesem erlesenen Kreise zu gehören. Deswegen möchten wir aus der Geschäftsführung es uns auch nicht nehmen lassen, unser Projekt höchst persönlich vorzustellen. Das möchten wir nicht irgendwelchen dubiosen und gar linksextremistischen Mieterkreisen überlassen, die in aller Regel von dem schweren Handwerk des Immobilienwesens eh keine Ahnung haben.
Zu allererst: Wir sehen uns ganz in der Tradition des letzten Preisträgers von 2015, dem Kollegen Junker von der ABG, dem wir uns trotz aller Konkurrenz, die ja bekanntermaßen das Geschäft belebt, herzlich verbunden fühlen. An uns beiden, ABG und Nassauische Heimstätte, sieht man nur zu gut, was man alles aus einer in grauer Vorzeit gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft machen kann: Akteure, die dem Marktgeschehen standhalten und für die Global City Ffm im harten internationalen Wettbewerb stehen. Wir halten mit 63.000 Wohnungen in der BRD immerhin einen Rang unter den größten 10 Wohnungsbaugesellschaften – und da ist natürlich einiges dabei, wo die Verwertung durchaus problematisch ist – , und trotz dieser Problemhäuser ist mittlerweile unser Motto für den Wohnungsbau: Nie wieder Sozialwohnungsghetto. Und diese Maxime schlägt sich auch positiv in unserer Bilanz nieder: zuletzt haben wir 35 Mio. Euro Gewinn erzielt, und das als Wohnungsbauunternehmen im öffentlichen Eigentum! Dieser unser Erfolg ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass wir den Mietenstopp, auf den sich unsere Freunde von der ABG – leider – eingelassen haben oder einlassen mussten, immer strikt als rein populistische Maßnahme, als leistungs- und innovationsfeindlich zurückgewiesen haben. Mit tatkräftiger Unterstützung unserer Landesregierung und insbesondere unserer Aufsichtsratsvorsitzenden Frau Ministerin Hinz, die übrigens Mitglied der manchmal etwas unzuverlässigen Grünen Partei ist. Aber auch da hoffen wir, dass sich marktwirtschaftliche Vernunft auf die Dauer durchsetzt. Sie, insbesondere Frau Hinz selbst, ist jedenfalls auf dem besten Weg. Schon dieser klare Kurs der Nassauischen Heimstätte qualifiziert uns für den ausgeschriebenen Preis!
Werfen wir einen kurzen Rückblick in unsere Geschichte – denn sie zeigt, dass wir uns doch im Wesentlichen in unserer Geschäftspolitik treu geblieben sind. Gegründet wurde die Nassauische Heimstätte 1922 mit dem Ziel, zur Behebung des damals akuten Wohnraummangels der Frankfurter Arbeiterbevölkerung beizutragen. Gewinnen konnten wir damals niemand anderen als den bekannten Architekten und Stadtplaner Ernst May zur Realisierung unseres Programms. Heute – 2017 – tragen wir, und das wird Sie vielleicht überraschen, ebenfalls zur Bekämpfung eines drohenden Wohnraummangels bei, und zwar Wohnraummangel für die Leistungsträger unserer Gesellschaft – und auch dafür haben wir Architekten aus der Creme des Architektenstandes gewinnen können. Wie ist die Lage in Frankfurt? Schauen Sie doch nur auf den Brexit und seine Folgen, die uns ja bald auch hier treffen werden und zu krassen Formen neuer Wohnungsnot führen können. Eine ehrlich gemeinte Frage an Sie: Sollen etwa alle Banker künftig nach Bad Homburg oder Kronberg ziehen – oder etwa auf den Mainwiesen an der EZB in ihrer Not ein neues Occupy-Camp errichten, weil die Stadt nicht in der Lage ist, hier rechtzeitig Vorsorge zu treffen? Das kann nicht angehen!
Als wir von der Nassauischen Heimstätte diese gesellschaftliche Problemlage mit nicht absehbaren sozialen und menschlichen Folgen erkannt haben, haben wir uns tatkräftig an die Arbeit gemacht und die Initiative „Praedium“ gestartet. (…) Dieses Gut, konkret 242 Eigentumswohnungen, mit „Eleganz, Lebensfreude, Licht, Sonne und Grün“, „Jet-Set mit Sonnendeck“ – so unsere PR-Kreativabteilung -, wird in den nächsten Wochen ihre Tore öffnen – auch für Sie, wenn Sie denn wollen.
Werden wir etwas konkreter und fangen wir mit unserem exklusivsten Angebot im Praedium an: das Penthouse direkt unter dem Himmel Frankfurts, 350 qm, 5 Zimmer und riesige Terrassen, – das alles für 3,95 Mio. €. Für dieses Schnäppchen, nur noch wenige hat unser befreundetes Maklerunternehmen Mattheuser im Portfolio, müssen sie allerdings eine Monatsrate von 12.638,- € aufbringen, wenn sie nicht gerade die benötigten 4 Millionen zuviel in der Portokasse haben. Ich gebe zu, das ist nicht gerade billig, aber das luxuriöse Ambiente ist dafür auch wirklich überwältigend. Eine alleinerziehende Erzieherin wäre mit diesem Luxus sicher überfordert und würde sich zwischen Marmorbad und palmenumsäumtem Sonnendeck auch garnicht wohl fühlen.
Aber es gibt auch günstigere Lofts in unserem Hofgut an der Europaallee, beispielsweise eine 2-Zimmerwohnung, nur 110 qm, dennoch wie geschaffen für ein pensioniertes Oberstudiendirektoren-Pärchen oder falls der Direktor oder die Gattin verwitwet sein sollten, auch für gut situierte Singles durchaus geeignet. Kostenpunkt 770.000,- €. Die geschätzte Monatsrate läge dann bei 2.467,- €. Das hört sich doch schon recht realistisch an, sozusagen mittelstandsangemessen!
Sie sehen, wir haben im Praedium ein breit gestreutes Angebot – oder wie die FAZ schrieb: Die Praedium-Wohnungen sind „relativ gleichmäßig in allen Preissegmenten“ vertreten. Auch der frühere Stadtentwicklungsdezernent Cunitz, der Frankfurts Politik leider allzu früh verlassen hat, um selbst ins Immobiliengewerbe zu wechseln, meinte seiner Zeit, dass das Projekt Praedium eigentlich garnichts mit Luxus zu tun hätte. Nun gut, das finden selbst wir leicht untertrieben. Aber Herr Cunitz wird’s schon wissen, wovon er redet …
Aber als soziales Unternehmen hat die NH sogar für die immer wieder zitierte Erzieherin einiges im Angebot, natürlich nicht im Praedium, das sich an Interessenten für Eigentum richtet, aber vielleicht in einem unserer Neubauprojekte in Bornheim. Dort gibt‘s Mietwohnungen schon für günstige 13,50 € qm. Oder, geradezu unschlagbar, im gar nicht so fernen Hanau. Da bauen wir gerade Wohnungen für 9,50 € qm Kaltmiete, nachdem wir den alten Sozialwohnungsramsch mit Mieten von 4 € endlich abgerissen haben. Sollte ihnen auch Hanau nicht recht sein, dann kann ich Ihnen wirklich nur empfehlen, bei den Kollegen und Konkurrenten von Vonovia mal nachzufragen – die hatten vor einiger Zeit noch einige verschimmelte Dachbodenwohnungen anzubieten (ha, ha), aber, klar gesagt, niemand muss in Ffm wohnen, wenn er nicht auch bereit ist, den Gürtel etwas enger zu schnallen. Das müssen wir ja schließlich alle.
Ehe Sie sich vorschnell gegen den Erwerb von Eigentum in unserem Hofgut in der Europaallee entscheiden, wollte ich ja noch kurz die speziellen Vorzüge unseres Praediums vorstellen, das ja in harter Konkurrenz zu anderen Angeboten der Premium-Liga steht. Ich nenne nur den neuen Luxus-Pseudo-Henningerturm oberhalb von Sachsenhausen mit unverstelltem direktem Einblick von oben in die Flughafen-Landebahn oder den künftigen Wohnturm mit „hängenden Gärten“ am Güterplatz, aber ich habe den Eindruck, Ihr Interesse hält sich in Grenzen – leider. Deswegen nur Stichworte: Praedium, das heißt: „Touch the sky … für den anspruchsvollen Kosmopoliten … stylisch, zeitlos schön …“ Na gut, ich glaube, sie kennen den fantasievollen PR-Jargon unserer Kreativabteilung schon … vielleicht aus der Werbung des letzten Betongoldpreisträgers von 2015, der ABG. Dass die Nassauische Heimstätte mit Praedium und dem verhinderten Zwangsmietenstop auf jeden Fall hoch qualifiziert für den Preis „Betongoldhäuschen“ ist, das, so hoffe ich, habe ich Ihnen mit meiner Präsentation vermitteln können.