Was geht in Frankreich?

Nach einer riesigen Demonstration am 14. Juli in Paris mit großer internationaler Beteiligung und daran anschließenden Demos unter weiterer Verschärfung des Versammlungsrechts befindet sich der Widerstand auf Frankreichs Straßen derzeit im Sommermodus. Inzwischen ist die Arbeitsrechtsreform, das loi travail, durchgesetzt und in Kraft getreten. Zwar finden überall im Land weiterhin Versammlungen und Demonstrationen statt, doch sind die Teilnehmer*innenzahlen stets überschaubar. Wie stehen also die Chancen auf einen heißen Herbst in Frankreich?

Tout le monde deteste…

Die geplante Sommeruniversität der Sozialistischen Partei, die Ende August in Nantes stattfinden sollte, hätte sicherlich großen Widerstand hervorgerufen, sie wurde aber zur Enttäuschung vieler Aktivist*innen aus Angst vor den Protesten abgesagt. Bis zu den Präsidentschaftswahlen im April 2017 gelten neben der Polizei Präsident Hollande und seine PS für viele als größter Feind.
Als Auftakt nach der Sommerpause wird am 15. September ein gewerkschaftlicher Aktionstag ausgerufen, die Bewegung gegen das loi travail fordert jetzt die Rücknahme des Gesetzes, wie dies im Jahr 2006 mit dem Gesetz zur Abschaffung des Kundigungsschutzes unter dem Druck massiver Proteste gelungen war. Die Nuit debout beginnt ihre Aktivitäten in Paris bereits ab dem 31. August. Ob es aber gelingt, an die Wut und Stärke der Vormonate anzuknüpfen, bleibt abzuwarten.
Doch auch andere Orte und Konflikte haben das Potential, neue Kämpfe zu entfachen, und Polizeigewalt ist natürlich stets ein möglicher Auslöser:

… Polizeigewalt

Mitte Juli kam es etwa in Beaumont-sur-Oise, im nördlichen Einzugsgebiet von Paris, zu schweren Zusammenstößen zwischen Jugendlichen und der Polizei. Auslöser war der Tod des jungen Adama Traoré, der am 19. Juli festgenommen wurde und im Polizeigewahrsam plötzlich starb. Bullen hatten ihn bei seiner Festnahme massiv geschlagen, überall sei Blut zu sehen gewesen, berichten Zeug*innen über die Festnahme. Inzwischen steht offenbar fest, dass Adama erstickt ist. Am Tag nach dem Tod wurde ein Sit-in gegen Polizeigewalt vor dem Rathaus von Beaumont-sur-Oise von der Polizei brutal mit Schlagstöcken und Reizgas beendet. Die dann folgenden Unruhen griffen auch auf Nachbargemeinden über. Es folgten diverse in Brand gesetzte Autos, Brandanschläge auf ein Bürgermeisteramt und eine Schule.

Anti-Atom-Widerstand aktuell

Im Juli wurde außerdem der Wald von Mandres-en-Barrois gegen das geplante Atommüll-Endlager in Bure nach einer Räumung wieder besetzt. Geplant ist dort, gegen den Willen der dortigen Bevölkerung, ab 2021 eine unterirdische Deponie für hochradioaktiven Atommüll. Eine erste Besetzung von 200 Aktivist*innen wurde nach wenigen Tagen geräumt, ein Sicherheitsdienst soll nun den Bau einer 2m hohen Mauer schützen. Sie soll die Aktivist*innen von der Baustelle fernhalten. Einige Maschinen des verantwortlichen Bauunternehmers standen bereits in Flammen.

Die ZAD verteidigen!

Bei Notre-Dame-des-Landes, nicht weit von Nantes in der Bretagne – neben Paris einem der Herzen des aktuellen Widerstands, ist seit langer Zeit der Bau eines Großflughafens geplant. Die dortigen Anwohner*innen wehren sich seit 40 Jahren gegen ein wahnsinniges Riesenprojekt, das die Zerstörung einer ganzen Region zur Folge haben wird. Das offiziell als „Zone d’Aménagement Différé“ („besondere Entwicklungszone“) bezeichnete Areal heißt in der Bewegung die „Zone à défendre“, eine zu verteidigende Zone: die ZAD – ein Begriff, der von Aktivist*innen inzwischen auch für weitere Orte verwendet wird, sogar außerhalb Frankreichs. Weil wir ja derzeit viele linke Orte verteidigen müssen..
Das ZAD-Gelände, eine riesige grüne Fläche mit weitläufigen Feldern und verstreuten Höfen, wird von einem Haufen widerständiger Anwohner*innen und Aktivist*innen bewirtschaftet, bewohnt und als antikapitalistisches Gegenmodell gelebt.
Ein Referendum im Juni hat nun den Bau des Flughafens bestätigt. Für diesen Erfolg überließ die Regierung nichts dem Zufall: Im Vorfeld wurde durch Analysen genau recherchiert, wo die Umfragewerte für das Projekt die besten Chancen hatten – und dort wurde das Referendum dann durchgeführt. Mit einem geplanten Baubeginn im Herbst steht nun die Räumung des Geländes an. Frühere Versuche waren misslungen, die ZADistas fürchten aber, dass die Regierung mittels Referendum nun „demokratisch legitimiert“ räumen lässt.
Ab September finden daher auf der ZAD an allen Wochenenden Vorbereitungstreffen für Auswärtige statt, um das Gelände besser kennenzulernen, sich neue Aktionsformen auszudenken etc. „Lasst uns die ZAD verteidigen, und zwar überall, und mit ihr die ansteckende Hoffnung, die sie in dieser dürren Zeit trägt. Die ZAD als Gewissheit, dass es möglich ist, zerstörerische Projekte der vorgeblich Herrschenden zu stoppen. Die ZAD als Ort, an dem, jetzt und sofort, andere Wege die Welt zu bewohnen erfunden werden, ganzheitlich und großzügig. Diese Hoffnung ist in einer gemeinsamen Geschichte verankert, die von der Dynamik tausender Aufsässiger und ihren langjährigen Beziehungen getragen wird…“

P.S. Gäste aus dem Ausland sind auch gern gesehen.