Anti-Atom-News im Frühjahr 2019

Comeback der Atomkraft als „Klimaretter“?

In den letzten Monaten ist in der Debatte über Maßnahmen zum Klimaschutz Atomenergie als vermeintlicher Klimaretter wieder ins Spiel gebracht worden. Atomkraft deckt weltweit etwas über als zwei Prozent des Energiebedarfs. Eine solche Nischentechnik kann das Klima nicht retten. Im Gegenteil: AKW behindern den Ausbau der erneuerbaren Energien und den Umbau der Energieversorgung. Da sich Atomkraftwerke aus technischen Gründen nur sehr eingeschränkt regeln lassen, eignen sie sich auch nicht als flexible Ergänzung zu den wetterabhängigen regenerativen Energien. Betrachtet man den gesamten Prozess von Uranabbau und -anreicherung über Transport, Brennelementeherstellung bis hin zum AKW-Abriss und der Behandlung der radioaktiven Abfälle, weist Atomstrom eine schlechtere CO2-Bilanz auf als Ökostrom aus Windenergie und sogar als Strom aus kleinen Gas-Blockheizkraftwerken.
In Deutschland stehen selbst unter extrem pessimistischen Annahmen wie Dunkelheit und flächendeckender Windstille genügend nicht-atomare Kraftwerke zur Verfügung, um auch den maximalen Strombedarf jederzeit zu decken.
Soll die Erderwärmung begrenzt werden, kann dies nur durch eine Umstellung der Energieversorgung und Reduktion des Energieverbrauchs gelingen. Der Versuch jedoch, dem Klimawandel mithilfe der Atomkraft zu begegnen, hieße, ein Risiko durch ein anderes zu ersetzen. Hinzu kommt, dass es weiterhin weltweit kein einziges sicheres Lager für radioaktive Abfälle gibt. Womit wir gut zum nächsten Thema überleiten können.

Rücken Castor-Transporte nach Biblis näher?

Kurz nach der Landtagswahl kündigte die Landesregierung an, dass bald 7 der 26 letzten Castor-Behälter mit deutschen radioaktiven Abfällen aus der Wiederaufbereitung in England im Zwischenlager Biblis untergebracht werden sollen.
Die Prüfungsverfahren für die Lagerung dieser Castoren und für ihren Transport werden voraussichtlich 2019 abgeschlossen. Das Zwischenlager in Biblis hat eine Genehmigung für 135 Castoren. Derzeit sind bereits 101 aus Biblis darin gelagert. Die Genehmigung für das Zwischenlager läuft 2046 aus. Dann wird aber selbst nach den optimistischen Prognosen kein tiefengeologisches Lager („Endlager“) in Betrieb sein, eine Lösung zur sicheren Entsorgung von Atommüll gibt es weder in Deutschland noch weltweit. Daher droht, dass aus der Interimslösung eine Dauerlösung werden soll und aus den Zwischenlagern Endloslager werden.

Biblis soll der erste von drei Standorten sein, in denen je sieben Castoren aus England mit hoch radioaktiven Abfällen aus der Wiederaufbereitung zwischengelagert werden sollen. Weil der Bundestag 2013 beschlossen hat, keine weiteren radioaktiven Rückstände nach Gorleben (Niedersachsen) zu bringen, werden insgesamt 26 Castor-Behälter auf andere Zwischenlager verteilt. Wir sind gegen diesen sinnlosen Atommülltourismus – deshalb werden wir gegen diesen Transport auf die Straße gehen. Die Produktion von weiteren Atommüll muss sofort gestoppt werden. Wir wehren uns auch gegen die geplanten weiteren Transporte nach Ahaus oder in die USA!

Bure: Kriminalisierung des Widerstands geht weiter – der Widerstand auch!

Im ostfranzösischen Bure soll das nationale Atommüllendlager Frankreichs entstehen (siehe auch ältere Ausgaben der Swing). Dagegen leisten Menschen vor Ort seit vielen Jahren Widerstand. Der französische Staat versucht mit allen Mitteln, diese 25-jährige Widerstandsbewegung zu zerstören. Es gab es bereits mehr als 50 Verfahren, zuletzt fanden im Dezember Hausdurchsuchungen und Festnahmen von AtomkraftgegnerInnen statt. Hunderte Monate Bewährungsstrafen und fast zwei Jahre an Haftstrafen wurden verhängt. 26 Aufenthaltsverbote wurden ausgesprochen. Es gibt als Teil einer gerichtlichen Auflage im Rahmen einer Untersuchung zur angeblichen Bildung einer „Association de malfaiteurs“ („Assoziation von Übeltätern“ = kriminelle Vereinigung, in Deutschland §129) aktuell 7 Personen, denen verboten wird, sich zu begegnen und zu kommunizieren. Bußgeldstrafen über tausende Euro wurden verhängt. Es gab etwa zwanzig Durchsuchungen in den Départements Meuse, Isère sowie in Paris und etwa dreißig vorübergehende Festnahmen – darunter die des Anwalts Étienne Ambroselli, der am 20. Juni 2018 verhaftet wurde. Es gibt eine fest installierte Gendarmerie-Hundertschaft, die seit Sommer 2017 vor Ort Dorfbewohner*innen nervt. Täglich, seit mehr als einem Jahr, werden die Bewohner*innen von Bure (wohlemerkt ein kleines Dorf) und der Umgebung verfolgt, vermerkt, gefilmt und kontrolliert – manchmal mehrmals innerhalb weniger Stunden. Sie verfolgen ein einziges Ziel: die Überwachung und Zerstörung des Widerstandes durch polizeiliche und gerichtliche Erstickung. Die Menschen in Bure rufen überall zu mehr Solidarität auf und fordern, sich nicht in der Isolation „einknasten“ zu lassen! Derzeit reisen die Genoss*innen aus Bure quer durch Frankreich und organisieren Infoveranstaltungen, auch im ganzen Departement gibt es Versammlungen und kleinere Protestaktionen. Vom 9. bis zum 11. August wird in der Nähe von Bure das Widerstandsfestival „Les BURE‘lesques“ stattfinden. Es wird Konzerte, Veranstaltungen und kreative Aktionen geben (Internet: burefestival.org). Wir rufen zur massiven Unterstützung im Kampf gegen die Kriminalisierung des Widerstandes gegen Atommüll in Bure auf!

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