Corona und die Aktualität gleicher Rechte
Eine der ersten Forderungen antirassistischer und selbstorganisierter Bewegungen Geflüchteter waren ein sofortiger Abschiebestopp, eine Auflösung der Lager und gleiche Rechte und gleicher Zugang zu Gesundheitsversorgung für alle. Es gab dazu viele gute Erklärungen, Texte und Statements. Dennoch verhallten sie an vielen Orten. Heute fällt es uns schwer, einen Überblick zu gewinnen, wie viele Erstaufnahmen und Gemeinschaftsunterkünfte unter Quarantäne stehen, und selbst an Orten, die nicht unter Quarantäne stehen und abgeriegelt sind, protestieren immer wieder die dort lebenden Geflüchteten gegen die unter den Bedingungen und Abstandsgeboten noch absurderen Regeln und Entrechtungen. An wie vielen Orten es dagegen Widerstand gibt, überschaut wohl gerade keine/r, und so kann diese Sammlung nur einen Eindruck geben von unterschiedlichen Aktivitäten, die sich in diesen Zeiten entwickelt haben. Es wäre mehr als wünschenswert eine Plattform zu haben, auf der ein Überblick hergestellt würde, was sich wo bewegt. Denn in Zeiten, in denen wir uns weniger treffen können, ist ein Austausch dringender, denn Corona zeigt uns vor allem eins: Die Aktualität der Forderung nach gleichen Rechten für alle!
Unerträglich und unfassbar bleibt, was das Alarm Phone Anfang April im zentralen Mittelmeer erlebt und detailliert und öffentlichkeitswirksam dokumentiert hat: das erklärte Ertrinkenlassen durch Küstenwachen in Italien und Malta, und dann sogar Angriffe auf Flüchtlingsboote durch die maltesische Küstenwache. Was wir bisher in dieser Brutalität nur in der Ägäis kannten und was dort seit März auch wieder zum Alltag geworden ist – gewaltsame Push-Backs der Boote, die in der Türkei gestartet sind – soll nun auch an den Boatpeople aus Libyen demonstriert werden. In Corona-Zeiten werden europäische Häfen zu „Unsafe Harbours“ erklärt und Geflüchtete aus Folterlagern unmittelbar dem Ertrinken preisgegeben.
Für das Recht zusammen zu sein
Seit dem 18.März 2020 werden auf dem Blog von infomobile.w2eu.net Geschichten von geflüchteten Familien dokumentiert, die getrennt in Griechenland und Deutschland leben müssen, weil deutsche Behörden die Familienzusammenführung verweigern. Viele Länder des europäischen Nordens, insbesondere Deutschland, versuchen wieder Menschen nach Griechenland abzuschieben – und das trotz der anhaltenden systemischen Menschenrechtsverletzungen, die permanent dokumentiert werden. Zugleich wurden die Möglichkeiten getrennter Familien zu ihren Liebsten in Deutschland nachzureisen gnadenlos eingeschränkt und immer neue Gründe gefunden, um Anträge auf Familienzusammenführung zu blockieren und abzulehnen. Seit teils mehreren Jahren sitzen daher tausende Familienangehörige in Griechenland fest, die teils seit Jahren getrennt leben von ihren Angehörigen, unseren Nachbarn und Freundinnen und von Kindern unserer Städte.
Aktuell bringt die Bedrohung der Covid-19-Pandemie nicht nur das öffentliche Leben zum Stillstand. Griechische Flüchtlingscamps, in denen hunderte vulnerable Personen dicht gedrängt zusammenleben müssen, ohne ausreichende Grundversorgung in allen Lebensbereichen, bergen ein besonders hohes Infektionsrisiko. Drei Camps auf dem griechischen Festland, Ritsona, Malakasa und Koutsoxero, sind inzwischen unter Quarantäne (Stand: 11.4.2020). Bis aus den hoffnungslos überfüllten „Hot Spots“ auf den griechischen Inseln die ersten Corona-Infizierten gemeldet werden ist aller Voraussicht nach nur eine Frage der Zeit.
Während im April und Mai rund 80.000 Erntehelfer*innen aus Rumänien mit Charterflugzeugen auf hiesige Spargel- und Erdbeerfelder eingeflogen werden, dürfen nach zähem Ringen 50 (!) unbegleitete Minderjährige aus den EU-initiierten Katastrophen-Hotspots in Griechenland nach Deutschland einreisen.
In all diesen Camps sitzen zugleich Menschen fest, die längst in Deutschland sein könnten. Es ist höchste Zeit für eine schnelle Lösung für alle getrennten Familien mit Angehörigen hier!
MigrAntifa-Kampagne zum 8. Mai – Entnazifizierung jetzt!
Es gibt (Stand 13.4.) noch keinen überregionalen Aufruf, doch mehrere Verabredungen aus unterschiedlichen Städten, nicht zuletzt motiviert durch die Morde in Hanau und dann wieder in Celle. Geplant ist ein dezentraler Aktionstag zum Tag der Befreiung, an dem wir die konkrete Entnazifizierung fordern: bei Militär und Polizei, aber auch bei Behörden oder in Schulen. Alle Nazis raus aus den Ämtern, dem institutionellen Rassismus den Kampf ansagen. Die NSU-Akten endlich offen legen, und von frommen Reden gegen Rechtsextremismus ins konkrete Handeln kommen. Absehbar werden kaum oder keine Demonstrationsformen im öffentlichen Raum möglich sein, aber auch im digitalen Raum lassen sich Täter markieren und die Hetze denunzieren.
Ansonsten wird es den nächsten zwei Wochen sicherlich erste Aufrufe für den 8. Mai geben.