Die lauten antifaschistischen Proteste auf der Buchmesse im vergangenen Jahr gegen die rechten Akteure des Antaios-Verlags und Co. hatten bis in linksradikalen Kreisen zu Kontroversen über deren Bewertung geführt. In Folge der massiven Störung der rechten Veranstaltung von Sellner, Kubitschek und anderen kam es damals anschließend zu monatelangen Diskussionen in den bundesweiten Feuilletons, ob man mit Rechten reden solle oder nicht. Als klarer Erfolg ist zu verbuchen, dass in der notwendigen Debatte viele Beiträge schließlich die richtige Antwort fanden: Nämlich ein entschiedenes Nein! Die diesjährige Buchmesse hat nichts dergleichen ausgelöst. Das Fehlen eines organisierten Protests war besonders am Samstag offensichtlich: Viele Besucher*innen verfolgten im Foyer der Halle 4 den Sicherheitsaufwand zu Björn Höckes Besuch mit leiser Entrüstung. Einen gemeinsamen lauten Ausdruck fand die zahlreich anwesende Ablehnung des AfD-Politikers aber nicht.
Recht kurzfristig war bekannt geworden, dass Thilo Sarrazin und Björn Höcke ihre Bücher auf der Buchmesse vorstellen wollten. Beide Lesungen fanden während der Fachbesuchertage statt. Sarrazin trat zusammen mit der „Islamexpertin“ Laila Mirzo auf. Die FR schreibt später, vom Publikum gab es zu Sarrazins Geschwafel keinen Applaus. Beide wurden von einem großen Security-Aufgebot und Polizei begleitet, denn im Vorfeld hatte der Börsenverein als Veranstalter angekündigt, rechte Verlage besser kontrollieren zu wollen, um Auseinandersetzungen zwischen Rechten und dem linken Gegenprotest zu verhindern.
Für Höcke hatte die Buchmesse daher einen Konferenzraum auf der Zwischenebene in Halle 4 zur Verfügung gestellt. Eine Veranstaltung in eine der Hallen sollte vermieden werden. Über drei Stunden waren die Rolltreppen und Aufzüge zwischen Erdgeschoss und der Halle 4.1 abgestellt, eigene Bodyguards, ein beachtliches Polizeiaufgebot sowie Security der Firma GSE Protect sicherten die Zugänge zur Veranstaltung. Unbeteiligte Messebesucher*innen erhielten auf Nachfrage von den offensichtlich AfD-sympathisierenden Secus stets die gleiche Antwort: Man dürfe keine Auskunft geben, warum der Publikumsverkehr so massiv über Stunden eingeschränkt wurde. Die Messegäste wurden auf die Zugänge über andere Hallen verwiesen.
Rechte unter sich
Der Antaios-Verlag hatte sich in diesem Herbst anders als erwartet nicht auf der Messe angemeldet, war aber überraschend unter dem Namen Loci-Verlag doch präsent – durch diese Täuschung platzierte er sich inmitten der übrigen Verlage in Halle 4.1. Mit Kubitscheks öffentlicher Verkündung vom angeblichen Verkauf des Antaios-Verlags erhielt er gleich bundesweit mediale Resonanz. Die Buchmesse hatte gemäß ihres „Deeskalations“-Konzepts zwei rechte Verlage – die Junge Freiheit und den Cato-Verlag – abseits des Publikumsverkehrs untergebracht. Weitere rechte Verlage, wie etwa der Ares-Verlag oder der österreichische Stocker-Verlag, waren davon ausgenommen und damit Teil des regulären Messeprogramms. Es blieb allein die Aufgabe von einigen wenigen Antifaschist*innen, auf deren rechten Charakter hinzuweisen.
Am Loci-Stand waren Kubitschek und Co. meist unter sich, über einige Autor*innen und enge Freunde hinaus blieb der Stand allerdings schlecht besucht. Anwesend war auch der angebliche Käufer des Verlags, der Zahnarzt Thomas Veigel, er saß früher für den „Hochschulring Tübinger Studenten“ (HTS) im StuPa und war zuletzt Sprecher der AfD Ortenau. Am Stand der Jungen Freiheit war auch nicht viel los. Den Veranstaltungen, u.a. mit AfD-Kandidat Dr. Dr. Rainer Rahn und der Initiatorin der „Erklärung 2018“ Vera Lengsfeld lauschten immerhin rund 50 treue Anhänger*innen. Protest blieb aus. Die Anwesenheit von Martin Semlitsch, Benedikt Kaiser oder Caroline Sommerfeldt am Antaios-Stand reichte ebenfalls nicht, um die lokale bis überregionale Rechte zum Besuch der Buchmesse zu motivieren.
Mitarbeiter*innen der Bildungsstätte Anne Frank berichten, sie seien dennoch erleichtert gewesen über die Anwesenheit von Polizei und Security. Bei einer ihrer Veranstaltungen am Stand seien offenbar drei Personen von der Polizei weggeführt worden: Von rechts hatte man im Vorfeld zu Störungen aufgerufen.
Kein Protest ist auch keine Lösung
Bei Höckes Veranstaltung mit Tumult-Chef Frank Böckelmann, Höckes Ghostwriter Sebastian Henning und der Soziologin Bettina Gruber blieb im Publikum ein Viertel der Plätze unbesetzt. Die 70 anwesenden Gäste inkl. Presse mussten sich das übliche Gejammer über die angeblich verwehrte Meinungsfreiheit anhören, nachdem der „Autor“ zuvor der Presse Film- und Tonaufnahmen sowie Bilder verboten hatte. Und nur bei Höckes Abgang kam es draußen zu einer kurzen Auseinandersetzung zwischen zwei Demonstrantinnen und Beamt*innen der hessischen Schutzpolizei.
Wirksamer Protest gegen die Rechten blieb während der Buchmesse 2018 – bis auf den medienwirksamen Auftritt Martin Sonneborns (Die Partei), verkleidet als Hitler-Attentäter Graf Stauffenberg – aus. Ein Demo-Rave gegen rechts unter dem Motto #wirsindmehr konnte am Sonntag immerhin 5000 Teilnehmer*innen mobilisieren. Aktionen wie vor dem Haus des Buches, wo zeitgleich zu Höckes Lesung einige Aktivist*innen in weißen Anzügen Flugblätter verklebten oder eine kleine Kundgebung gegen Rechts auf dem Messevorplatz waren ebenfalls zahm und erhielten entsprechend wenig Aufmerksamkeit.
Die Leitung der Buchmesse hatte ihr Ziel erreicht.
Das Gute zuletzt: Am letzten Tag der Buchmesse vermeldete Götz Kubitschek, er sei am späten Samstagabend vor der Pizzeria dal Bianco am Affentorplatz von drei Vermummten angegriffen und verletzt worden. Ihm sei von hinten gegen den Kopf getreten worden und dieser sei daraufhin auf die Tischplatte geschlagen. Am nächsten Morgen konnte man allerdings keine Blessuren an Kubitscheks Kopf entdecken. Wir hoffen natürlich, dass seine Story nicht Teil eines weiteren PR-Gags war, wie manche vermuten. Vielmehr wünschen wir, dass Kubitschek Frankfurt zurecht als Ort antifaschistischer Offensive in schmerzhafter Erinnerung behalten wird.
Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft!