Intro Nr. 218

Trotz Corona und Lockdown liegen bewegte Monate hinter uns. Die Pandemie hatte viele Kämpfe unsichtbar gemacht. Aber mit den Lockerungen werden die Debatten um die Klimakrise, die Kämpfe um bezahlbares Wohnen, Stadt für alle, Rojava und vieles mehr wieder sichtbarer. Das freut uns und drückt sich auch in vielen kurzen Beiträgen und Dokumenta­tionen in dieser Ausgabe aus.
Beeindruckend die Bilder von den Protesten und Aufständen in den USA nach dem Tod von George Floyd. Auch in der BRD hat #BlackLivesMatter in den letzten Wochen viele Menschen auf die Straße gebracht und Betroffene von Rassismus dazu ermutigt, ihre Stimmen zu erheben.

Die Kritik an Polizei und rassistischen Strukturen in deutschen Behörden bleibt nicht ohne Widerspruch und beim Versuch, die Deutungshoheit zurückzugewinnen ist dem Staat kein propagandistisches Mittel zu schade. Klare Loyalitätsbekundungen kommen von rechtsaußen bis linksliberal zur Institution Polizei, selbst dann, wenn sie wie im Nachgang des Stuttgarter Krawalls Ermittlungen offen unter rassistischen Gesichtspunkten führt.

Zudem erfolgen in kurzer Abfolge bundesweite staatliche Angriffe auf linke Strukturen: Hausdurchsuchungen und 129a-Verfahren in Baden-Württemberg, Leipzig und in Frankfurt. Politische Urteile in Hamburg gegen unsere Freunde aus Offenbach und Loic. In Berlin massive Repressionen gegen linke Projekte im Friedrichshainer Nordkiez. Verschwörungsmythen als Dauerkundgebungen im öffentlichen Raum. Dazu wird immer klarer, dass es faschistische Netzwerke auch in der Hessischen Polizei gibt, die weiterhin unbehelligt bleiben.

In eigener Sache: Das letzte Heft haben wir in der Hochphase der Corona-Beschränkungen unter erschwerten Bedingungen zusammengestellt. Dabei ist eine verkürzte Ausgabe entstanden, die quasi eine Sondernummer zur Pandemie und dem rassistischen Attentat in Hanau war. Es sind wichtige Aktionen leider untergegangen und fanden keinen Platz im Heft. Um das Unsichtbarmachen von Kämpfen zu verhindern, sind wir darauf angewiesen, von euch Texte und Berichte über Aktionen zu bekommen. Wir freuen uns immer über Zuschriften. Gefehlt haben im letzten Heft beispielsweise die gelungene anti-militaristische Aktion in Eschborn am 4.2., die unerschütterliche Internationalistische Demo am 29.2., die offensive FLINT*-Demo am 7.3. und manches mehr.
Schreibt uns, wenn ihr gute Aktionen macht oder lasst uns einen sowieso schon geschriebenen Text zukommen. Was im Postfach liegt, können wir nicht vergessen!
Über das Vorwort in der letzten Ausgabe gab es Irritationen, als wir schrieben, man solle Corona-Tests unbedingt vermeiden. Wir taten das vor dem Hintergrund, dass in den Tagen, als wir das Heft zusammensetzten, ein Text des Capulcu-Kollektivs die Runde machte, von dem wir dachten, er würde ausreichend zirkulieren und wir müssten ihn nicht abdrucken. Capulcu erklärten im Text, es sei noch nicht klar, ob und wo die Corona-Test-Abstriche, die zuordnenbare DNA enthält, gespeichert werde und es Tendenzen gäbe, sie in einer zentralen Datei zu speichern. Dies scheint sich aber nicht durchgesetzt zu haben. Nichtsdestotrotz ist es unklar, wer, wann und wie auf die an unterschiedlichen Orten gespeicherten Datensätze zugreifen kann. DNA ist ein zentrales Instrument der Ermittlungsbehörden geworden und diese haben größtes Interesse an diesen Daten. Wir denken, als radikale Linke sollten wir eine klare Haltung dazu haben, dass „meine DNA mir gehört“ und in keiner Datenbank – warum auch immer – gespeichert werden sollte. Denn wenn es die technische Möglichkeit gibt, einen Zugriff auf einen großen Datenpool an DNA abzugreifen, werden die Schnüffler das früher oder später tun. Insofern liegt es an euch, abzuwägen und zu entscheiden, ob ihr einen Test macht und damit den Daten-Pool auffüllt bzw. das Risiko eingeht, irgendwann einer vielleicht schon längst vergessenen Aktion zugeordnet zu werden. Völlig klar ist für uns, dass es nicht um eine Bagatellisierung von Corona und der damit einhergehenden Gefahr für Menschenleben geht. Die Verantwortung an der Bekämpfung des Virus auf der einen Seite und das Problem einer Speicherung der eigenen DNA ist ein Widerspruch. Der Umgang damit ist auch eine Abwägung jede*r Einzelnen.
Ähnlich, wenn auch nicht so schneidend, stellt sich die Frage mit der Corona-App. Das Autonome Blättchen hat in der letzten Ausgabe geschrieben: „Wer eine Tracing- oder Tracking-App auf seinem Scheiß-Smartphone hat, hat in unseren Räumen nichts verloren!“. Wir verstehen das als meinungsstarken Aufruf zur Debatte in Zentren und Zusammenhängen, die wir auch im Rhein-Main-Gebiet führen sollten.

Die jüngste Klassifizierung von de.indymedia.org als „Beobachtungsfall“ durch den Verfassungsschutz zeigt übrigens einmal mehr die steigende Gefährdung von linksradikalen Medien. Indymedia ist zwischenzeitlich ohne Torbrowser nicht mehr erreichbar. Die Swing ist (bislang) zuverlässig erhältlich – analog, seit über 30 Jahren. Wir hoffen, dass dies auch lang so bleibt!

In diesem Sinne: lest, schreibt, tut – wider die herrschenden Verhältnisse.
Swing

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