Nach nunmehr fast 25 Jahren werden drei Berliner Autonome – Peter, Thomas und Bernhard – wegen der Verabredung zu einem Anschlag, der nie stattgefunden hat, noch immer mit internationalen Haftbefehlen gesucht.
Am 16.11 2019 wurde Peter Krauth in Venezuela festgenommen, weil ihm zusammen mit den anderen aus Deutschland stammenden linken Aktivisten Bernhard Heidbreder und Thomas Walter von der Bundesanwaltschaft vorgeworfen wird, der längst aufgelösten Gruppe K.O.M.I.T.E.E. angehört zu haben.
Am 27.10 1994 wurde ein Gebäude der Bundeswehr in Bad Freienwalde (Brandenburg) in Brand gesetzt und zerstört. In einer Erklärung meldete sich ein K.O.M.I.T.E.E. zu Wort und begründete die Aktion mit der Beteiligung der Bundeswehr am Krieg der Türkei gegen die PKK und die kurdische Bevölkerung. Kritisiert wurde aber auch die mangelnde Solidarität der deutschen Linken zum kurdischen Befreiungskampf.
Am 11.04 1995 versuchte das K.O.M.I.T.E.E. die Baustelle des Abschiebeknastes in Grünau bei Berlin zu sprengen. Dieser beabsichtigte Angriff zielte auf die deutsche Abschottungs- und Abschiebepolitik gegen Flüchtlinge aus aller Welt. Gegen diese rassistische Politik der deutschen Regierung gab es seit Jahren Widerstand verschiedenster politischer Gruppen, von Kirchengemeinden bis zu militantem Widerstand.
Die Aktion ging schief. Drei mutmaßlich Beteiligte konnten der Verhaftung entgehen. Sie tauchten unter. Die Gruppe löste sich einige Monate später auf. Bernhard, Thomas und Peter werden seitdem mit internationalem Haftbefehl gesucht.
Inzwischen sind fast 25 Jahre vergangen. Der Brandanschlag, die „Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung“ und die Vorbereitung der Sprengung des Abschiebeknastes sind verjährt. Allein die „Verabredung zu einem Sprengstoffverbrechen“, ermöglicht der Bundesanwaltschaft ihre Verfolgung fortzusetzen, da er eine absolute Verjährungszeit von 40 Jahren vorsieht. Damit wird die bloße „Verabredung“ länger verfolgt und höher bestraft, als die tatsächliche Vorbereitung der Sprengung. Im Juli 2014 wurde einer der gesuchten Genossen, Bernhard Heidbreder, in Venezuela festgenommen. Die von Deutschland betriebene Auslieferung wurde von venezolanischer Seite durch das zuständige Tribunal Supremo de Justicia (TSJ) mit der Begründung abgelehnt, dass die vorgeworfenen Taten in Venezuela bereits verjährt sind. Bernhard beantragte daraufhin in Venezuela politisches Asyl.
Nach zwei Jahren Haft wurde er dann freigelassen. In den folgenden Monaten tauchten auch Peter Krauth und Thomas Walter in Venezuela auf und stellten dort im Frühjahr 2017 Asylanträge. Seitdem warten die drei Genossen auf eine positive Entscheidung der Nationalen Flüchtlingskommission in Caracas zur Anerkennung als politische Flüchtlinge.
Die jetzige Verhaftung von Peter Krauth bei einer Kontrolle erfolgte, weil der Polizeicomputer den immer noch aktiven Interpol-Haftbefehl des BKA ausspuckte.
Bundesanwaltschaft und BKA können nicht ernsthaft glauben, dass Venezuela Peter ausliefern wird. Der Fall ist identisch mit der Entscheidung zu Bernhard. Zudem suspendiert der noch laufende Asylantrag ohnehin eine Auslieferung. Da der Oberste Gerichtshof Venezuelas schon 2015 beschlossen hatte, dass eine Auslieferung nach Deutschland nicht möglich ist, kommt die Aufforderung zur Festnahme in Venezuela der Anstiftung zur illegalen Freiheitsberaubung gleich. Genau dies ist jetzt mit Peter passiert.
Denn natürlich wurmt es die deutschen Verfolgungsbehörden, dass sich linke Aktivisten über zwei Jahrzehnte ihrer Fahndung und Legalität entzogen – und damit die BKA-Losung „Wir kriegen sie alle“ Lüge straften. Das von Deutschland angestrebte bürokratische Verfahren ist trotzdem Grund zur Sorge und deshalb aktiven Solidarität: wie die Erfahrungen bei Bernhard zeigen, kann dies durchaus heißen, dass Peter monate- oder sogar jahrelang im Knast festgehalten wird.
Die Aktualität der Themen, die das K.O.M.I.T.E.E. mit ihren Aktionen aufgegriffen hatte, ist deutlich und eine Möglichkeit, Zusammenhänge herzustellen: Angesichts des Krieges der Türkei gegen das demokratische Projekt in Rojava ist es nach wie vor dringend notwendig, sich gegen die politische und militärische Zusammenarbeit und Unterstützung der Türkei gegen den kurdischen Befreiungskampf zu engagieren. Angesichts der neuen Mauern und Zäune gegen Geflüchtete, mit denen sich das kapitalistische Europa abschottet und den zehntausenden Toten im Mittelmeer ist es nach wie vor dringend notwendig das reaktionäre Migrationsregime Deutschlands und der EU zu bekämpfen. Angesichts der gesellschaftlichen Rechtsentwicklung und dem mörderischen faschistischen Terror, ist es nach wie vor dringend notwendig, Antifaschismus wirksam zu machen.
Sofortige Freilassung von Peter Krauth!
Aufhebung aller Haftbefehle im K.O.M.I.T.E.E. Verfahren!
Brief von Peter aus dem Knast
Caracas, 17.12.2019
Hallo ihr Lieben,
ich sitze jetzt seit über 3 Wochen im Interpol-Knast in Caracas. Das ist eher ein Provisorium als ein Knast. Wir sitzen hier zu 11 Knackis auf 20 qm und das ohne Fenster, nur air condition. Die einzige Abwechslung sind 10 Minuten aufs Klo morgens und 15 Minuten am Nachmittag, dabei 1 oder 2 Tage ohne Wasser pro Woche (Erklärung: keine Toilettenspülung), die Zelle ein einziges Matratzenlager, das einzige Möbel eine Mikrowelle, um Essen warm zu machen. Also alles nicht einfach, dazu nur 25 Minuten Besuch pro Woche. Die meisten Mitgefangenen sind Colombianer, die nicht ausgeliefert werden, da es keine diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern gibt. Immerhin ist die Solidarität groß. Es wird geteilt, wenn einer kein Essen hat (Erklärung: Essen muss von Freund*innen oder Angehörigen in den Knast gebracht werden, wenn du niemanden hast, hast du nichts zu essen) und auch wenn es andere Probleme gibt.
Meine Aussichten sind, dass ich warten muss, bis der TSJ (Tribunal Supremo de Justicia) eine Entscheidung über meine Auslieferung trifft. Nach allem, wie die Sache aussieht, besteht kaum die Möglichkeit, dass ich ausliefert werde, aber bis sich das entscheidet, werden noch ein paar Monate ins Land gehen, laut der Erfahrung meiner Mitgefangenen 4-5 Monate bis es zum Prozess kommt. Darauf habe ich mich eingestellt.
Mein größtes Problem ist die Verdauung, die bis jetzt nicht funktionieren will, obwohl ich versuche Gymnastik zu machen und mir Obst gebracht wird. Die Hoffung ist einfach, dass es mit der Zeit besser wird.
Gut, ansonsten bin ich guter Dinge, zum einen, da ich weiß, dass die Haft nicht endlos sein wird und ein halbes Jahr eine überschaubare Zeit ist, und zum anderen, da ich weiß, dass es euch gibt, eure Solidarität und eure Unterstützung.
Liebe Grüße und eine dicke Umarmung, Peter