Wider dem reaktionären Zeitgeist!

Eine kurze und leicht polemische Kritik an dem anti-emanzipatorischen und rassistischen Artikel „Die Linke als Konsumraum“ in der aktuellen Ausgabe der SWING
von: anonym am: 03.09.2019

Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten!
– Oscar Wilde

In der aktuellen Ausgabe der SWING – Autonomes Rhein-Main-Info (Nr. 124, S. 12-14) findet sich ein Artikel, welcher vorgibt eine Kritik an Drogenkonsum in der linksradikalen Szene am Beispiel der Stadt Marburg formulieren zu wollen. Dieser Artikel wurde ursprünglich auf dem Blog „Metadiskursiv“ veröffentlicht. (https://metadiskursiv.noblogs.org/post/2019/07/13/die-linke-als-konsumraum/) Vorangegangen war dem Artikel eine Hausdurchsuchungsaktion der Polizei in mehren Ortschaften, in dessen Zuge auch ein Teil des alternativen Wohnprojektes „Bettenhaus“ in Marburg betroffen war. Beim „Bettenhaus“ handelt es sich um eines der größten selbstverwalteten linken Wohnprojekte in Hessen. (https://bettenhausmarburg.noblogs.org/) Auf die genauen Geschehnisse soll hier nicht eingegangen werden, es sollte aber klar festgehalten werden, dass das kolportierte Bild, aus dem Projekt sei ein Drogenhandelring betrieben worden völlig aus der Luft gegriffen ist. Was als – wenn auch unangenehmes – Problem hätte innerhalb des Projektes gelöst werden können, wird von Manchen nun missbraucht, um das Projekt (ob abischtlich oder nicht) zu diskreditieren und ihre eigenen puritanistischen Ansichten, die in Teilen auf rassistische Argumentationsmuster beruhen, stark zu machen.

Der Text stellt zu Beginn fest, dass es auf einen noch schlechteren auf Indymedia hochgeladenen Text beruht, der an dieser Stelle nicht zitiert wird, weil der inhaltliche Wert gegen Null geht und es am Ende gar einfach zu den vielen rechten Fake-Artikel auf Indymedia gehört. Dass sich die Autor*innen dabei als „Antifa Hessen“ ausgeben sagt bereits genug, ob sie aus der Szene stammen bleibt fraglich. Ironischerweise behauptet Text „Die Linke als Konsumraum“ der „vereinfachenden Art mit dem Thema Drogenkonsum“ umzugehen entgegen zu wirken, nur um selbst durchgehend haarsträubende Behauptungen und Pauschalisierungen aufzustellen.

Zunächst wird sich gleich auf der ersten Seite über die angeblichen gesundheitsschädlichen Risiken von Cannabis und Alkohol ausgelassen, und das alte Argument der Konservativen herangezogen, dass selbst einmaliger Drogenkonsum irreversible Schäden ausrichten würde. Was denn nun Drogen eigentlich sind wird nie geklärt. Für die Autor*innen unerwähnenswert bleiben auch die nachweisbaren medizinischen Nutzen von sogenannten Drogen wie Cannabis oder selbst LSD, sofern es in einem (kontrollierten) therapeutischen Rahmen angewandt wird. Wie bei jeder Pflanze oder synthetisch hergestellten medizinischen Produkten die wir von Ärzt*innen verschrieben bekommen, können in selteneren Fällen Menschen durchaus allergisch oder andersweitig schlimm auf das zu sich genommene reagieren. Derlei Risiken gilt es klar zu vermitteln, was Drogeninformationsprojekte wie Alice durchaus in Angriff nehmen. Eine grundsätzliche moralische Verteufelung des Konsums von therapeutischen Schmerzmitteln, aufputschender oder bewusstseinserweitender Mittel ist das Metier von monotheistischen religiösen Fundamentalist*innen und nicht einer radikalen Linken. Die Behauptung Drogenkonsum führe grundsätzlich nur zur Unterdrückung eines revolutionären Bewusstseins wird legiglich mit dem dümmlichen Argument belegt, dass sie der „Zerstreuung“ dienten. Und wer sogenannte Drogen konsumiert sei grundsätzlich unzuverlässig. Große Behauptungen, denen es an einer stichhaltigen Argumentation mangelt, und die sich daher als bloße Artikulationen von Ressentiments enttarnen lassen. Auch wird ein unpassendes Marx Zitat bedient („Opium des Volkes“) und völlig aberwitzig behauptet, Marx hätte ja nicht wisssen können das Leute irgendwann tatsächlich sogenannte Drogen in größeren Mengen konsumieren. Nochmal damit es klar ist: sie sind nicht vom Himmel gefallen, sie waren schon immer Teil menschlicher Kulturen. Entsprechend gab es auch einen massiven „Drogenkonsum“ zu Zeiten von Marx. Die im Weiteren behauptete „Negation der Zivilisation“ durch Drogenhandel offenbart dann, dass es sich im Kern der Kritik nur um eine links-angehauchte zutiefst bürgerlich-moralisierende Argumentation handelt, die sich in jedem Faltblatt der Jungen Union oder denen von evangelikalen Straßenprediger*innen auf der Frankfurter Zeil widerfinden lässt.

Auch die Argumentationskette, dass Drogenkonsum unweigerlich die zunächst nicht näher definierte, aber doch ziemlich gruselig klingende „Organisierte Kriminalität“ unterstützt strotzt vor Pauschalisierungen, meidet eine Kritik an der kapitalistischen Gesellschaftsform und bedient dann auch noch rassistische Clichés. Warum verweisen linksradikale auf das angeblich ach so wunderbare bürgerliche Recht? Seit wann sind deren Maßstäbe die eigenen Maßstände der Politik? Besser hätte es auch die AfD nicht formulieren können. Klar: wer Cocain oder Heroin käuflich erwirbt kann sich sicher sein, dass damit durchaus brutale Organisationen einen Teil ihres Geldes verdienen. Geld mit dem sie sich wiederum Waffen aus führenden Ländern in der Waffenproduktion wie den USA oder Deutschland kaufen um ihre Macht auszubauen, sofern mit „Organisierter Kriminalität“ Mafiöse-Strukturen wie z.B. in Italien gemeint sind oder Drogenkartelle, in Mittel- und Südamerika, die Clichés die man halt aus dem Fernsehen so kennt. Speed, Ecstasy usw. kann von jedem mit Zugang zu den notwendigen chemischen Wissen und Mitteln hergestellt werden, Cannabis kann ohne große Hürden auch selbst angebaut werden. Wer meint, dass die Mehrzahl der Drogenkonsument*innen in Frankfurt ihre Konsumprodukte auf einer verdreckten Toilette oder in einem der wenigen noch zugänglichen und nicht videoüberwachten Hinterhöfen im Bahnhofsviertel von Tagelöhnern kaufen, glaubt den Märchen der Polizei und Stadtverwaltung, denen diese Erzählung nur als Tarnung dient um Arme und durchaus hilfsbedürftige Menschen, sowie aus rassistischen Gründen vor allem gegen Menschen mit dunkleren Hautfarben (rassistisches Stichwort „Nafri“) und Obdachlose Sinti und Roma, vorzugehen. Ziel der „Säuberung“ ist nichts anderes als die Verwertbarmachung des bisher eher günstigen Wohnraums in zentraler Lage, ein Prozess den jeder Mensch sehen und spüren kann der z.B. durch die Kaiserstraße läuft und die Vielzahl der in den letzten Jahren sanierten und teuer weitervermieteten Wohnhäuser, hippen neuen Lokalen, Büros und Veranstaltungsräumen warhnimmt. Aber für die Autor*innen ist das Problem darin zu sehen, dass die nebulöse „Organisierte Kriminalität“ vor allem zu Verbindungen zwischen „Neonazis, Rockerbanden und arabischen Faschisten“ führt. Eine weitere Behauptung die ohne jeglichen Beweis einfach mal so in den Raum gestellt wird. Dabei fehlen darf natürlich auch nicht die Nahestellung, wer sogenannte Drogen kaufe unterstütze auch dadurch zwangsläufig Zwangsprostitution und Krieg. Wem das nicht Angst genug macht hört dann noch Schauermärchen von bösen „Clankriminellen“ wie dem „Remo-Clan in Berlin“, welche Mieter*innen in der Hauptstadt vermeintlich in Angst und Schrecken versetzen würde, noch später hört man dass selbst Connewitz nicht mehr sicher ist. Und nun auch noch das beschauliche Marburg? Sogar Rödelheim? ARMES DEUTSCHLAND, DANKE MERKEL (!!1!) will man uns wohl damit sagen. Das man ein von bürgerlichen und extrem rechten Reaktionären in Medien und Parteien aufgebauschtes rassistisches Ammenmärchen von der Übermacht fieser „krimineller Ausländer“ in Großstädten übernimmt ist ein fatales Zeichen für sich antirassistisch dünkende Menschen, wenn sie dann noch als „linke Kritik“ an patriarchalen Strukturen zu tarnen versucht wird ist es eine Pervertierung feministischer Politiken, wie man sie aus bürgerlichen Traditionen nur zu gut kennt.

So kann wirklich nur gehofft werden, dass es sich bei den Urheber*innen des Textes nur – wie selbst behauptet – um „Einzelpersonen“ aus der linken Szene in Marburg handelt, sie doch nur frei erfunden sind oder gar Neonazis oder der Verfassungsschutz versuchen zwietracht zu säen. Würde ein derart simplistischer, begriffsloser und rassistischer politischer Umgang mit sogenannten Drogen in der linksradikalen Szene vorherrschen, so wäre es mit der Vision einer emanzipatorischen Gesellschaft am Ende.

Eine differenzierte und selbstreflektierende Betrachtung und Haltung zu sogenannten Drogen ist durchaus ein wichtiges Thema. Die pseudoradikalen und abenteuerhaften Ausführungen des vorliegenden Artikels erweisen jeder Diskussion darüber hingegen einen Bärendienst. Wer meint die Welt würde sich automatisch zum positiven Verändern wenn keine sogenannten Drogen konsumiert werden würden träumt. Das Problem heißt immernoch Kapitalismus, eine moralisierende Kritik an einzelnen Symptomen dient niemanden, höchstens eigenen Überheblichkeitsgefühlen und neoliberalem Gesundheitswahn.

Es ist auch nochmal wichtig festzuhalten, dass eine Kritik an den Genoss*innen der Redaktion der SWING notwendig und eine Selbstreflektion und Entschuldigung für die Auswahl und den Abdruck des Artikels angebracht ist. Nicht nur, dass hier drei Seiten in dem größten autonomen Nachrichten- und Diskussionsheft in Hessen mit der Beteiligung an den Hetzkampagnen von bürgerlichen Parteien und Medien gegen selbstverwaltete Strukturen und dem rassistischen Mythos der angeblichen Beherrschung von Großstädten durch „Türkisch-Arabische Clans“ verunstaltet werden, die Redaktion scheint diese Meinung sogar aktiv zu unterstützen. Denn auf Seite 13 findet sich eine redaktionelle Anmerkung („oder in Rödelheim“) die sich nur als Behauptung verstehen lässt, dass sogenannte „Clankriminelle“ den Wohnungsmarkt im Frankfurter Stadtteil auf brutale Art und Weise beherrschen würden, finanziert durch die Drogeneinkäufe von unverantwortlichen linksradikalen Drogenhedonist*innen, die Sonntags zu verkatert sind um auf eine Demo zu gehen, welche dieses Mal ganz bestimmt den nächsten revolutionären Umschwung heraufbeschwören wird. Waren die Autor*innen jemals in Rödelheim? Wie kommt man zu solch wilden, unbelegten Behauptungen? Hat euch das der*die deutsche Michel*Michaela von Nebenan gesagt, der*die sich auch sonst darüber sorgen macht, dass der Stadtteil „zu migrantisch“ wird und Apfelweinkneipen bald zu Shisha-Bars umgewandelt werden?

Auch wenn „organisierte Kriminelle“ teilweise im Wohnungsmarkt operieren, so sind die wirklichen Probleme und Kriminellen die Privatinvestor*innen und große Wohnungskonzerne mit ihrem Heer an Anwälten und eine Stadtpolitik die dem Handel mit Wohnraum als profitmaximierende Investition in Frankfurt in keinster Weise einhalt gebietet durch die Möglichkeiten des sozialen Ausgleichs die von ihnen jederzeit genutzt werden könnten (werden sie nur nicht, weil die Stadt Frankfurt selbst durch die steigenden Mietpreise ihren Finanzhaushalt auffüllt). Wie ihr selbst festhaltet in der Chronik ist es die städtische Wohnbaugesellschaft ABG, die mit 89 Zwangsräumungen fast 20% der gesamten Zwangsräumungen in der Stadt in der ersten Hälfte des Jahres durchführen lies. Geschweige denn mit welcher Brutalität sie gegen die gesamten Familien von Menschen vorgegangen sind, die mit Drogen gehandelt haben sollen, und mit welch völliger selbstverständlichkeit sie diese – selbst wenn sie Kinder haben die auf ein Rollstuhl angewiesen sind – ohne weitere Betreuung oder Perspektive einfach auf die Straße geworfen haben, nur um ein Abschreckungsszenario gegen ach so schlimme „Kriminelle“ zu schaffen. (https://www.hessenschau.de/gesellschaft/kampf-gegen-drogenhandel—abg-s…) Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften fragen völlig selbstverständlich nach rassistischen Kriterien bei Selbstauskünften auf ihren Formularen, um ihre Mieter*innen entsprechend auswählen (oder viel mehr abweisen) und zuteilen zu können. (https://www.fr.de/frankfurt/wohnen-in-frankfurt-sti903943/linke-wirft-wo…) Wie kommt man denn angesichts dessen dazu, beiläufig einen so dummen wie unnötigen Kommentar einzubauen, der auch noch die übelsten deutschen Rassismen vom „bösen kriminellen Ausländer“ bedient?

Bisher kennt man es nur als Witz, die SWING als eine Art „Bild-Zeitung“ der linksradikalen Szene im Rhein-Main-Gebiet und darüber hinaus zu bezeichnen. Es wäre traurig, wenn das Heft tatsächlich nochmal auf dem Niveau der Springer-Presse arbeiten sollte. Denn die aktuelle Ausgabe der SWING ist abgesehen von diesem beschämenden Arikel mal wieder gefüllt mit spannenden und wichtigen Berichten und Diskussionen zu politischen Themen und Aktionen der vergangenen Monate und stellt auch sonst einen unverzichtbaren Teil der linksradikalen Szene dar, vor allem in Zeiten in denen uns linkradikale Internetmedien wie Linksunten vom Staat weggenommen werden.

Antwort auf die Kritik “Wider dem reaktionären Zeitgeist!” zu unserem Diskussionsbeitrag “Linke Konsumräume”

Getroffene Hunde bellen

– mein Opa nach dem 5. Glas Bier!

Da unser Diskussionsbeitrag “Die Linke als Konsumraum” scheinbar in der SWING (Autonome Zeitschrift Rhein-Main) veröffentlicht wurde, hat sich eine anonyme Person auf Indymedia dazu genötig gesehen, jenen auf eine herablassende Art zu kommentieren, weswegen wir uns eine Richtigstellung der vorgenommenen Behauptungen an dieser Stelle nicht nehmen lassen wollen.

Unser Ziel ist es einen innerlinken Diskurs zu fördern, statt polemisch aufeinader einzuschlagen und sich gegenseitig abgedroschene Argumente an den Kopf zu werfen. Aus dieser Perspektive finden wir es schade, dass Kritik an unserer Position nicht sachlich und direkt an uns gerichtet vorgetragen wird.

Wir zitieren nachfolgend kursiv aus dem entsprechenden Beitrag und in normaler Schrift aus unserem ursprünglichen Text.

“[…] dass das kolportierte Bild, aus dem Projekt sei ein Drogenhandelring betrieben worden völlig aus der Luft gegriffen ist. Was als – wenn auch unangenehmes – Problem hätte innerhalb des Projektes gelöst werden können, wird von Manchen nun missbraucht, um das Projekt (ob abischtlich oder nicht) zu diskreditieren […].”

Schon zu Anfang des Beitrages wurde unmissverständlich klar gemacht, dass gerade die fehlende Diskussion problematisch für uns erscheint und daher keine genauen Angaben darüber gemacht werden können: “inwieweit die festgenommenen Personen wirklich in organisierte kriminelle Strukturen verwickelt waren, ebenso wie die internen Diskussionen im “Bettenhaus” genau aussehen. Unser Ziel ist daher nicht die Denunziation von einzelnen Beteiligten oder des Bettenhauses, sondern die Problematisierung von Drogenkonsum und organisierter Kriminalität im Allgemeinen.”

“Zunächst wird sich gleich auf der ersten Seite über die angeblichen gesundheitsschädlichen Risiken von Cannabis und Alkohol ausgelassen, und das alte Argument der Konservativen herangezogen, dass selbst einmaliger Drogenkonsum irreversible Schäden ausrichten würde. Was denn nun Drogen eigentlich sind wird nie geklärt.”

Wer ernsthaft der Meinung ist, dass Drogen “bei regelmäßigem Konsum” keine Schädigungen hervorrufen, der spricht vielleicht von der medikamentösen Einnahme von Cannabis. Das Wort “Drogen” näher zu definieren halten wir im Kontext der Diskussion für unnötig, da alle nachfolgenden Ausführungen, die sich nicht im allgemeinen auf Rauschmittel beziehen, entsprechend spezifiziert wurden. Zum Beispiel an der Stelle, als folgerichtigt von uns behauptet wurde, dass selbst ein einmaliger Konsum eine Schädigung hervorrufen kann, dieser Passus bezog sich nämlich rein auf chemische Partydrogen, inwiefern das ein typisches Argumentationsmuster von Konservativen oder Neoliberalen sein soll, bleibt uns unverständlich, da eine “substanzinduzierte Psychose” ein gebräuchlicher medizinischer Fachbegriff ist, den es nicht ohne Grund zu geben scheint. Für weitere Informationen fragen Sie bitte ihren Arzt oder Apotheker. Den medizinischen Nutzen von Cannabis zu thematisieren wäre durchaus richtig, hat thematisch aber nichts mehr mit dem Thema Drogenkonsum zu tun und wurde daher aus Platzgründen ausgespart.

“Die Behauptung Drogenkonsum führe grundsätzlich nur zur Unterdrückung eines revolutionären Bewusstseins wird legiglich mit dem dümmlichen Argument belegt, dass sie der “Zerstreuung” dienten. Und wer sogenannte Drogen konsumiert sei grundsätzlich unzuverlässig.”

Inwiefern das aus dem ursprünglichen Beitrag herauszulesen ist, bleibt uns völlig schleierhaft. Behauptet wurde lediglich, dass Drogenkonsum kein emanzipativer, sondern individueller Akt ist. Das Wort “Zerstreuung” wurde sogar im positiven Kontext gebraucht und die negativen Auswirkungen, auf die Fähigkeiten das eigene Leben zu gestalten, wurden mit einer DrogenSUCHT verknüpft, die klar von unregelmäßigem Konsum abgegrenzt wurde.
Da unser Vorhaben eine metapolitische Komponente hat, also über möglichst gute Informationen das Verhalten und die Denkweisen von Einzelnen zu bereichern sucht, sehen wir es im Kontext als angebracht an, vor den negativen Auswirkungen von DrogenSUCHT zu warnen, da jene, im Vergleich zu den positiven Aspekten des Gelegenheitskonsums, nicht selbst erfahren werden kann bzw. sollte. Trotzalledem haben wir das individuelle Recht auf Konsum betont und eine Legalisierung von bisher illegalen Drogen gefordert.

“[…] Marx hätte ja nicht wisssen können das Leute irgendwann tatsächlich sogenannte Drogen in größeren Mengen konsumieren. Nochmal damit es klar ist: sie sind nicht vom Himmel gefallen, sie waren schon immer Teil menschlicher Kulturen. Entsprechend gab es auch einen massiven “Drogenkonsum” zu Zeiten von Marx.”

Dass Drogen schon immer ihren Platz in den verschiedenen menschlichen Kulturen hatten, ist sicher richtig. Dennoch hat sich der Drogenkonsum weltweit vor allem durch die Verfügbarkeit stark erhöht [Weltdrogenbericht 2018]. Diese Verfügbarkeit wird heute vor allem durch die Organisierte Kriminalität (OK) gewährleistet, während zu Lebzeiten von Marx Medikamentenmissbrauch und Alkoholismus vorherrschend waren.

“Speed, Ecstasy usw. kann von jedem mit Zugang zu den notwendigen chemischen Wissen und Mitteln hergestellt werden, Cannabis kann ohne große Hürden auch selbst angebaut werden. Wer meint, dass die Mehrzahl der Drogenkonsument*innen in Frankfurt ihre Konsumprodukte auf einer verdreckten Toilette oder in einem der wenigen noch zugänglichen und nicht videoüberwachten Hinterhöfen im Bahnhofsviertel von Tagelöhnern kaufen, glaubt den Märchen der Polizei und Stadtverwaltung, denen diese Erzählung nur als Tarnung dient um Arme und durchaus hilfsbedürftige Menschen, sowie aus rassistischen Gründen vor allem gegen Menschen mit dunkleren Hautfarben (rassistisches Stichwort “Nafri”) und Obdachlose Sinti und Roma, vorzugehen.”

Ein eigener Anbau erscheint im Fall von Cannabis eventuell noch glaubwürdig, bei allen anderen illegalen Drogen eher als an den Haaren herbeigezogen. Mal ehrlich: Wer ernsthaft der Meinung ist, dass der Großteil des hergestellten Speeds in Deutschland nicht aus Strukturen der OK stammt, sondern von Hinz und Kunz in der eigenen Küche zusammengebraut wird, der will zwanghaft die Augen vor der Realität verschließen. Nur weil Stadt und Polizei in Frankfurt eine ähnliche Argumentation missbrauchen, um gegen Arme und Geflüchtete vorzugehen, bedeutet dies nicht, dass Strukturen der OK nicht existieren. Darüber hinaus sind Hells Angels & Co. doch auch im Frankfurter Bahnhofsviertel sichtbar präsent. Zusätzlich sollte der Umstand, dass eben nicht mehr nur auf Bahnhofsklos gedealt wird, Anreiz dafür sein, sich darüber Gedanken zu machen, wie tief Drogenhandel und die zugehörigen bandenmäßig organisierten Strukturen bereits in die Mehrheitsgesellschaft eingesickert sind.

“Aber für die Autor*innen ist das Problem darin zu sehen, dass die nebulöse “Organisierte Kriminalität” vor allem zu Verbindungen zwischen “Neonazis, Rockerbanden und arabischen Faschisten” führt. Eine weitere Behauptung die ohne jeglichen Beweis einfach mal so in den Raum gestellt wird. Wem das nicht Angst genug macht hört dann noch Schauermärchen von bösen “Clankriminellen” wie dem “Remo-Clan in Berlin”, welche Mieter*innen in der Hauptstadt vermeintlich in Angst und Schrecken versetzen würde, noch später hört man dass selbst Connewitz nicht mehr sicher ist. Und nun auch noch das beschauliche Marburg? Sogar Rödelheim? ARMES DEUTSCHLAND, DANKE MERKEL (!!1!) will man uns wohl damit sagen. Das man ein von bürgerlichen und extrem rechten Reaktionären in Medien und Parteien aufgebauschtes rassistisches Ammenmärchen von der Übermacht fieser “krimineller Ausländer” in Großstädten übernimmt ist ein fatales Zeichen für sich antirassistisch dünkende Menschen, wenn sie dann noch als “linke Kritik” an patriarchalen Strukturen zu tarnen versucht wird ist es eine Pervertierung feministischer Politiken, wie man sie aus bürgerlichen Traditionen nur zu gut kennt.”

Ein Beleg wurde an dieser Stelle sehr wohl mitgeliefert, wobei darauf geachtet wurde, dass er eine Verbindung zwischen “deutschen” Rockern und Faschisten aufzeigt, um darauf hinzuweisen, dass die Probleme nicht durch “Ausländer importiert” sind, wie in rechten Kreisen oft behauptet wird. Die beschriebenen Verbindungen sind für uns übrigens nur das “i-Tüpfelchen” und nicht das primäre Problem an der OK. Dass Connewitz nicht mehr sicher ist, wurde nie behauptet, sondern das genaue Gegenteil. Ebenso wurde nie darüber geschrieben, dass “Ausländer” Großstädte übernehmen. Diese Art der Interpretation zeugt mehr von der Gewöhnung an populistisches Geschwätz, wie es leider auch innerhalb der Linken an der Tagesordnung ist, als von einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem von uns veröffentlichten Text. Gerade aufgrund der Abwehrmechanismen sehen wir es als dringend notwendig an, einem Thema Aufmerksamkeit zu schenken, welches in der Linken, gegenüber anderen Themen deutlich unterrepräsentiert ist. Ein Grund dafür ist, dass die OK (in der Statistik wurden nur Großfamilien mit nicht-deutscher Herkunft erfasst, wir lehnen die Bezeichnung “Clankriminalität” aber ab, da es sich hierbei um ein Wort handelt, welches das Problem der OK auf familiäre Strukturen reduziert) alleine in Nordrhein-Westfalen mittlerweile etwa einen halb so großen Umfang wie alle rechtsextremistischen Straftaten im ganzen Bundesgebiet umfasst [Rechtsextreme Straftaten 1. Halbjahr 2019]. Zwischen 2016 und 2018 registrierte die Polizei in NRW mehr als 14.225 Straftaten mit rund 6449 tatverdächtigen Clanmitgliedern. Unter den 14.225 Straftaten waren 26 Tötungsdelikte oder versuchte Tötungsdelikte, 5600 Gewaltdelikte, 2600 Betrugsfälle, 2600 Eigentumsdelikte und 1000 Drogendelikte. Von Sommer 2018 bis Januar 2019 kam es zu über 100 Festnahmen [Straftaten in NRW]. Was das mit einem “Ammenmärchen” oder “Pervertierung feministischer Politiken” zutun hat, kann man ja mal versuchen den (Zwangs)prostituierten im Frankfurter Bahnhofsviertel zu erzählen. Vielmehr führt die Überstrapatzierung von Rassismus-Vorwürfen zur Entleerung des Begriffes, was sicher nicht im Sinne der wirklich Betroffenen sein kann und an dieser Stelle aufgrund der durchaus differenzierten Argumentation, welche an keiner Stelle die Herkunft oder Hautfarbe von Kriminellen thematisiert, völlig fehl am Platz ist.
“Wer meint die Welt würde sich automatisch zum positiven Verändern wenn keine sogenannten Drogen konsumiert werden würden träumt. Das Problem heißt immernoch Kapitalismus, eine moralisierende Kritik an einzelnen Symptomen dient niemanden, höchstens eigenen Überheblichkeitsgefühlen und neoliberalem Gesundheitswahn.”
Der mehrfach wiederholte Versuch, legitime Argumente mit dem Verweis auf deren “Bürgerlichkeit” zu diskreditieren, zeugt von völliger Verweigerung dem Inhalt gegenüber. Ein Argument ist nicht deswegen richtig oder falsch, weil es bestimmte Personen benutzen. Genauso ist es ein typisch linkes und dennoch ermüdendes Totschlagargument darauf zu verweisen, dass nur durch die Aufhebung des Kapitalismus alles gut werden würde und alle anderen gesellschaftlichen Veränderungen zum Scheitern veruteilt sind. Würde der/die Autor/in dieses Argument wirklich ernst nehmen, hätte der anfängliche Absatz zur Wohnungspolitk ausgespart bleiben können, denn auch linkes Engagement im Bereich des Wohnungsmarktes wäre dann zum Scheitern veruteilt. Weder wird mit einem geringeren Drogenkonsum die Welt sofort eine bessere, noch ist es wahr, dass ein anderer Umgang mit dem eigenen Konsum keinerlei Wirkung erzielen kann. Dass wir lieber eine bürgerliche Welt ohne autoritär-patriarchale Schattenseiten möchten, macht uns nicht zu schlechteren Linken, sondern zu den größeren Realist*innen. Dementsprechend halten wir die Forderungen gegenüber der SWING und die gefährliche Beleidigung gegenüber unserer Argumentation als “reaktionär” für völlig verfehlt.
“Auch wenn “organisierte Kriminelle” teilweise im Wohnungsmarkt operieren, so sind die wirklichen Probleme und Kriminellen die Privatinvestor*innen und große Wohnungskonzerne mit ihrem Heer an Anwälten und eine Stadtpolitik die dem Handel mit Wohnraum als profitmaximierende Investition in Frankfurt in keinster Weise einhalt gebietet […].”

Obwohl die abschließenden Auslassungen zum Frankfurter Wohnungsmarkt durchaus interessant sind, finden wir es bedenklich, dass hier Privatinvestor*innen auf eine Stufe mit Schwerkriminellen gestellt werden. Gerade diese verkürzte Kapitalismuskritik hätten wir nicht erwartet, wo vorher doch selbst bei einem Phänomen, was zumindest rechtlich außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft steht, ein zu geringer Fokus auf innerkapitalistische Dynamiken bemängelt wurde.

“[…] selbst wenn sie Kinder haben die auf ein Rollstuhl angewiesen sind – ohne weitere Betreuung oder Perspektive einfach auf die Straße geworfen haben, nur um ein Abschreckungsszenario gegen ach so schlimme “Kriminelle” zu schaffen. Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften fragen völlig selbstverständlich nach rassistischen Kriterien bei Selbstauskünften auf ihren Formularen, um ihre Mieter*innen entsprechend auswählen (oder viel mehr abweisen) und zuteilen zu können.”

Sollte diese Praxis in Frankfurt tatsächlich so stattfinden, dann können wir nur unsere tiefste Abneigung ihr gegenüber ausdrücken. Solcherlei Forderungen wie eine “Abschreckung” durch die Polizei wurden in unserem Beitrag nie gestellt und sind auch nicht in unserem Sinne. Als linkes Projekt wollen wir uns für eigene Problemlösungen einsetzen, die auf rassitische Stereotype verzichten und nur in Ausnahmen und Ermangelung an Alternativen Forderungen an den Staat stellen. Gleichzeitig wollen wir aber auch nicht auf die positive Verkehrung der Stereotype hereinfallen.

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