Gedanken zur Selbstverteidigung gegen faschistische Angriffe
Der verantwortliche Täter für eine Serie von Brandanschlägen auf linke Strukturen im Rhein-Main Gebiet, Joachim Scholz ist Anfang Dezember inhaftiert worden. Dem vorausgegangen ist vermutlich eine über zwei Monate dauernde Observation durch die Bullen. Während der Observation beging Joachim Scholz 19 weitere Brandstiftungen, allerdings völlig wahllos: Linke Strukturen waren nicht mehr betroffen.
Die Motivation von Joachim Scholz ist nach wie vor unklar und lässt viel Raum für Spekulationen. Klar dürfte sein, dass ein nicht unerheblicher Hass auf Linke und auf Frauen besteht. Sein Zwang, „Feuer zu legen“ führte irgendwann auch dazu, in seiner Zielauswahl völlig wahllos zu werden. Oder – was innigst zu hoffen wäre – ein antifaschistischer Hausbesuch hat ihn bei der Zielauswahl vorsichtiger werden lassen.
So unvorhersehbar die Zielauswahl der Feuer von Joachim Scholz gegen Ende war, so vorhersehbar war die Reaktion des deutschen Staates in Form von Staatsanwaltschaft und Bullen. Bereits im Dezember 2018 letzten Jahres wurde Scholz durch engagierte Menschen nach seinem Brandanschlag auf die Metzgerstraße in Hanau gestellt. Einige Monate später wurde er erneut auf frischer Tat von engagierten Menschen festgehalten, als er am Frauenwohnprojekt „LilaLuftschloss“ einen Brand legte.
Während aktuell in Leipzig Menschen innerhalb von Tagen dafür verurteilt werden, dass sie einem Staatsdiener ein Bein gestellt haben, geschah im Fall von Joachim Scholz erstmal vor allem eines, nämlich gar nix. Trotz der massiven Gefährdung von Menschenleben waren ernsthafte Ermittlungsbemühen der Behörden kaum erkennbar. Für U-Haft seien keine ausreichenden Gründe vorhanden, wurde steif und fest behauptet. Erst als Scholz immer zwanghafter und wahlloser in Bornheim und Seckbach an allen möglichen Orten Feuer legte, reagierten die Bullen mit Überwachung und anschließender Festnahme.
Umso erstaunlicher und erschreckender die Reaktionen der regionalen linken Szene. Da zieht ein mit Adresse bekannter Brandstifter umher und bedroht die eigene körperliche Unversehrtheit oder die von Freund_innen und Genoss_innen – und die hauptsächliche Reaktion ist, abgesehen von guter Antifa Recherchearbeit und einer direkten antifaschistischen Aktion, Lähmung und der Ruf nach dem Staat und seinen Helfer_innen. Dass die hervorragende Pressearbeit der betroffenen Projekte auf wenig Interesse in der Öffentlichkeit stieß, ist sicher aktuellen politischen Verhältnissen geschuldet und dass die betroffenen Projekte versucht haben, Druck auf die Behörden aufzubauen, war sicher eine sinnvolle politische Strategie.
Erschreckend aber, dass es darüber hinaus kaum Diskussionen und Ideen gab, wie anders mit der Situation umzugehen sei: Kaum Diskussionen über einen effektiven Schutz der eigenen Projekte (außer in der „Akutphase“) und kaum Diskussionen über den Umgang mit dem Täter. Stattdessen schien bei vielen ein fest verankerter Glaube vorhanden, die Behörden würden es schon irgendwann richten und den Täter einsperren und damit die Gefahr bannen. Woher kommt der Irrglaube, der deutsche Staat würde uns und linke Strukturen vor Nazis und Faschisten schützen?
Die Zusammenarbeit von Bullen, Nazis und Soldaten. Falsche Ermittlungen, ständiges wegschauen bei rechten Straftaten und deren Verharmlosung, massive Repression gegen linke Strukturen, ständige Kriminalisierung von Geflüchteten und Migrant_innen. Zu all diesen Stichworten ließen sich unendlich viele Beispiele finden.
Sind es die unbewusst vorhandenen, eigenen Erfahrungswerte des oftmals bürgerlichen Hintergrundes? Die damit einhergehende Erfahrung, dieser Staat wird die eigene Klasse und den eigenen Besitz schon schützen? O der ist es die Angst davor, selbst zu handeln und eventuell Grenzen überschreiten zu müssen?
In einer Zeit, in welcher der Staat zunehmend autoritärer handelt und eine rechte Bewegung sich im Aufwind befindet, ist diese Lähmung fatal und auch nicht nötig. Wir haben die Skills, die Erfahrung und die Mittel, um uns selbst zu schützen und zur Wehr zu setzen, unabhängig davon, für welche Strategie wir uns auf Grundlage von Diskussionen und Auseinandersetzung entscheiden.
Die Feuer, welche Joachim Scholz legte, waren dilettantisch (und trotzdem hochgefährlich). Dass er mehrmals erwischt wurde, lag an seiner unklugen Vorgehensweise.
Was würde passieren, wenn eine junge engagierte Nazigruppe losziehen würde, um unsere Strukturen mit Feuer anzugreifen? Was, wenn eine solche Gruppe kluger agierte, brutaler wäre und bereit wäre zu töten …?!
Auch wenn wir in der Region das Glück haben, dass militante Nazistrukturen nur in geringem Umfang vorhanden sind, ist dies ein durchaus vorstellbares Szenario.
Sollten unsere Reaktionen ähnlich ausfallen wie im Fall von Joachim Scholz, wären die Folgen fatal und die Täter_innen hätten leichtes Spiel.
Wir können es uns diese Lethargie und diesen Irrglauben an den deutschen Staat nicht erlauben.
Auch wenn Joachim Scholz nun in Haft ist und einige Menschen deshalb hoffentlich wieder besser schlafen können, ist dies ein Aufruf zur Reflexion und Diskussion. Denn die Gefahr ist nicht gebannt und Bullen und Staatsanwaltschaft werden es auch beim nächsten Mal nicht richten: das müssen wir schon selber machen.
Einige autonome Antifas