Wir möchten den Vorschlag aufgreifen, die Aktion in der Falkstraße (Feuer gegen ein Siemensfahrzeug) als Anlass zu nutzen, um über Kriterien und Vorgehensweisen bei militanten Aktionen zu diskutieren. Uns scheint diese Diskussion vor dem Hintergrund einer wachsenden Zahl an Angriffen auf Infrastruktur und Material im Rhein-Main-Gebiet überfällig.
Als militant handelnder Zusammenhang kennen wir die Gegebenheiten, wie sie die Gruppe in der Falkstraße vorgefunden hat: Ein Fahrzeug eines Schweinekonzerns steht scheinbar günstig und kann mit überschaubarem Aufwand beseitigt werden. Doch welche Kriterien legen wir für die Kategorisierung „günstig stehen“ an? Das Fahrzeug in der Falkstraße kann jedenfalls nicht in diese Kategorie gezählt werden, sonst hätte der Brand nicht auf weitere Fahrzeuge übergegriffen und dadurch unbeteiligte Menschen gefährdet! Soweit wir uns ein Bild machen konnten, setzt ein Angriff mit Feuer in dieser Lage – selbst wenn nichts schief geht – ein zügiges Eintreffen der Feuerwehr voraus, da eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, auf umliegende Autos überzugreifen und damit ein großes Brand-Szenario zu verursachen. Warum? Das Fahrzeug ist eingeparkt von verschiedenen anderen Autos, außerdem ist der Abstand des Fahrzeugs zu den anliegenden Wohngebäuden gering. Die Möglichkeit, dass bei einem Autobrand Benzin ausläuft, ist in die Aktionsplanungen mit einzubeziehen und das Risiko, dass das Feuer auf anliegende Gebäude übergreifen könnte, zu berücksichtigen. In solch einem Fall würden wir uns entscheiden dieses Fahrzeug mit anderen Mitteln anzugreifen, weil das Risiko mit dem Mittel Feuer Unbeteiligte zu gefährden einfach zu groß wäre. Darauf zu vertrauen, dass die Feuerwehr den Brand rechtzeitig löscht, halten wir für grob fahrlässig und falsch.
Wir halten es als Revolutionäre für wesentlich, bei unseren Aktionen Schaden von Unbeteiligten auszuschließen. Wir verstehen dies als notwendigen Teil einer revolutionären Ethik. Wir haben den Eindruck, dass militant agierende Gruppen in den letzten Jahren dieser Ethik bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Demo in der Elbchaussee zu G20 in Hamburg) unausgesprochen gefolgt sind. Worauf beruht diese Ethik? Wir wollen ein Leben erkämpfen, das frei ist von Ausbeutung, Unterdrückung, Ausgrenzung und Gewalt. Wir nehmen dabei selbstverständlich auf unbeteiligte ungeschützte, schwächere Menschen Rücksicht. Befreiung zielt nicht alleine auf unsere eigene Befreiung, sie zielt auf die Befreiung aller Menschen. Dies ist unser Grundsatz, auf dem Weg dahin können wir nicht Wege einschlagen, die diesem Ziel widersprechen.
Dabei muss nicht nur am konkreten Ziel einer militanten Aktion, sondern auch an den Formen der angewandten Mittel erkennbar sein, ob sie eine emanzipatorische Dimension haben. In den besten Momenten revolutionärer Aktionen scheint die Möglichkeit auf, die materiellen Hindernisse zu einer befreiten Gesellschaft beseitigen zu können.
Ziel unserer Angriffe ist es, den Feind (materiell und ideell) zu schädigen und zu desorganisieren. Dazu müssen wir unsere Aktionen so ausrichten, dass für Außenstehende nachvollziehbar ist, gegen wen sich unsere Aktion richtet und aus welchen Gründen wir sie durchführen. Dies muss unser Anspruch sein, selbst wenn wir nicht verhindern können, dass Bullen und Medien ein Zerrbild von uns zeichnen. Wir lehnen den Nihilismus ab, der von einigen Strömungen der radikalen Linken vertreten wird. Ohne bewusste Vermittlung in die Gesellschaft, ohne den Versuch, unsere Positionen verallgemeinerbar zu machen, werden wir weder der Befreiung näher kommen, noch die faschistische Gefahr besiegen.
Wir finden die Gedanken der Gruppe richtig, dass es im Falle staatlicher Repression darum geht, „eine Antwort zu finden, die den Schaden hochtreibt, die möglichst unberechenbar ist und die die Isolation der Gefährt*innen aufbricht“. Im Falle der schief gegangenen Aktion in der Falkstraße ist dies nicht gelungen. Diese Antwort war in ihrer Auswirkung so unberechenbar, dass sie unsere Isolation eher befördert hat. Unsere Aktionen sollten immer mehr Kommunikation beinhalten, als nur zwischen uns Revolutionären und „den Schweinen“ – sie sollten sich bestenfalls selbst erklären. Die Möglichkeit, dass Unbeteiligte unsere Aktionen „lesen“ können, ist uns oft sogar wichtiger, als was der Feind denkt. Siemens ist das eine Fahrzeug ziemlich egal, der Verlust wird weder eine Auswirkung auf die Konzernpolitik haben noch auf die Situationen unserer eingeknasteten Gefährt*innen. Aber wie in der Nachbarschaft diskutiert wird, ist für uns als Revolutionäre von Bedeutung.
Wer militant agiert, trägt eine hohe Verantwortung – für sich selbst, für andere militant agierende Gruppen, für möglicherweise Beteiligte (z.B. eben Anwohner*innen) und zuletzt auch für die Sache der Revolution. Wir wollen das nicht an dieser Stelle ausführen, aber wir müssen wieder anfangen, konsequent darüber nachzudenken, wie die Wege zur Revolution aussehen können (auch wenn das hierzulande im Angesicht des Erstarkens der faschistischen Konterrevolution abwegig erscheint).
An der konkreten Aktion kritisieren wir auch die fehlende politische Bestimmung: aus Solidarität mit gefangenen Gefährt*innen wird ein Siemens-Fahrzeug angezündet. Die Erklärung zur Firma fällt allerdings sehr dünn aus. Es gibt eine jahrzehntelange Geschichte der revolutionären Linken zu Siemens und dessen lebensfeindlicher Konzernpolitik. Viele Jahre war Siemens als zentraler Zulieferer der Atomindustrie bekannt, aktuell stehen sie massiv in der Kritik für ihre Beteiligung am Kohleabbau in Australien. Eine ausführlichere politische Bestimmung des Konzerns in der Erklärung würde möglicherweise andere aufklären und anregen, ebenfalls gegen den Konzern aktiv zu werden. Die politische Bestimmung nur aus der Solidarität mit den Gefangenen abzuleiten, halten wir für zu schwach. Damit erscheint das Ziel absolut beliebig und erzeugt so aus unserer Sicht eben keine Solidarität mit den gefangenen Gefährt*innen und deren Überzeugungen.
Nun noch Gedanken zur alternativen Herangehensweise:
Zuerst wollen wir darauf hinweisen, dass die Brandlegung an Handwerker*innen-Fahrzeugen oft die Gefahr bergen, dass im Fahrzeug neben verschiedenen Werkzeugen auch große Gaskartuschen gelagert werden. Dies halten wir für eine potentielle Gefahr für Anwohner*innen, Passanten und Feuerwehrleute und sollte berücksichtigt werden.
Dann finden wir, dass es viele weitere Wege gibt, um ein Fahrzeug möglichst effektiv anzugreifen und zu beschädigen. Uns fällt da beispielsweise ein: Reifen plätten, Nummernschild abmontieren, Vollsprühen, Lack zerkratzen, Einsatz von Glasschneider, mit Sand versetzte Farbe auf die Scheiben schütten, Abbeize auf Lack und Dichtungen. Falls wir der/dem Fahrzeug-Nutzer*in persönlich schaden wollen, ist es eine gute Idee, einfach stinkendes Irgendwas in die Lüftung zu kippen (bei einer*m einfachen Angestellten und Nutzer*in eines Siemens-Autos machen wir das nicht). Schläge mit dem Hammer in Karosserie oder auf die Elektronik in der Stoßstange sind zwar laut, aber effektiv. Wir haben schon erfahren dürfen, dass Autos, die wir so behandelt haben, hinterher als Totalschaden gelistet wurden. Zum Einsatz von Bauschaum in Auspuff und Lüftungsschlitzen wurde uns schon oft geraten, aber uns erscheint das lästig und ineffektiv.
Im Gegensatz zum Einsatz von Feuer haben diese Methoden nur zwei (scheinbare) Nachteile. Erstens muss am Objekt im Zweifelsfall länger und vielleicht auch mit Geräuschentwicklung gearbeitet werden, was die Entdeckungsgefahr erhöht. Zweitens gilt der Einsatz von Feuer als der „entschiedenere“ Ansatz bei Militanten und bei den Ermittlungsbehörden. Bezüglich des letztgenannten Effekts haben wir als Zusammenhang allerdings einen pragmatischen Ansatz: Wir haben weder dem Staat noch anderen Militanten noch uns selbst was zu beweisen. Wir tun was wir für richtig und notwendig halten, was auf unserer beschriebenen Ethik basiert, was dem Feind nach Möglichkeit weh tut und was wir mit unseren Fähigkeiten für umsetzbar halten. Wir werden nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen, nur weil uns andere dann für wichtiger halten.
Revolution bleibt Handarbeit