Am 30.7. fand anlässlich des Mordes eines 8-Jährigen am Frankfurter Hauptbahnhof eine offizielle Mahnwache statt. Parallel wurde von extrem Rechten zur Mahnwache am gleichen Ort aufgerufen.
Bereits am Montag, am Tag, an dem die Tat begangen wurde, waren unter den Personen die sich aufgrund dessen an Bahnhof einfanden, diverse Personen die dem extrem rechten Spektrum zuzuzählen sind. Spätestens als am Mittag von der AfD-Fraktionsvorsitzenden im Bundestag Alice Weidel ein Post abgesetzt wurde, der die Tat als Bestätigung ihrer rassistischen Politik missbraucht, durfte klar sein, dass sich rechte aller Spektren das Thema aufgreifen werden. Der nichtdeutsche, nichtweiße Täter passte exakt ins Bild von nichtdeutschen Tätern und deutschen Opfern, welches die AfD seit Jahren versucht zu forcieren.
Demnach folgten auch diverse Personen aus dem rechten und extrem rechten Spektrum am Dienstag dem Aufruf. Eine Person der rassistischen Gelben Westen aus Gießen, der sich selbst als „T.E.R. Sven“ bezeichnet und der Reichsbürgerbewegung nahe steht, hatte einen Aufruf über verschiedenen Kanäle versandt und tauchte zu Beginn der Mahnwache auch mit einigen „Aufstellern“ an, auf denen rassistische und nationalistische Phrasen zu lesen waren. Bei ihm fand sich auch relativ früh die Frankfurterin Heidi Mund und der rechte „Influencer“ Henryk Stöckl ein. Nachdem sich der Vorplatz des Hauptbahnhofs zusehends füllte, strömten auch weitere Gruppen von Rechten auf den Platz. Darunter eine sechsköpfige Gruppe um die NPDler Stefan Jagsch, Peter Wohlfahrt und Daniel Drescher. Des Weiteren eine Gruppe aus dem Offenbacher AfD-Spektrum um den Ex-AfDler Andreas Schmehl aus Dreieich. Auch AfDler aus dem hessischen Landtag waren vor Ort, der „neurechte“ Andreas Lichert und Erich Heidkampf kamen mit einer Gruppe. Weitere Einzelpersonen und kleinere Gruppen von offensichtlichen Neonazis standen ebenfalls in der Menge, sie wurden auffällig durch rassistische und menschenverachtende Kommentare oder Tätowierungen wie „Made in Germany“ in Schwarz-Weiss-Rot gehalten. Insgesamt war die Situation mehrmals kurz vorm kippen. Einzelne Personen aus dem rechten Spektrum streiften durch die Menge und provozierten immer wieder oder rempelten Personen an. Ein versuchter Angriff von „T.E.R. Sven“ auf eine Antifaschistin ging glimpflich aus. Allerdings war der Handlungsspielraum stark eingeschränkt. Einerseits wäre ein offensives Agieren pietätlos gewesen, zum anderen war, sobald eine lauteres Wortgefecht entflammte, Henryk Stöckl sofort da und filmte die Leute ab.
Deutlich wurde einmal mehr, dass die Auslegung dessen was Mensch mit einem Presseausweis machen darf, im Ermessensspielraum der Polizei liegt. Während in der Vergangenheit Pressefotografen, welche Neonaziaufmärsche oder -veranstaltungen dokumentieren, die Arbeit schwer gemacht wird, permanent und penetrant von Polizeiseite darauf hingewiesen wird, dass Porträtaufnahmen nicht erlaubt wären (was so erstmal Unfug ist), durfte Stöckl ungestört Leute Minutenlang aus nächster Nähe filmen. Wundern tut dies unterdessen nicht, es ist nur eine erneute Bestätigung wo die Frankfurter Polizei steht.
Letztendlich muss festgestellt werden, dass für die gegebenen Umstände einfach zu wenig Antifaschist_innen vor Ort waren. Alleine eine deutlichere Präsenz hätte möglicherweise ausgereicht, um den Neonazis und Rechten den eigenen Handlungs- und Bewegungsspielraum zu nehmen.