In anonymen Schreiben haben Rechtsextreme in Wiesbaden und Mainz mit der Ermordung von Flüchtlingen gedroht.
Aus Jungle World
„Das Bündnis gegen rechts“ (BgR) hat bei der Staatsanwaltschaft Strafanzeige wegen rechtsextremer Morddrohungen erstattet. Diese waren Ende Februar bei zwei linken Zentren in Wiesbaden und Mainz per Brief eingegangen. Die Verfasser des anonymen Schreibens, das bei einer Pressekonferenz am 21. März vorgestellt wurde, drohen mit einer »gnadenlosen Jagd« auf alle, die Flüchtlingen helfen. Sollten die Adressaten die Unterstützung nicht einstellen, würden Flüchtlinge ermordet. »Agiert weiter so, sterben Asylanten! Wir drücken ab, aber ihr spannt den Hahn«, heißt es in dem Pamphlet.
Nach längerer Überlegung, sagt der Rechtsanwalt Mathias Päßler, der das BgR vertritt, habe man Strafanzeige gestellt. Bislang gebe es keine Hinweise, dass der Brief an weitere Institutionen oder Personen verschickt worden sei. Das Bündnis habe mit der Veröffentlichung gezögert, weil es ursprünglich den Rechten keine Bühne habe liefern wollen, so Päßler im Gespräch mit der Jungle World. Überwogen habe letztlich die Auffassung, dass die Öffentlichkeit Bescheid wissen müsse.
»Die Bedrohung von rechtsaußen hat nun auch hier eine neue Dimension erreicht«, betont Michael Wilk vom Arbeitskreis Umwelt (AKU) Wiesbaden, der ebenfalls dem Bündnis angehört. »Die Verfasser wollen die Adressaten und alle solidarischen Menschen zu Mittätern machen. Weite Teile der Zivilgesellschaft werden in Haftung genommen.« Neben Antifaschisten, Pro Asyl und Politikerinnen und Politikern der Grünen werden Ehrenamtliche, die Asylbewerbern helfen, Hauseigentümer, die an Migranten vermieten, und Frauen mit ausländischen Partnern in dem Schreiben bedroht. Von »Jagd«, »Bombenterror« und »Erschießungen« ist darin die Rede.
»Die Rechtsextremen versuchen, linke Kreise unter Druck zu setzen«, sagt Wilk im Gespräch mit der Jungle World. Das Schreiben müsse im Zusammenhang mit den Morddrohungen gegen die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız, den Brandanschlägen auf besetzte Häuser, linke Wohnprojekte und Kulturzentren im Rhein-Main-Gebiet und den neonazistischen Netzwerken in Polizei und Bundeswehr gesehen werden. Man wolle sich aber keinesfalls einschüchtern lassen. »Wir werden weitermachen, uns vor die Geflohenen stellen. Wir gehen nicht von einer unmittelbaren Bedrohung aus, es ist zunächst ein verbaler Einschüchterungsversuch«, so Wilk. Der Brief sei aber ein Beleg, dass das rechtsextreme Milieu offensiver werde.
Das zeigt sich auch auf der Straße. Mit vermeintlich sozialen Forderungen demonstrieren seit einiger Zeit »Gelbwesten« regelmäßig in Wiesbaden. An den Veranstaltungen beteiligen sich bekannte Personen aus dem rechtsextremen und rechtspopulistischen Milieu.
Etwa 20 linke, anarchistische und autonome Gruppen, Kollektivbetriebe, Kulturinitiativen, Umweltgruppen und Parteien sind im BgR organisiert. Das Bündnis appelliert angesichts der Drohbriefe auch an die Mainzer und Wiesbadener Bürger, sich im Kampf gegen rechts zu engagieren: »Dieser menschenverachtenden Propaganda müssen wir alle entschlossen gemeinsam die Stirn bieten.«
Der Appell geht allerdings an der Wiesbadener Realität der vergangenen Jahre vorbei. In Abgrenzung zum BgR gründete sich 2013 das »Bündnis für Demokratie«, an dem die CDU, die SPD, die Grünen, Vertreter der Lokalpresse und der DGB beteiligt sind und das sich »gegen Extremismus« richtet. Als linksextrem und somit undemokratisch gilt dem Bündnis beispielsweise der Versuch, Nazidemonstrationen zu blockieren. Auch als das BgR unter dem Motto »AfD – nur die Spitze des Eisberges« im Oktober 2018 eine Demonstration gegen den AfD-Wahlkampfabschluss zur Hessenwahl in Wiesbaden organisierte, war das dem »Bündnis für Demokratie« zu radikal.
Der Arbeitskreis Umwelt, die anarchosyndikalistische FAU, autonome Antifaschisten und Flüchtlingsinitiativen kritisierten auf der Kundgebung vor über 2 000 Menschen den Rassismus der gesellschaftlichen Mitte, kapitalistische Ausbeutung, sexistische Unterdrückung und den durch die EU-Abschottungspolitik verursachten tausendfachen Tod von Flüchtlingen im Mittelmeer. Dass solche Themen bei der Mehrheit der Wiesbadener und Mainzer Bürger auf größeres Interesse stoßen, ist unwahrscheinlich. Daran ändern auch die jüngsten Drohbriefe nichts.