Solidarity City Frankfurt

Rück- und Ausblick Sleep out

Unter den von Wohnungslosigkeit Betroffenen sind aus Südosteuropa migrierte Menschen, viele von ihnen Rom*nija, besonders benachteiligt. Sie werden entrechtet, d.h. sie gelten den Sozialbehörden als nicht anspruchsberechtigt. Den hartnäckig geführten Widerstand gegen ihre Vertreibung wollen wir als Initiative Solidarity City Frankfurt unterstützen, die Räumung der selbstorganisierten Hüttendörfer nicht tatenlos hinnehmen. Neben zwei Sleep out haben wir im letzten Jahr in diesem Zusammenhang deshalb noch zwei Kundgebungen vor dem Sozialdezernat organisiert, waren im Stadtparlament und haben mit einer Klobauaktion auf der Brache im Gutleutviertel versucht praktische Unterstützung und Protest zusammen zu bringen.

Mit einem ersten Sleep out am 9.12.2017, einer Kundgebung plus angekündigtem anschließendem demonstrativem Lagern in der Grünanlage am Willy Brandt Platz, wollten wir die auf Vertreibung angelegte Stadtpolitik (Barverwarnungen wegen Lagerns im öffentlichen Raum) bekannt machen und anprangern. Bei eisiger Kälte kamen seinerzeit im Laufe des Abends rund 200 Leute vorbei, darunter viele Betroffene, die letztendlich den Abend gestaltet und geprägt haben, anders gesagt: ohne sie wäre es ziemlich öde geworden.

Ein knappes Jahr später, am 12.10. 2018, riefen wir erneut zum Sleep out auf. Mit Absicht eine Woche vor die Mietenwahnsinnsdemo gelegt, mit vermeintlichem Rückenwind durch „Sei kein Horst“- und Seebrückenmobilisierung, hatten wir die Hoffnung, das sich diesmal mehr aus linken Zusammenhängen beteiligen würden. Bei deutlich milderen Temperaturen gab es zwar eine etwas höhere Gesamtbeteiligung, doch dies verdankte sich allein der Tatsache, dass noch mehr Obdachlose und von Obdachlosigkeit bedrohte Romn*ija kamen.

Wie war es?

Wir wollten den Betroffenen mit den Sleep out den Rücken stärken und dies ist uns sicherlich gut gelungen. Die Romn*ija haben sich engagiert an den Aktionen beteiligt, den Platz genutzt und eingenommen. Sie haben, bei den Sleep out und auch den Kundgebungen vor dem Sozialdezernat zahlreich das Wort ergriffen; sie fanden es gut, dass sich andere für sie und ihre Lebenslagen interessieren und ihnen zuhören. Der alltäglich erfahrenen Entwürdigung wurde ein Raum des Ernstnehmens entgegengesetzt.

Betrachten wir die Sleep out unter dem Aspekt der Beteiligung der direkt Betroffenen, so sind unsere Erwartungen deutlich übertroffen worden. Die zahlenmäßige Beteiligung und das Auftreten von Romn*ija auf den Sleep out verdankt sich sicherlich maßgeblich den Kontakten, die über die Arbeit des Förderverein Roma entstanden sind, darüber hinaus hat sich aber auch durch die Kontinuität der Solidarity City Aktionen ein gewisses Vertrauen eingestellt.

Ansonsten springt die Diskrepanz zwischen Zuspruch, Anerkennung und guten Worten aus der linken Szene für unsre Initiativen bei gleichzeitiger Abwesenheit im Konkreten ins Auge. Es wird häufig bemängelt, dass zu wenige direkt Betroffene bei antirassistischen Demos, Veranstaltungen, Strukturen vertreten sind; die Sleep out boten eine Gelegenheit, dass mal anders zu erleben und Seite an Seite mit den Ausgegrenzten zu agieren, allein die Chance wird sehr zaghaft genutzt. Unserer Meinung nach gehört zu antirassistischer/ antifaschistischer Praxis nicht allein die Mobilisierung gegen Nazis und RassistInnen, sondern zwingend auch Aktionen und Zusammenarbeit mit denjenigen, die dieser Gewalt besonders ausgesetzt sind.

Warum aber fällt es vielen offensichtlich schwer sich an Aktionen zu beteiligen in denen man sich Erfahrungen mit Menschen aussetzt, die eine Sozialisation jenseits der Politszene repräsentieren? Gibt es Berührungsängste? Wird solchen Aktionen zu wenig politische Bedeutung zugemessen? Ist die Spannung zwischen eigener privilegierter Lebenssituation und der extremen Armut zu groß?

Wie weiter?

Von zahlreichen teilnehmenden Leuten haben wir sehr positive Rückmeldungen zum Ablauf der Sleep out erhalten, aber auch Hinweise für zukünftige Verbesserungen. Den Eindruck von Aktivist*innen, dass die Sleep out nicht genug Möglichkeiten zur Interaktion boten, dass angesichts der starken Präsenz der Romn*ija manche gar nicht so wussten, was sie außer zuschauen und zuhören selber tun sollten, können wir gut nachvollziehen. Gemeinsame Aktivität und Austausch könnten da vielleicht in Zukunft begleitet und vorbereitet werden (gemeinsam Transparente machen, gemeinsam am Ende wohin gehen …)
Den Vorwurf, das Sleep out komme so rüber, dass wir Obdachlosigkeit spielen und damit verharmlosen, finden wir unberechtigt: Wir haben sehr deutlich gemacht, dass es uns um demonstratives Aufgreifen des Vorwurfs des „öffentlichen Lagerns“ geht, um eine zeitlich begrenzte solidarische Ordnungswidrigkeit. Berechtigter finden wir die Kritik, das Sleep out suggeriere in anderer Beziehung etwas, worum es dann schlussendlich doch nicht gehe und trage mit seinem Titel zu groß auf. Tatsächlich haben sich nur einige wenige auf ein Übernachten eingerichtet, vielmehr handelte es sich jeweils um eine lange Kundgebung inklusive Verpflegungsangebot.

Wir finden unsere Erfahrungen mit den Sleep out unter dem Strich ermutigend genug, um an der Idee eines regelmäßigen Treffens am Willy-Brandt-Platz, mit der Möglichkeit sich satt zu essen und mit politischen Ausdrucksformen, festzuhalten. Wir denken, dass es dafür notwendig ist, die Vorbereitung und Durchführung auf breitere Beine zu stellen. Vielleicht können sich ja andere Gruppen gleichfalls vorstellen, hin und wieder mehr Verantwortung zu übernehmen, etwas Inhaltliches vorzubereiten oder auch zu kochen?

Über Rückmeldungen, Anregungen, Kritik oder ähnliches würden wir uns freuen, diese bitte an:

solidaritycityffm-aktive@lists.riseup.net

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