Aus Magazin „der rechte rand“ 173
Seit einem Jahr sorgen die Ermittlungen gegen eine rechte Terrorzelle um den Bundeswehrsoldaten Franco Albrecht für Aufsehen. Das Verfahren wegen Terrorverdachts wurde vom Gericht jedoch eingestellt, die Bundesanwaltschaft legte dagegen nun Beschwerde ein.
Franco Albrecht wurde Ende November 2017 aus der Untersuchungshaft entlassen und lebt seitdem wieder im Raum Offenbach.
In der Bundeswehr wird aktuell wegen über 400 extrem rechten Vorfällen ermittelt. Besorgniserregend ist dies auch in Hinblick auf dutzende von gestohlenen Waffen aus Bundeswehrbeständen: Ein Papier des Bundesverteidigungsministeriums listet 57.000 Schuss Munition und 75 Schusswaffen auf, die in den letzten acht Jahren entwendet wurden. Ein Fall machte vergangenes Jahr besonders Schlagzeilen: Dem Oberleutnant Franco Albrecht wurde vorgeworfen einen Terroranschlag geplant zu haben, der den Anschein erwecken sollte, dass dahinter Geflüchtete stehen würden. Zu diesem Zweck ließ er sich beim »Bundesamt für Migration und Flüchtlinge« (BAMF) als syrischer Bürgerkriegsflüchtling registrieren. Dabei soll er möglicherweise von Mathias Flöhr und Maximilian Tischer unterstützt worden sein. Die Terrorpläne flogen erst auf, als Albrecht bei dem mutmaßlichen Versuch entdeckt wurde, eine entwendete Pistole von Österreich nach Deutschland zu schaffen.
Völkischer Nationalist
aus Offenbach
Aufgewachsen ist der heute 29-jährige Franco Hans Albrecht in Offenbach, in der Oberstufe besuchte er eine Schule im nahegelegenen Frankfurt am Main. Mit rechten Positionen fiel er damals nicht auf: Weder waren seinen LehrerInnen solche bekannt, noch wurde er auf rechten Demonstrationen gesichtet. Nach dem Abitur 2008 absolvierte er den Grundwehrdienst und begann danach ein Studium als Zeitsoldat an der französischen Elite-Militärakademie Saint-Cyr.
Hier wurde seine extrem rechte Gesinnung erstmals öffentlich: Ende 2013 reichte Albrecht seine Masterarbeit ein, die von völkischen und antisemitischen Verschwörungstheorien nur so strotzte. Die unter dem Titel »Politischer Wandel und Subversionsstrategie« vorgelegte Abhandlung entspricht weniger einer nach wissenschaftlichen Standards gefertigten Arbeit als einem neu-rechten Traktat. Ausgehend von der Annahme, Regierungswechsel brächten keine politischen Veränderungen mit sich, sieht er geheime Feinde am Werk, die er im Folgenden nur noch als »die Subversion« bezeichnet und die die Homogenität von Nationen und Gesellschaften mittels militärischer Konflikte und Migration schwächen wollen, um »die Völker in ihrer Substanz zu zerstören«. Westliche Gesellschaften seien »vollkommen im Griff der Subversion« und von »Vasallen« wie Freimaurer, Lobbyisten und »Diaspora-Gruppen«. Auf den 140 Seiten lässt er dabei nur wenige verschwörungstheoretische Klischees und neu-rechte Schlagwörter wie »Austausch der Bevölkerung« und »Autogenozid« aus.
Liste mit Anschlagszielen
Zwar wurde die Arbeit als unwissenschaftlich abgelehnt, nach Vorlage eines neuen Abschlusspapiers konnte er jedoch ungehindert weiter bei der Bundeswehr tätig sein. Als nach seiner Verhaftung im April 2017 die Kaserne im französischen Illkirch, in der Albrecht stationiert war, als eines von 16 Objekten in Frankreich, Deutschland und Österreich durchsucht wurde, fanden die Ermittler Wehrmachtsreliquien und in Waffen eingeritzte Hakenkreuze. Zudem beschlagnahmten sie zwei Gewehre, eine Pistole und über 50 Sprengkörper, die Franco Albrecht sich beschafft habe. Dazu fanden sie auf einem Datenträger bei Albrecht die aus islamistischen Kreisen stammende Bombenbauanleitung »Mujahideen Explosives Handbook« und das bei RechtsterroristInnen beliebte Handbuch »Der totale Widerstand«.
Überdies wurde in der Kaserne in Illkirch eine Liste mit möglichen Anschlagszielen entdeckt mit dem Titel »Politik und Medien«. Auf dieser befinden sich die Namen von PolitikerInnen, wie Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) und Heiko Maas (SPD), von AktivistInnen des »Zentrums für politische Schönheit« und von der Gründerin der »Amadeu-Antonio-Stiftung«, Annetta Kahane. Vermutlich letztere habe Albrecht laut dem Frankfurter Oberlandesgericht bereits ausgekundschaftet und sich dafür Zugang zur nichtöffentlichen Tiefgarage ihres Büros verschafft sowie Fotos der dort geparkten Autos gemacht. In anderen Notizen sollen weitere Anschlagspläne vermerkt sein: Befreiung der inhaftierten Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck, Sprengung eines Gedenksteins für die jüdische Familie Rothschild in Frankfurt oder, als »Asylant« getarnt, eine Handgranate in eine »Gruppe Antifas« zu werfen.
Möglicher Terrorhelfer
für AfD tätig
Die Liste soll von dem ebenfalls in Illkirch stationierten Soldaten ¬Maximilian Tischer miterstellt worden sein, der auch an dem Tag der Hausdurchsuchung vernommen und später verhaftet wurde. Tischer stammt aus Seligenstadt im Kreis Offenbach, unweit des Herkunftsortes des gleichaltrigen Franco Albrecht.
Nachdem die »Alternative für Deutschland« (AfD) eine Mitgliedschaft der Terrorverdächtigen nach deren Aufdeckung zuerst ausschloss, bestätigte diese im September, Tischer sei Mitglied der Partei und auch der »Jungen Alternative« (JA). Ende 2017 stellte Tischer, der nur für zwei Monate inhaftiert war, einen Antrag auf Freistellung bei der Bundeswehr, um einer Nebentätigkeit nachgehen zu können: Er ist nun sieben Stunden pro Woche Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Nolte. Der 29-jährige Nolte ist wiederum Vorsitzender der JA in Hessen und dem völkischen Parteiflügel zuzurechnen. Früher war er wie Tischer Zeitsoldat, jetzt ist er in der Bundestagsfraktion Mitglied des verteidigungspolitischen Ausschusses des Bundestages. Tischer ist sein persönlicher Referent und arbeitet zugleich weiter für die Bundeswehr. Ein Zutrittsausweis für den Bundestag sei ihm aber aufgrund der laufenden Ermittlungen wegen Terrorverdachts verweigert worden. Dennoch kann ihn Nolte ganz regulär als Besucher im Bundestag empfangen.
Neben Franco Albrecht und Maximilian Tischer wurde anfänglich auch gegen Mathias Flöhr wegen einer möglichen Beteiligung an Anschlagsplänen ermittelt. Flöhr ist Student an der Technischen Hochschule im mittelhessischen Friedberg und war mit Albrecht vor dessen Zeit bei der Bundeswehr zusammen in einem Ruderverein in Offenbach aktiv. Bei ihm wurden bei einer der Hausdurchsuchungen etwa 1.000 Schuss unterschiedlicher Munition gefunden, die Albrecht aus Bundeswehrbeständen gestohlen und nach seiner zwischenzeitlichen Verhaftung in Wien bei ihm deponiert haben soll.
Chatgruppen mit Rechten und »Preppern«
Maximilian Tischer und Franco Albrecht sollen mit mindestens drei weiteren Männern – einer davon Soldat aus Österreich, wo Albrecht bei einem »Ball der Offiziere« eine Pistole stahl, sowie einem weiteren Oberleutnant aus der Kaserne in Illkirch – in einer gemeinsamen WhatsApp-Gruppe rassistische Bilder und Nachrichten ausgetauscht haben. Darüber hinaus sei Albrecht Mitglied einer Chatgruppe gewesen, in der »Prepper« kommunizieren. Bundesweit hätten sich diese »Prepper« in mehreren regional zusammengesetzten Chatgruppen vernetzt, die von ein und demselben Administrator verwaltet würden: ein KSK-Elitesoldat der Bundeswehr, der unter dem Pseudonym »Hannibal« bekannt geworden ist. Er wird im Ermittlungsverfahren gegen Albrecht lediglich als Zeuge geführt. Bei Mitgliedern einer von »Hannibal« zeitweise verwalteten Chatgruppe unter dem Namen »Nordkreuz« fanden Behörden indes Waffen und Steckbriefe von bis zu 5.000 linken PolitikerInnen und AktivistInnen. Unter den Mitgliedern befinden sich Bundeswehrreservisten, Polizisten und AfD-Mitglieder. Einer von ihnen, der inzwischen suspendierte Polizist Haik Jaeger, ist zur Zeit bei der AfD in Mecklenburg-Vorpommern beschäftigt, als stellvertretender Vorsitzender eines parteiinternen Gremiums zur Inneren Sicherheit. Die Ermittlungen gegen Mitglieder der Gruppe »Nordkreuz« dauern unterdessen an, im April 2018 kam es zu erneuten Hausdurchsuchungen in Mecklenburg-Vorpommern.
Prozesseröffnung ungewiss
Franco Albrecht wurde Ende November 2017 aus der Untersuchungshaft entlassen und lebt seitdem wieder im Raum Offenbach. Die Bundesanwaltschaft erhob dennoch Anklage wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat, des Verstosses gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, Betrugs und Diebstahl. Anfang Juni überraschte das zuständige Oberlandesgericht Frankfurt mit der Abweisung der Klage wegen der Vorbereitung eines Terroranschlags. Es sei zu der Überzeugung gelangt, es bestehe kein hinreichender Tatverdacht für die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Zwar sprächen mehrere Umstände dafür, dass Albrecht den festen Entschluss hatte, einen terroristischen Anschlag zu begehen, etwa seine völkisch-nationalistische Einstellung, das Auskundschaften eines möglichen Anschlagsziels sowie Waffenbeschaffung und -training. Allerdings habe er die möglichen Tatpläne und -mittel bereits seit Ende Juli 2016 gehabt und dennoch keine terroristische Attacke verübt. Da ihn objektiv nichts mehr an einem Terroranschlag gehindert habe und er dennoch keinen ausführte, sei nicht davon auszugehen, dass er fest entschlossen gewesen sei, so die fragwürdige Begründung des Oberlandesgerichts. Es veranlasste daher, den Prozess eine Instanz herabzustufen und Albrecht vor dem Landgericht Darmstadt nur wegen Täuschung des BAMF und Waffendiebstahls anzuklagen. Die Bundesanwaltschaft legte daraufhin jedoch Beschwerde gegen die Abweisung der Klage ein. Nun muss der Bundesgerichtshof entscheiden.
Aufgrund eines unzureichenden Tatverdachtes waren Mathias Flöhr und Maximilian Tischer nur kurzzeitig inhaftiert, die Ermittlungen gegen sie dauern offiziell noch an. Die zahlreichen Durchsuchungen und verzweigten Chatgruppen werfen aber weiter Fragen auf: Wie intensiv waren die beiden Gleichgesinnten in mögliche Anschlagspläne involviert? Wie weit reicht das Netzwerk aus mutmaßlichen rechtsterroristischen Bundeswehrsoldaten und »Preppern«? Wieso schafft die Bundesanwaltschaft es nicht, gerichtsfest zu ermitteln und anzuklagen? Ob es dazu klare Antworten geben wird, ist zur Zeit völlig offen.
Fall Franco A.: BKA hat Hinweise auf Netzwerk innerhalb der Bundeswehr
Aus Focus 09.11.2018:
Bei den Ermittlungen im Fall Franco A. hat das Bundeskriminalamt (BKA) offenbar Hinweise auf ein größeres konspiratives Netzwerk von radikalen Preppern, also Menschen die sich auf einen eventuellen Weltuntergang vorbereiten, innerhalb der Bundeswehr. Das berichtet FOCUS und beruft sich dabei auf Ermittlungsakten des BKA.
Danach soll es zahlreiche Verbindungen zu einem Verein für Elitesoldaten und zu Angehörigen des Kommando Spezialkräfte (KSK) geben. In Chatgruppen und bei realen Treffen der Prepper gab es laut Zeugenaussagen konkrete Planungen für einen so genannten „Tag X“, missliebige Politiker „zu einem Ort mit Tötungsabsicht zu verbringen“.
Außerdem seien geheime Waffendepots und Treibstofflager angelegt worden, schreibt FOCUS weiter. Auf einer bis heute nicht gefundenen Todesliste soll der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei im Bundestag, Dietmar Bartsch, ganz oben gestanden haben. Im Rahmen der Ermittlungen war im vergangenen Jahr auch das Haus eines Rostocker Lokalpolitikers und Anwaltes durchsucht worden.
Oberstleutnant behinderte Ermittlungen
Wie FOCUS weiter schreibt, wurden die Ermittlungen des BKA offenbar von einem 42 Jahre alten Oberstleutnant des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), gegen den die Staatsanwaltschaft Köln unter dem Aktenzeichen 539 Ds 297/18 beim Amtsgericht Köln Anklage erhoben hat, massiv behindert. Der Mann soll Angehörige des KSK, die als Führungsmitglieder der Survival-Szene fungierten, unter anderem vor Durchsuchungen gewarnt haben.
Weiterhin bestehen offenbar enge Verbindungen zwischen den Survival-Fans und Mitgliedern eines Vereins für Elitesoldaten mit dem Namen „Uniter e.V.“, in dem sich vornehmlich Angehörige der Spezialkräfte von Militär und Polizei sammeln. So wurden die Chatgruppen von mehreren damaligen Hauptfeldwebeln des KSK geleitet. Einer von ihnen ist der heutige Vorsitzender des Vereins. Gleichzeitig fungierte der Mann laut Vernehmungen als „Auskunftsperson“ des MAD zum Uniter e.V. und stellte „den einzigen glaubwürdigen Auskunftsgeber zu internen Prozessen des KSK“ für den Militärgeheimdienst dar.