Die Täter_innen des 1.Mai in Halle
Im Zusammenhang mit dem gescheiterten Naziaufmarsch gewaltbereiter Kameradschaften in Halle am 1. Mai 2017 kam es zu wiederholten Angriffen und Ausbruchsversuchen der offensichtlich stark frustrierten Teilnehmer_innen. Der von der Neonazipartei „Die Rechte“ um Christian Worch angemeldete Aufmarsch konnte aufgrund massiver Gegenproteste nicht durchgeführt werden und wurde nach zwei Stunden beendet. Im folgenden Text werden wir über eine Gruppe Neonazis informieren, die auf der Abreise aus ihren Autos heraus unbeteiligte Jugendliche angriffen und verletzten. Sie waren zuvor am Rande der Demonstration auf Angriffe auf Antifaschist_innen beteiligt. Teile der Angreifer_innen sind uns bereits seit längerem bekannt. Aus gegebenem Anlass und da wir von einem allgemeinem Interesse organisierter Antifaschist_innen an dieser Gruppe ausgehen, veröffentlichen wir an dieser Stelle einen Einschätzung zu den Täter_innen.
In eigener Sache
Wir möchten zuvor jedoch darauf hinweisen, dass wir die öffentlichen Spekulationen kurz nach solchen Angriffen auf der Plattform „indymedia linksunten“ oder an vergleichbaren Stellen für kontraproduktiv halten. Die wilden Spekulationen über Namen der Angreifer_innen, vermeintliche Adressen und ähnliches lassen sich z.T. nicht verifizieren. Wir appellieren an euch, nach solchen Vorfällen erst einmal einige Tage abzuwarten. Es dauert, bis aktuelle Informationen eingeholt, ausgetauscht und verifiziert sind. Recherchestrukturen haben durchaus gute Gründe, noch ein paar Tage mit der Veröffentlichung zu warten bzw. bestimmte Namen nicht zu nennen und so bestimmte Personen in Sicherheit zu wiegen. Wenn ihr Informationen habt die ihr für wichtig haltet, wendet euch damit besser an euch bekannte und/oder organisierte Antifastrukturen. Bei Infos aus dem Rhein-Main Gebiet freuen wir uns über eine E-Mail an:
antifa_recherche_ffm@riseup.net
Der Angriff
Schon während des Aufmarschversuchs am 1. Mai in Halle zeigte sich eine Gruppe, die mit dem Wort „Aryans“ beschriftete Pullover trug, extrem aggressiv und suchte die körperliche Auseinandersetzung mit Gegendemonstrant_innen. Nach dem gescheiterten Aufmarsch saß der Frust offensichtlich tief. Als zwei Autos der Gruppe aus dem Rhein-Main Gebiet (Aschaffenburg [AB-TR-867, Opel Omega, Kombi, dunkle Farbe, älteres Modell], Main Kinzig Kreis [MKK-CM-378, Mazda 5, Van, dunkle Farbe, neueres Modell]) an vermeintlichen Gegendemonstrant_innen vorbei fuhren, flogen erst Flaschen und Böller, dann wurde Reizgas aus den Autos versprüht. Bei dem vorderen Auto sprang die Tür auf und ein Neonazi stürmte bewaffnet mit einem Schlagstock heraus. Ihm folgten weitere Neonazis aus beiden Autos. Sie rannten brüllend auf die Gruppe von Jugendlichen zu und schlugen gezielt auf deren Köpfe ein. Später wurde bekannt, dass die Polizei wegen versuchtem Totschlag ermittelt, mittlerweile – laut Presse – „nur“ noch wegen schwerer Körperverletzung.
Die Täter_innen
Bei dem Angreifer mit dem Schlagstock handelt es sich um Carsten Müller aus Gelnhausen (ca. 45km östlich von Frankfurt). Weitere Beteiligte an den Angriffen am Rande des Aufmarschversuchs und die Insassen der beiden Fahrzeuge waren Andrew Klinkel aus Offenbach Andreas Vöglin aus dem Mainzer Raum, Thomas Scherf und Marco Baumann aus dem Aschaffenburger Raum, Mario Rabald aus Halle, Tina Müller aus Gelnhausen (verheiratet mit Carsten Müller), Dario Cardiello aus Wittlich in der Eifel, Nadine Hofmann aus Bamberg, Fabian Rosskopf aus dem Raum Frankfurt.
Die „Aryans“ / „Division Braune Wölfe“
Die Täter_innen erschienen am 1. Mai in Halle überwiegend in einheitlichen Pullovern mit der Aufschrift „Aryans“. Erstmals öffentlich in Erscheinung trat die Gruppe unter diesem Label am 18.03.2017 in Leipzig. Die Gruppe weist große Überschneidungen mit der „Division Braune Wölfe“ auf bzw. ist mit dieser identisch. Nach ihrem ersten öffentlichen Auftritt als „Aryans“ benannte die Gruppe ihre vormals „Deutschland, unsere Zukunft“ lautende Facebookseite in „Aryans“ um. Auf ihrer Facebookseite wird dazu aufgerufen die eigene „Rasse“ zu schützen und zu verteidigen. Der „Inhalt“ besteht aus rassistischen Parolen und gewaltverherrlichender Phrasendrescherei. Die auch (fast deckungsgleich) als „Division Braune Wölfe“ auftretende Gruppierung ist bundesweit auf Naziaufmärschen präsent. Oftmals auch mit eigenem Transparent und einheitlichen Pullovern, wie am 01.05.2016 in Bochum und am 22.11.2015 in Köln.
Die Vice titelte in einem Bericht über die Gruppe zutreffend: „Die 90er haben angerufen und wollen ihre Neonazis zurück“. Springerstiefel, Bomberjacken, verblichene Tattoos von SS-Totenköpfen, dazu laut, aggressiv und in der Sprache sexistisch, homophob, antisemitisch und rassistisch. Das Auftreten der Gruppe ist unter propagandistischen Gesichtspunkten eine Katastrophe. Aber Anschluss an die bürgerliche Mitte oder Jugendliche ist auch gar nicht Sinn und Zweck. Viel mehr geht es um Subkultur und Abgrenzung gegenüber der restlichen Gesellschaft und das verbreiten von Angst beim politischen Gegner.
Große Teile der Gruppe agieren gewalttätig, ohne mögliche Konsequenzen in Betracht zu ziehen. Dies ist sicher der aktionistischen Ausrichtung der Gruppe imanent und es ist davon auszugehen, dass gewalttätiges Verhalten mit Anerkennung in der Gruppe belohnt wird. Es wirkt aber auch so, als hätten Einzelpersonen große Schwierigkeiten mit ihrer Impulskontrolle. Alles Aspekte, die Antifaschist_innen in ihr Handeln miteinbeziehen sollten, wenn sie der Gruppe begegnen.
Teile der Akteur_innen
im Einzelnen
Müller und Klinkel
Der erste Angreifer Carsten Müller lief bereits im September 2016 am Rande einer Veranstaltung der AFD in Rodgau auf. Er wollte mit einigen Nazi-Skins „Zecken“ „platt machen“. Unter der Gruppe Neonazis in Rodgau befand sich ein weiterer uns bekannter Neonazi: Carsten Dost. Dost war früher Teil der „Blood and Honour-Division Südhessen“ und Funktionär, sowie zeitweise Vorsitzender der FAP-Hessen. Am Rande der AFD-Veranstaltung in Rodgau wurden mehrere Scheiben von Autos, die Antifaschist_innen zugerechnet wurden, eingeschlagen und/oder deren Reifen aufgeschlitzt. Auf seinem Facebook-Profil lieferte Carsten Müller Fotos von den Autos und Kommentare, die nahelegen, dass er an diesen Taten beteiligt gewesen ist.
Neben Carsten Müller ist auch der Offenbacher Andrew Klinkel (wohnhaft in der Bergstr. 12, 63073 Offenbach-Bieber) sowohl mit der „Division Braune Wölfe“ als auch mit den „Aryans“ aufgetreten. Klinkel bewegte sich in seiner Jugendzeit in der Fußballszene der Offenbacher Kickers. In den letzten Jahren scheint der Fußball aber eine immer geringere Rolle für Klinkel zu spielen. Der heute 23-jährige ist zur Zeit beinahe auf jedem Naziaufmarsch in Deutschland zu sehen.
Ebenso wie Müller schien er sich erst in den letzten Jahren in der Neonaziszene umzuschauen. Das erste Mal fiel er bei einer Pegida-Veranstaltung an der Hauptwache in Frankfurt Anfang des Jahres 2015 auf. Bei einem anderen Naziaufmarsch am 20.06.2015 hielt er sich stets in der Nähe der Anmelderin Esther Seitz auf und schien großes Interesse daran zu haben, „gesehen“ zu werden. Bereits zuvor beteiligte er sich am 09.05.2015 in Berlin beim Versuch des „Sturms auf den Reichstag“. In diesem Jahr war er auch mit Carsten Müller bei diversen Aufmärschen, zum Beispiel in Leipzig, an besagtem 18.03. Des weiteren war Klinkel am 22.04. auf dem Naziaufmarsch in Wetzlar am Fronttransparent des „Antikapitalistischen Kollektivs“ zu sehen.
Vöglin, Müller, Scherf
und Baumann
Unter der Gruppe die am 18.03.2017 in Leipzig für Erinnerungsfotos posierte, befand sich mit Andreas Vöglin auch eine weitere, bereits vorher schon in Erscheinung getretene Person. So war Vöglin am 08.10.2016 bei einem Naziaufmarsch in Dortmund. Der aus Heidesheim-Heidenfahrt bei Mainz stammende bekennende Eintracht Frankfurt Fan Vöglin war ebenso wie Müller und Klinkel Teil der Gruppe in Halle. Von nicht geringer Bedeutung ist auch seine Ehe mit Ramona Covington. Die beiden heirateten am 20.4.2016 („Führergeburtstag“). Darüber hinaus ist Covington eine gut vernetzte Neonazistin, die sowohl 2014 bei der Kommunalwahl in RLP auf Listenplatz 3 der NPD stand, als auch in Sozialen Netzwerken wie VK.com sich selbst als „ATB Womens Division Leader Germany“ bezeichnet. Das Kürzel „ATB“ steht hierbei für „Aryan Terror Brigade“, die auch als „Combat18 international“ oder „Combat18“ agiert.
Weitere Personen waren Tina Müller (deren Mann Carsten Müller ist), Thomas Scherf (wohnhaft in der Steigstraße 5 in 63856 Bessenbach) und Marco Baumann aus dem Aschaffenburger Raum. Thomas Scherf und Marco Baumann sind in der Region Aschaffenburg keine Unbekannten, auf Nazidemonstrationen jedoch erst seit ca. zwei Jahren zu sehen. Als Mitte der 2000er Jahre der NPD Funktionär Oliver Merget für kurze Zeit die Nazikneipe „Zum Wikinger“ in Aschaffenburg betrieb, waren die beiden regelmäßige Gäste und Teil einer größeren Naziskinhead-Clique, die in erster Linie durch Alkoholkonsum und Gewalt auffiel.
Immer wieder suchte Scherf die körperliche Auseinandersetzung mit Antifaschist_innen in der Aschaffenburger Innenstadt. Im Jahr 2015 wurde sein Versuch, eine antirassistische Demonstration in Aschaffenburg anzugreifen, von der Polizei unterbunden. Baumann und Scherf sind im Umfeld des ehemaligen Nazishops Last-Resort in Bessenbach bei Aschaffenburg sozialisiert. Immer wieder fanden und finden in diesem Umfeld auch Naziparties statt. Erst zu Beginn des Jahres 2017 wurde eine dieser Parties durch die Polizei aufgelöst, weil auf der Gartenparty mal eben ein „riesiges Hakenkreuz“ aufgestellt wurde.
Nadine Hofmann
Unter den Angreifer_innen fand sich auch Nadine Hofmann. Sie ist in Bayern eine bekannte Neonazistin. 2015 wurde sie in als stellvertretende Landesvorsitzende in den Vorstand der Partei „Die Rechte“ gewählt. Vorher war sie bereits Vorsitzende des Kreisverbands Bamberg. Im März 2016 wurde ihr, wie auch ihrem Mann Patrick Hofmann-Kraus, die Verbotsverfügung für die „Weiße Wölfe Terrorcrew“ (WWT) zugestellt. Hofmann-Kraus war Sektionsleiter der „Weisse Wölfe Terrorcrew“, Nadine Hofmann Mitglied.
Die „Weisse Wölfe Terrorcrew“ plante unter anderem den alternativen Treffpunkt, das „Cafe Balthasar“ in Bamberg, im Anschluss an eine Demonstration „plattzumachen“. Daneben nahmen die Neonazis als weiteres maßgebliches Ziel zwei Unterkünfte für Geflüchtete ins Visier. Bereits bei Razzien im Oktober 2015 gegen Neonazis in der Region wurde auch Hofmann Ziel. Dabei wurden 16 Kilo illegale Feuerwerkskörper gefunden. Die Kugelbomben stammten aus Polen und können „tödliche Wirkung entfalten“. Wegen dieser Anschlagspläne war Nadine Hofmann zeitweise inhaftiert. Hofmann trug in Halle zwar keinen Pullover der „Aryans“, war aber mit der Gruppe unterwegs und posierte bereits auf Facebook mit besagtem Kleidungsstück.
Kevin Link
Kevin Link trat beim Eichsfeldtag 2017 auf der Bühne mit einem „Aryans“-Pullover auf. Er ist nicht nur als Teil der Band „Randgruppe Deutsch“ bekannt. In der Vergangenheit trat er unter verschiedenen Pseudonymen (Kein Zurück, Kronos, etc.) auf oder veröffentlichte einzelne Lieder auf Youtube oder Facebook. So ließ er auch ein Lied veröffentlichen, welches mit Grafiken der „Aryans“ unterlegt ist. Link ist aber nicht nur in der Rechts-Rock-Szene bekannt. Seine Teilnahme an Treffen sowie überwachte Telefonate führten dazu, dass er im Prozess gegen die als rechtsterroristisch eingestufte Oldschool-Society, vom VS als der „Sprengmeister“ der Gruppe benannt, aber nicht angeklagt wurde. So drohte Link in einem Telefonat damit, die Limburger Moschee mit einem Molowtovcocktail „flach“ zu machen. Mittlerweile ist Link aus dem hessischen Limburg nach Thüringen gezogen. (mehr in Lotta #63 „Kein Zurück“)
Der Rest
Außerdem befanden sich unter den Angreifern Mario Rabald aus Halle, Dario Cardiello (Wittlich in der Eifel), Fabian Rosskopf (Raum Frankfurt).
Fazit
Letztendlich muss festgehalten werden, dass es sich um eine extrem aggressive und gewalttätige Gruppe handelt mit durchaus terroristischen Bestrebungen einzelner Mitglieder. Egal ob „Aryans“ oder „Division Braune Wölfe“, das Auftreten wirkt martialisch und ihr Ziel scheint einzig die möglich Konfrontation zu sein. Ob der Angriff am 1.Mai in Halle Konsequenzen staatlicher Repression zur Folge haben wird bleibt abzuwarten. Darauf zu hoffen wäre sicher fatal und fahrlässig. Das schon fast absurd martialisch Auftreten der hier beschriebenen Gruppierungen sollte bei Antifaschist_innen nicht dazu führen, sie nicht ernst zu nehmen. Der Vorfall in Halle zeigt klar, dass konsequentes antifaschistisches handeln angesagt ist.
Auf allen Ebenen und mit allen Mitteln.