Zur innerlinken Kontroverse im Anschluss an die Aktion an Free’s Bude:

Im Zuge der „make racists afraid again“ Kampagne kam es Anfang Februar zu einer Sprühaktion an einem Laden (Free’s Bude) in Frankfurt-Bockenheim, die zu kontroversen Auseinandersetzungen in Teilen der Frankfurter Szene führte.

Im Folgenden dokumentieren wir die Aktionserklärung sowie eine Kritik der „Recherche Rhein-Main“ an der inhaltlichen Ausrichtung der gesprühten Parole.

Weiterhin veröffentlichten der „AK 8. Mai“, Zusammen e.V. und Teile der ANK Kritiken an der Aktion, die inhaltlich die Aktivitäten von Frankfurter Antifagruppen zum antimuslimischen Rassismus diffamieren, darüber hinaus die Antifa United Frankfurt (AUF) als Täter darstellt und weitgehende Teile der Frankfurter Szene der Mittäterschaft beschuldigt. Die Frankfurter Rundschau und die Frankfurter Neue Presse nahmen diese Debatte auf und suggerierten einer breiteren Öffentlichkeit, es gäbe eine Spaltung der Frankfurter Antifa. In Reaktion darauf veröffentlichte ein großes Spektrum der beschuldigten Gruppen ein Statement, das ihr weiter unten findet. Die Breite der Debatte ist für uns Anlass, Teile daraus zu dokumentieren.

Kein DAESH support in FFM

Frankfurt – 11.02.2017. Am 07.02.2017 haben wir den Sandwich Laden ‚‘Free’s Bude‘‘ von Sadiq Zadran auf der Leipzigerstraße mit dem Schriftzug ‚‘FUCK IS‘‘ versehen. Damit nehmen wir Bezug auf Zadrans Kontakte in die salafistische Szene und seinem Song ‚‘Charlie Hebdo‘‘, veröffentlicht im März 2016, indem er islamistische Terrorakte pathetisch darstellt und propagiert. Zudem ist ihm nachzuweisen, dass er Kontakt zu dem Salafisten-Prediger Pierre Vogel hat, der ihn aufgrund Zadrans Beliebtheit bei Jugendlichen auch zu öffentlichen Treffen einlud.
Zadran ist außerdem ein guter Freund von Bilal Gümüs, der das Restaurant ‚‘Andalus Grillhaus‘‘ im Gallus betrieben hat. Dies wurde aufgrund von Hygienemängeln geschlossen. Im Rahmen dessen konnte aufgedeckt werden, dass Gümüs DAESH (‚‘IS‘‘) nicht nur inhaltlich, sondern auch finanziell aus Frankfurt heraus unterstützt. An dem Laden neben der Westapotheke der jüngst auf der Leipzigerstraße eröffnet wurde, ist ein Schild angebracht, das vom Design her dem des ‚‘Andalus Grillhaus‘‘ entspricht. Auch wenn Zadran betont, kein Anhänger des IS oder anderen terroristischen Vereinigungen zu sein, bewegt er sich in diesen Kreisen.
Dies verurteilen wir und sprechen mit unserer Botschaft im Rahmen des #makeracistsafraidagain Aktionsmonat eine Warnung aus!

Anmerkungen zum Angriff auf „Free‘s Bude“ in Frankfurt

17.02.2017. Am 7.2.2017 wurde im Rahmen der Kampagne „Make racists afraid again“ der Imbiss „Free‘s Bude“ auf der Leipziger Straße in Frankfurt-Bockenheim mit dem Schriftzug „Fuck IS“ markiert. Dies hat uns positiv überrascht, schien die sehr aktive islamistische und salafistische Szene der Region bis her doch nicht im Fokus zu stehen.
Liebe Aktivist_innen,
erfreut haben wir zur Kenntnis genommen, dass ihr im Rahmen der Kampagne „Make racists afraid again“ euch dem Imbiss „Free‘s Bude“ auf der Leipziger Straße in Frankfurt-Bockenheim gewidmet habt. Dies hat uns positiv überrascht, schien die sehr aktive islamistische und salafistische Szene der Region bis her doch nicht im Fokus zu stehen.
Wir finden es wichtig, dass antifaschistische Aktionen immer auf Grundlage von überprüften Informationen stattfinden. Sie sollten nicht von bloßen Vermutungen angeleitet sein, sondern sollten bis ins Letzte geprüft sein. Leider war das nur in Teilen der Fall. Im Folgenden wollen wir euch einige Anmerkungen zum Hintergrund von Sadiq, Bilal Gümüs und dem „Andalus Grillhaus“ geben.
In Eurem Text schreibt ihr: „Zadran ist außerdem ein guter Freund von Bilal Gümüs, der das Restaurant ‚‘Andalus Grillhaus‘‘ im Gallus betrieben hat.“
Zwar sind Gümüs und Sadiq laut Medienberichten befreundet, jedoch gehen wir nicht von Bilal Gümüs als (ehemaligen) Betreiber des „Grillhaus Andalus“ aus. Wir gehen bis jetzt von einer Geschäftsführung bestehend aus drei Personen aus, unter denen sich nicht Bilal Gümüs befand. Solltet ihr andere Informationen haben, würden wir uns freuen, wenn ihr diese darlegt.
Daran anschließend schreibt ihr, dass: „Im Rahmen dessen aufgedeckt werden [konnte], dass Gümüs DAESH (‚‘IS‘‘) nicht nur inhaltlich, sondern auch finanziell aus Frankfurt heraus unterstützt.“
Auch diese Aussage ist so nicht zutreffend. Zum einen war es „nur“ ein Mitarbeiter des Grillhauses Andalus – nicht Bilal Gümüs – der seinen Bruder und andere Anhänger der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) finanziell unterstützt haben soll, zum anderen positionieren sich Bilal Gümüs und Pierre Vogel inzwischen offen gegen den „Islamischen Staat“. Dies spiegelt sich auch in ihrer Wortwahl wieder. In den Videos wird inzwischen vom „Idiotischen Staat“ gesprochen, es zeigt sich in öffentlichen Aktionen, wie der am 03.09.2016 in Bremen abgehalten Kundgebung mit dem Titel „Isis ist nicht der Islam“ und zudem ruft Pierre Vogel seit einiger Zeit dazu auf (vermeintliche) Anhänger des IS zu denunzieren. „Wir bitten euch, uns alle Namen, Adressen und Bilder von euch bekannten Baghdadi-Fans zukommen zu lassen“. Dies führte zu einer vertieften Spaltung innerhalb der islamistischen Szene. So verschärfte sich besonders die Konfrontation mit dem in Ludwigshafen lebenden „Gefangenenunterstützer“ Bernhard Falk oder dem „Prediger ohne Gesicht“ Abu Walaa aus Hildesheim. Dies ändert natürlich nichts an der Gefährlichkeit von Gümüs und Vogel. Ihre mittlerweile erfolgte Distanzierung vom IS, ändert nichts daran das ihre Organisationen als Durchlaufs- und Radikalisierungsstation für bewaffnete Dhjadistinnen dienten und dienen. So war Gümüs in der Vergangenheit Kopf der Frankfurter Lies-VerteilerInnen des Salafisten Ibrahim Abou Nagie. Während es in Deutschland um Abou Nagie ruhiger geworden ist, ist Gümüs umso aktiver. So koordiniert er seine eigenen Verteilaktionen, „Die Biographie des edlen Propheten“ bzw. „We love Muhammad“, bei der, beispielsweise auf der Zeil in Frankfurt, neue AnhängerInnen geworben werden sollen. Weiterhin organisiert er islamistische Mekka-Reisen ab dem Flughafen Frankfurt mit, bei denen regelmäßig sein enger Weggefährte Pierre Vogel mitfliegt. Im Gegensatz zum „IS“ rufen Vogel und Gümüs nicht zum bewaffneten Kampf auf, sondern sehen ihre Arbeit in dem Missionieren neuer IslamistInnen in Deutschland.
In Bezug auf Sadiq kommt die FR 2014 zu einem nach wie vor richtigen Schluss:
„Sadiq hat seine eigene Weltsicht, eine, in der Muslime stets Opfer sind, das Gute immer vom Islam kommt, hingegen alles Schlechte, das von Muslimen begangen wird, nicht dem Islam zugerechnet werden darf. Salafisten wie Pierre Vogel sieht er einer „Verfolgung“ durch die Medien ausgesetzt, ebenso wie Ibrahim Abou Nagie, den Organisator der Koranverteilungsaktion „Lies“. Zu ihm steht er in noch engerem Kontakt. Bilal G., ranghohes Mitglied im Lies-Netzwerk, ist ein enger Freund von Sadiq.“
In dem Video zu seinem Song „Charlie Hebdo“ wird Sadiq festgenommen und dann von bewaffneten Islamisten befreit. Gleichzeitig besingt er das Attentat auf die Redaktion von Charlie
Hebdo aus der Perspektive der Attentäter:
„Ziel auf den Zeichner der Karikatur
Verbrenne die Blätter der Charlie Cartoons
Durchlöcher die Bullen am Pariser Turm“
Weiter verbreitet er antisemitische Verschwörungstheorien:
„Ob Trump oder Clinton es regieren Rockefeller & Rotschild… Wen Jucken die Wahlen…“
Generell besteht derzeit in Bezug auf salafistische und islamistische Strukturen das Problem, dass nur staatliche und geheimdienstliche Quellen als Grundlage eigener Überlegungen und Recherchen dienen. Dieser Missstand ist besonders darauf zurückzuführen, dass wir als radikale Linke dem Themenbereich Islamismus nicht die notwendige Aufmerksamkeit schenken.
Dabei hätte es bei dieser Aktion bereits gereicht die vorhandenen Presseveröffentlichungen und Berichte von staatlichen Behörden zu lesen. Wegen der inhaltlich groben Fehler blicken wir mit Zwiespalt auf die durchaus richtige Aktion. Wir hoffen, dass sie dazu führt, dass sich nun endlichmal ernsthaft diesem wichtigen Thema gewidmet wird.
Recherche Rhein Main
PS: Sadiq betreibt seit einiger Zeit in Worms die Parfümerie MisQ!

Gruppenübergreifende Stellungnahme

Dieser Text ist eine Klarstellung in der Debatte um die Sprühaktion gegen Free‘s Bude. Er richtet sich einerseits an eine interessierte Öffentlichkeit, andererseits an diejenigen, deren Ziel es zu sein scheint, die Frankfurter Linke zu sabotieren und zu denunzieren, sowie deren Bündnispartnern. Die hier unterzeichnenden Gruppen sind sicherlich in ihren Ansichten, Positionen und Aktionen unterschiedlich – teilen aber das gemeinsame politische Projekt, die befreite Gesellschaft.
I. Eine Sprühaktion ist kein Anschlag. Die Aktion wurde, namentlich von AK 8.Mai, Zusammen e.V sowie Teilen der ANK, aufgebauscht und in den Kontext von rassistischen Brandanschlägen gestellt. Nach dem Prinzip der Kontaktschuld wird, durch die genannten Gruppen, ein Zusammenhang zwischen der Aktion, der Antifa United und schließlich „der Antifa“ als Ganzes hergestellt. Sie setzen Islam und Salafismus gleich und solidarisieren sich mit einer reaktionären Strömung, um Frankfurter Antifaschist*innen mit Rassist*innen gleich zu setzen.
II. Kritik wurde in unsolidarischer Art und Weise geäußert. Während in dem Bekennerschreiben niemals Antifa United Frankfurt genannt wird, konstruieren AK 8.Mai, Zusammen e.V und Teile der ANK eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Bündnis und dem Schriftzug. Dies ist eine Denunziation, die mit einer kritisch-solidarischen Auseinandersetzung nichts mehr zu tun hat. Mit Gruppen, die andere denunzieren, arbeiten wir nicht zusammen.
III. Antifa United hat unter dem Motto „Make racists afraid again“ zu einer Kampagne gegen Nazis und Rassist*innen aufgerufen. Es handelt sich dabei um eine offene, autonome Kampagne, an der sich verschiedene Gruppen, Zusammenhänge und Einzelpersonen beteiligten. Es gibt keine zentrale Koordination oder Verantwortlichkeit für die einzelnen Aktionen, was eine kritische Bezugnahme nicht ausschließt.
IV. Politische Aktionen, insbesondere militante, müssen inhaltlich begründet und ordentlich recherchiert sein. Diese muss das gesellschaftliche Klima und den politischen Kontext, hier den grassierenden antimuslimischen Rassismus und im internationalen Rahmen, die konterrevolutionäre Rolle der islamistischen Bewegung, mitbeachten. (Als Beispiel solidarischer Kritik verweisen wir auf den Text von Recherche Rhein Main zum Tag an „Free’s Bude“ https://linksunten.indymedia.org/en/node/204240)
V. Die Kritik an Religion ist eine linke und aufklärerische Selbstverständlichkeit, die an den Verhältnissen ansetzt, die Religionen immer wieder hervorbringen. Dabei geht es nicht um die private Religionsausübung, sondern um den politisch-fundamentalistischen Ausdruck, der vollkommen inkompatibel zu linken Ansätzen ist. Wer sich mit religiösen Fundamentalist*innen wie z.B mit Islamist*innen, solidarisiert, verabschiedet sich aus jedem linken Konsens. Die Unterstellung unsere Anliegen seien rassistisch weisen wir aufs Schärfste zurück.
VI. Das Verhalten von AK 8. Mai, Zusammen e.V. und Teilen der ANK beweist erneut, dass sie an der notwendigen Zusammenarbeit gegen Rassismus, Faschismus und Fundamentalismus nicht interessiert sind. Ihre Vorgehensweise ist unverantwortlich und unsolidarisch. Durch das Verlassen jeder methodisch sowie politisch akzeptablen Grundlage haben sie sich endgültig aus der Linken verabschiedet. Dies betrifft unsere Antirepressionsstandards sowie ihr Verhältnis zu Reaktionären. Mit Gruppen, die andere denunzieren, arbeiten wir nicht zusammen.
Mit diesem Text ist für uns alles gesagt. Es wird von uns diesbezüglich keine weitere Stellungnahme mehr geben, wir werden auf keine Texte und Provokationen reagieren. Wir werden uns weiter dem Kampf gegen die Faschist*innen und Rassist*innen, gegen Kapital und Patriarchat widmen.