Das neue Jahr begann gleich unterirdisch, mit dem rassistischen Polizeikessel in Köln. Die rassistische Hetze auf Männer aus dem Maghreb wurde natürlich bereits im letzten Jahr mit dem Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt befeuert. Bei manchen schien es, als wären sie froh, dass Deutschland auch einmal als wichtiges Ziel getroffen wurde und das Brandenburger Tor endlich mal in Schwarz-Rot-Gold leuchtete. Und wie zu befürchten war, wird nun zugunsten der „Sicherheit“ sogleich jedes Mittel in Stellung gebracht: Vermehrte Abschiebungen, verstärkte Videoüberwachung und ganz aktuell die elektronische Fußfessel auch für „Gefährder“: Die rechtliche Unschärfe des Begriffs ist bekanntlich ebenso problematisch wie die Ausweitung auf weitere Personengruppen. Der rechte Roll-back nimmt auch in der Flüchtlingspolitik rasant weiter an Fahrt auf, in Deutschland werden mit Blick nach rechts immer weitergehende rassistische Gesetze beschlossen, da braucht es die AfD bei der Bundestagswahl gar nicht mehr.
Afghanistan-Abschiebungen und „freiwillige Ausreisen“
Im Dezember begann die Bundesregierung mit Abschiebungen nach Afghanistan. Am 15.12. startete der erste Flieger mit 34 Personen von Frankfurt nach Kabul, deren Asyl abgelehnt worden war. De Maizière beeilte sich sofort zu lügen, dass jeder dritte von ihnen ein Straftäter sei. Während im Terminal des Flughafens Frankfurt spontan eine große Demo lautstark und wütend protestierte, hob draußen eine Charter-Maschine der italienischen Airline Meridiana ab. Offiziell fliegt diese Airline nicht von Frankfurt aus und taucht daher in den Flugplänen nicht auf. Die Kosten des von Frontex organisierten Fluges betrugen 350.000€, die Begleitung aus 93 Beamten der Bundespolizei erstickten etwaige Gegenwehr im Keim. Am 23. Januar wurden bereits die nächsten 26 Menschen von Frankfurt nach Kabul abgeschoben. Hier war wohl nur zufällig keine Person aus Hessen dabei, denn Hessen lehnt einen Abschiebestopp ab. Anders übrigens als andere Bundesländer, die aufgrund der verschlechterten Lage derzeit von Abschiebungen absehen. Die Bundesregierung bleibt aber dabei: sie sieht keinerlei Grund, Abschiebungen nach Afghanistan in Frage zu stellen.
Bei den beiden vergangenen Abschiebungen konnte sich ein Teil der Personen ihrer Abschiebung entziehen. Die nächsten 13 Flüge nach Kabul sind bereits bei Meridiana gebucht. Gefährdet von einer Abschiebung nach Afghanistan sind vor allem junge Männer, doch in den afghanischen Communities herrscht derzeit überall Unsicherheit und Angst, so dass das gewünschte Konzept der Abschreckung bereits Wirkung zeigt. Doch es wird sich zeigen, inwieweit weitere Abschiebungen durchgeführt werden können, denn es gibt massiven Widerstand: Bundesweite Demonstrationen und lokal direkte Unterstützung durch rechtliche Hilfe und schützende Orte.
Achtet auf Ankündigungen: #Afghanistan ist nicht sicher!
McKinsey und Co. als Teil des Schweinesystems
Der aktuelle Versuch der vermehrten Durchsetzung von Abschiebungen ist Teil der Empfehlungen der Beraterfirma McKinsey. In Zusammenarbeit mit den Unternehmen „Ernst&Young GmbH“ und „Roland Berger“ erhielt McKinsey für ihre Beratung des BAMF insgesamt 1,8 Millionen Euro. Die drei Firmen, die jeweils Büros in Frankfurt und weiteren deutschen Städten unterhalten, sind keine Unbekannten, sie hatten in der Vergangenheit bereits kräftig mit der Beratung der Bundesagentur für Arbeit gegen Hartz IV-Bezieher*innen abgesahnt. In ihrer Studie für das BAMF raten sie, den Druck auf abgelehnte Asylbewerber zu erhöhen, indem vermehrt „freiwillige Ausreisen“ durchgeführt werden, weitere Abschiebeknäste zu errichten sowie Sachleistungen wieder einzuführen. Sogenannte „Freiwillige Ausreisen“ sollen in diesem Jahr noch deutlich vermehrt eingesetzt werden, da es besser klingt als „Abschiebung“ und weniger Widerstand hervorruft. Allein in Hessen sind vergangenes Jahr über 6.000 Menschen „freiwillig“ ausgereist worden. Die International Organisation for Migration (IOM) betreibt dieses Geschäft zusammen mit willfährigen Hilfsorganisationen als Handlanger vor Ort in den hiesigen Unterkünften. Dort werden bereits verzweifelte Menschen unter Druck gesetzt, in ihr Herkunftsland zurückzukehren. Dazu droht man auch mal mit rechtlichen Falschaussagen zu angeblich fehlenden Perspektiven. Die Bundesregierung bietet mit ihrem Programm „Starthilfe plus“ nun noch erhöhte Geldprämien. Doch wie freiwillig ist eine Entscheidung, bei der einem nur eine einzige Möglichkeit bleibt? Das Konzept der erzwungenen Freiwilligkeit funktioniert bislang und bisher regt sich dagegen kaum Widerstand. Aktionen unter dem Motto „Farbe bekennen“, wie gegen die Büros der IOM in Thessaloniki und Athen könnten da eine Anregung sein.
They want the Sea to kill…
Der dreckige EU-Türkei-Deal wird am 18. März ein Jahr alt, seitdem ist in der Türkei unter Erdogan viel passiert, doch der Deal wird gnadenlos aufrecht erhalten, um jeden Preis. In der Ägäis ertrinken die Menschen nicht mehr, hier stirbt man jetzt anders. Abschiebungen aus Griechenland in die Türkei finden regelmäßig statt und auch die Lage der Geflüchteten in Griechenland ist weiterhin elend. Im letzten Frühling waren von der griechischen Regierung Zehntausende vom Grenzort Idomeni vertrieben worden und damit aus der öffentlichen Wahrnehmung verbannt. Sie warten nun in improvisierten Lagern auf ihr erzwungenes Asylverfahren in Griechenland. Tausende sitzen außerdem auf den griechischen Inseln fest. Die letzten Monate forderten mehrere Tote allein in den Lagern, wo die Menschen erfrieren und verhungern. In diversen Lagern treten Menschen daher derzeit in Hungerstreik, um auf ihr Elend aufmerksam zu machen.
Nach dem Vorbild der Türkei wird jetzt ein ähnlicher Deal mit Libyen versucht, einem failed state mit konkurrierenden Regierungen und Militärs, skrupellos und mörderisch. Anfang Februar wurde dieser Deal zwischen der EU und Libyen auf einem Gipfeltreffen auf Malta vorangetrieben, während zeitgleich auf dem Mittelmeer 1.000 Menschen vor der libyschen Küste von seeuntüchtigen Booten aus Seenot gerettet werden mussten, weil ihnen eine legale Einreise nach Europa verwehrt ist.
…we want a Bridge to Life!
Über 5.000 Menschenleben hat die Flucht über das Mittelmeer im Jahr 2016 gekostet, über 1.000 Tote mehr als im Jahr zuvor. Beim Deal mit Libyen ist der EU aber vor allem wichtig, dass möglichst keine weiteren Flüchtlinge nach Europa kommen. Die EU trainiert sich dort eine Küstenwache heran, die Zugang zu den Ortungsinstrumenten der NATO und EU-Militärschiffe der „Operation Sophia“ erhält, um Boote aufzuspüren. Zur Unterstützung der libyschen Küstenwache dürfen diese im Gegenzug bis direkt vor der libyschen Küste agieren. So soll dafür gesorgt werden, dass möglichst kein Boot mehr in internationale Gewässer gelangt und damit auch nicht von Rettungsschiffen wie der Sea Watch oder Médecins Sans Frontières (MSF) gerettet werden kann. Flüchtlinge sollen stattdessen in libyschen Lagern gefangen werden, man träumt außerdem davon, dorthin auch wieder abzuschieben. Eben diesen Lagern hatte das Auswärtige Amt jüngst KZ-ähnliche Verhältnisse bescheinigt, wegen regelmäßiger dort stattfindender Exekutionen, wegen Folter und Vergewaltigungen. Wie verlässlich die libysche Küstenwache ist, hatte sich bereits im vergangenen Jahr auch mehrfach gezeigt, als libysche Militärs Rettungsschiffe von NGOs beschossen und dafür sorgten, dass Flüchtlingsboote kenterten und Menschen ertranken. Auch sind Teile des Apparats selbst in das lukrative Geschäft der Schlepperei involviert.
Gegen die Flucht nach Europa wird auf vielen Ebenen agiert: So versucht Frontex etwa, die Arbeit der Schiffe ziviler Rettungsorganisationen im zentralen Mittelmeer zu kriminalisieren. Die Grenzschutzbehörde beschuldigte jüngst NGOs wie die Sea-Watch öffentlich, mit den Schleppern vor Libyen gemeinsame Sache zu machen. Diese Kampfansage an diese Rettungsschiffe kann als zusätzliches Bemühen verstanden werden, Ankünfte von Geflüchteten in Europa zu verhindern. Die Küstenwache ist schon aktiv vor Libyen: Bereits in den ersten Wochen des neuen Jahres sind hunderte Menschen vor der libyschen Küste aufgegriffen und weggeschafft worden. Inwieweit die EU ihre übrigen Pläne dort durchsetzen kann, bleibt abzuwarten, doch aufgrund dieser Auseinandersetzungen droht das zentrale Mittelmeer in diesem Jahr zu einem besonders brutalen Schauplatz im Kampf um Leben und Tod zu werden. Die Zahl der aktuell 228 Ertrunkenen des neuen Jahres wird bei Drucklegung der swing vermutlich bereits veraltet sein. Hören wir nicht auf, weiterhin laut und offensiv für Bewegungsfreiheit und offene Grenzen einzutreten und das Grenzregime immer und überall anzugreifen.
Stop this Crime! Grenzenlose Solidarität ist unsere Antwort!
Die beschriebenen aggressiven Vorstöße der EU gegen offene Fluchtwege und das Recht auf Leben präsentieren freilich nur einen kleinen Ausschnitt der aktuell umfassenden Versuche, Migration zu beherrschen. Doch wir geben nicht auf! Zum 18. März 2017 wird am Jahrestag des Türkei-Deals und den Protesten gegen Krisenregime in Frankfurt 2015 zu einem europäischen Aktionstag gegen Rassismus, Faschismus und Austerität aufgerufen. Auf Initiative des Hotels City Plaza (das zweifellos beste Hotels Europas) in Athen finden in mehreren deutschen und europäischen Städten finden aus diesem Anlass Veranstaltungen und Aktionen statt. In Frankfurt wird es vom 17.-19. März einen Dreiklang aus Diskussionsveranstaltung, Demonstration und regionalem Vernetzungstreffen geben. Stay tuned!