23 Jahre ist es her, seitdem das PKK-Verbot in Deutschland erlassen wurde. Das Verbot wurde 1993 erklärt, also in demselben Jahr, in welchem die PKK erstmals einen einseitigen Waffenstillstand im Konflikt mit der Türkei ausrief und ihr Vorsitzender erklärte, dass die kurdischen Frage in irgendeiner Form wohl auch innerhalb der Grenzen des türkischen Staates zu lösen sei. Ebenfalls im Mai desselben Jahres gingen in der Stadt Bonn rund 100.000 Menschen auf die Straßen, um ein Ende des schmutzigen Kriegs in Kurdistan und eine friedliche Lösung einzufordern. In solch eine Zeit fällt der Erlass des PKK-Verbots durch den damaligen deutschen Innenminister Kanther.
Die Folgen des Verbots sind bis in unsere Gegenwart verheerend. Denn die Repressionen und Kriminalisierung durch den deutschen Staat sind für die zweitgrößte Migrantengruppe in Deutschland, den Kurdinnen und Kurden, seitdem zu einem festen Bestandteil ihres Lebens geworden. Jugendliche werden vom Verfassungsschutz unter Druck gesetzt und/oder als Spitzel angeworben; Diskussionsveranstaltungen an Universitäten oder anderen Räumen des öffentlichen Lebens werden verboten; auf Demonstrationen werden Fahnen, selbst von Vereinen, die nach deutschem Vereinsrecht ordnungsgemäß eingetragen sind, ebenso verboten wie das Rufen bestimmter Parolen; manchmal werden Demonstrationen gar ganz untersagt; Mitgliedern kurdischer Vereine wird die Einbürgerung aufgrund ihres Engagements verweigert, anderen wird der Aufenthaltstitel aberkannt; kurdischen Aktivistinnen und Aktivisten wird nach §129b der Prozess gemacht, manche von ihnen werden für Jahre hinter Gittern gesteckt… Die Liste ließe sich vermutlich noch um einiges erweitern.
Das PKK-Verbot war in erster Linie eine außenpolitische Entscheidung der deutschen Bundesregierung. Es hatte damals genauso wenig eine Berechtigung, wie heute. Und auch wenn sich in den letzten Jahren im Mittleren Osten so vieles, und mit ihr auch die PKK, gewandelt hat, hält die Bundesregierung stur am Verbot der PKK fest. Doch was sich derzeit wandelt, ist die öffentliche Stimmung. War es in den vergangenen Jahren der Kampf gegen den sog. Islamischen Staat, der die öffentliche Aufmerksamkeit auf die PKK lenkte, so ist es gegenwärtig insbesondere ihre Rolle als oppositionelle Kraft gegen das despotische Erdogan-Regime. Der Umbau der Türkei in Richtung einer Diktatur verläuft in schnellen Bahnen. Den Raum für eine politische Opposition kann man beim besten Willen nicht mehr erkennen. Und die PKK hat in den letzten Jahren eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sie auf das Primat der friedlich-politischen Lösung setzt, insofern der Konfliktpartner auch nur den Ansatz des Verhandlungswillens unter Beweis stellt. Doch darauf pfeift das Erdogan-Regime derzeit komplett. Sie hat eine andere Agenda, und diese führt über die Vernichtung jedweder Opposition. Dass nach der „Säuberung“ der Gülen-Strukturen innerhalb des eigenen Staates, die ja für den Putschversuch vom 15. Juli verantwortlich gemacht wird, nun die Strukturen der kurdischen Bewegung ganz oben auf der Abschussliste der AKP stehen, rührt daher, dass diese die einzige ernstzunehmende Opposition gegen den Kurs Erdogans in Richtung Präsidialdiktatur darstellt. Ist diese Opposition beseitigt – und Erdogan setzt im In- und Ausland alle Räder in Bewegung, um dieses Ziel zu erfüllen – dann wird die Auslöschung der restlichen Opposition keine große Schwierigkeit mehr darstellen.
Doch kommen wir zurück zum PKK-Verbot in Deutschland: Die deutsche Bundesregierung leistet derzeit durch ihr Festhalten an der Verbotspraxis aktive Schützenhilfe für die oben beschriebene Politik der Türkei. Die Türkei ist derzeit der große Instabilitätsfaktor im Mittleren Osten. Sie führt Krieg in Syrien und arbeitet dort aktiv mit dschihadistischen Gruppen zusammen. Sie will unbedingt im Irak Krieg führen, baut dort sunnitische Milizen auf und befeuert den schiitisch-sunnitisch Konflikt in der Region, sie führt grenzübergreifend Krieg gegen die kurdische Bevölkerung, und sie setzt auf eine aggressive Expansionspolitik sowohl gen Westen als auch gen Osten. Jede Aufforderung zur Mäßigung dieser Politik schlägt die AKP aus, indem sie auf den „Kampf gegen den Terror“ verweist, und zwar „den Terror einer Organisation, die ja immerhin in Deutschland und Europa auch als Terrororganisation gilt.“ Das ist nicht nur das Totschlag-Argument der AKP, sie fordert immer wieder auch die deutsche Politik dazu auf, doch die Organisation effektiver zu verfolgen, die sie selbst verboten hat. Und die Reaktion der deutschen Bundesregierung aus der Rechtfertigungsposition heraus lautet in etwa wie folgt: ‚Wir verfolgen doch die PKK bereits effektiv, was wollt ihr denn noch von uns.‘
Das PKK-Verbot als Repressionsmittel des deutschen Staates ist also nicht nur aus innenpolitischer Sicht nicht haltbar, denn durch das Verbot werden grundlegende demokratische Rechte der Kurdinnen und Kurden in Deutschland systematisch beschnitten. Auch aus außenpolitischer Sicht und ganz pragmatisch betrachtet ist dieses Verbot zu einem Klotz am Bein des deutschen Staates im Umgang mit der Türkei verkommen. Und an dieser Stelle noch kurz bemerkt sei, dass sich die deutsche Politik durch ihr Festhalten an der Verbotspraxis gegen die PKK mitverantwortlich für die Konsequenzen einer aggressiven Kriegspolitik der Türkei macht, deren Folgen derzeit kaum zu kalkulieren sind.
Aus diesem Grund möchten wir alle nochmal dazu anregen, sich darüber Gedanken zu machen, was das mittlerweile 23 Jahre alte PKK-Verbot in Deutschland bedeutet!
Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit, 27.11.2016