Am 23.06.2020 hat das Bundesverwaltungsgericht über die Klage des BUND gegen den Ausbau der A49 und damit einhergehend über die Zerstörung weiter Teile des Dannenröder Waldes
verhandelt. In Anbetracht des 1,5°C Klimaziels und der dafür notwendigen drastischen CO2 Emissionsreduktionen ist es ein Skandal, dass in Deutschland weitere Autobahnen gebaut werden.
Um auf die verheerenden Folgen für Klima, Wasser und Wald durch die potentielle Autobahn aufmerksam zu machen, wurde am Wochenende vom 19.-21.06. bereits an 11 Orten demonstriert. Die Dannenröder Waldbesetzung hatte im Vorfeld zu diesem Protest aufgerufen. Zahlreiche
Fridays for Future-, sowie Extinction Rebellion, Greenpeace und Klimagruppen haben sich mit der Besetzung und dem Kampf für eine sozial-ökologische Verkehrswende solidarisiert. Es gab mehrere Fahrrad-Demos, Solidaritätsbekundungen mit Bannern, teils auf Autobahnbrücken, teils auf Bäumen, sowie einen mit vertrockneten Bäumen gestalteten Infostand. Darüber hinaus wurde mit einer mehrstündigen Blockade der hessischen Landeszentrale der Grünen und des hessischen Verkehrsministeriums auf die klimapolitischen Missstände aufmerksam gemacht und der Versuch unternommen mit dem Verkehrsministerium in Kontakt zu treten. Während des lauten Protestes vor den Türen des Bundesverwaltungsgerichts, wurde hinter den für uns verschlossenen Türen
entschieden, die Klagen des BUND aus formalen Gründen abzuweisen. Das Gericht hat jedoch in aller Klarheit festgestellt, dass die Untersuchungen zum Trinkwasserschutz fehlerhaft sind und die
Wasserrahmenrichtlinie nicht beachtet ist. Es „[…] erweist sich der Planfeststellungsbeschluss vom 30. Mai 2012 unter Berücksichtigung der späteren Rechtsprechung des EuGH hinsichtlich der wasserrechtlichen Prüfung als fehlerhaft. Er enthält zwar umfangreiche Untersuchungen insbesondere zur Straßenentwässerung und zum Trinkwasserschutz. Es fehlt aber eine Prüfung anhand der speziellen Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie.“ so das BVerG.
Die Besetzung des Dannenröder Waldes wird durch diese Entscheidung unter erhöhten Druck gesetzt. Es gibt nun keine juristische Zwischeninstanz mehr, die den Wald und das Trinkwasser vor dem Autobahnausbau schützt. Die Waldbesetzung wird fortan durch eine „grün“ geführten Regierung konfrontiert, die trotz Klimakrise und Trinkwassergefährdung die A49 bauen möchte. Die Besetzung ruft das Verkehrsministerium zu einem sofortigen Umdenken auf. Bis dieses eintritt, bleibt es notwendig den Wald unter dem Einsatz unser Körper zu schützen. Der Dannenöder Wald bleibt besetzt.
Hintergrund
Die geplante A49, die von Kassel nach Süden mit Anschluss an die A5 verlaufen soll, gefährdet sowohl den Dannenröder Forst als auch den nahegelegenen Herrenwald und Maulbacher Wald. Der Herrenwald ist ein Flora-Fauna-Habitat und der Dannenröder Wald liegt in Mitten eines Trinkwasserschutzgebietes, das 500.000 Menschen mit Wasser versorgt. Die sogenannten „Ausgleichsmaßnahmen“, die von den Verantwortlichen vorgesehen sind, kommen nicht einmal ansatzweise für die Schäden auf, die eine Abholzung der Wälder mit sich führen würde und sind in vielen Fällen sehr schlecht ausgeführt. Seit dreißig Jahren gibt es bereits Widerstand gegen die A49 und Anfang Oktober letzten Jahres wurde der Dannenröder Wald von Aktivist*innen besetzt und somit in letzter Instanz die geplante Rodung des Waldes vorerst verhindert. Von dem Ausbau der Autobahn profitieren nicht zuletzt lokal ansässige Konzerne wie etwa der Autoteilezulieferer Fritz Winter oder der Süßwarenproduzent Ferrero. Diese sind hauptsächlich für den Schwerlastverkehr auf der B 62 verantwortlich, dessen Entlastung die Befürworter*innen der A 49 erwarten. Eine etwaige Entlastung der B 62 nach dem geplanten Ausbau der A 49 wird auch von DEGES Vertreter*innen gegenüber der Presse ausdrücklich weder bestätigt noch negiert. Sich einerseits Verantwortung durch Umweltschutz und „nachhaltigen Anbau“ von etwa Palmöl in den Erzeugerländern auf die Fahne zu schreiben und gleichzeitig an der Vernichtung von unersetzbarem Naturraum vor der eigenen Haustür zu beteiligen ist an Heuchlerei nicht zu überbieten. Dies reiht sich ein in zahllose Greenwashing-Kampagnen multinationaler Konzerne um ein grünes Image fern von jeder Realität zu generieren.
Reaktion auf Appell den Wald zu verlassen
Aktivist*innen im Dannenröder Wald lassen den Appell der DEGES, die Besetzung zu beenden, links liegen. Die DEGES plant mit der Rodung des Waldes ab dem 1. Oktober Fakten zu schaffen. Dies tun sie, obwohl der gesellschaftliche Konflikt um die A49 noch nicht gelöst ist. Hinzu kommt, dass nach heutigem Baurecht der Bau der Autobahn nicht realisierbar ist, wie auch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bestätigt hat. Auch der Nachweis des öffentlichen Interesses an der Autobahn ist scheinheilig. Weder kann mit Sicherheit gesagt werden, ob es zu einer Entlastung der Anwohner*innen an den Bundesstraßen kommt, noch wurde eine Bürger*innenbefragung durchgeführt. Gesichert hingegen ist, dass durch den Bau der A49 Trinkwasser in große Gefahr gebracht und ein unersetzlicher Naturraum zerstört wird.
Die Besetzer*innen sehen sich genötigt gegen den Raubbau an der Natur zu agieren und lassen sich diesen Protest nicht durch eine der Hauptadressat*innen (DEGES) regulieren. „Wenn wir gehen, wird die DEGES durch die Zerstörung dieses Waldes die Klimakrise weiter befeuern. Wenn wir die Auswirkungen unserer Umweltzerstörung minimieren und die 1,5 Grad Grenze einhalten wollen, dann müssen wir jetzt handeln. Dies bedeutet, sich aktiv gegen die Verbrechen, die vom Land Hessen, der DEGES und der Strabag begangen werden, zu stellen und sich für eine gerechte Verkehrswende einzusetzen.“ fasst Tom Wünsche aus der Besetzung die Motivation von Aktivist*innen zusammen.
Die Aktivist*innen appellieren an die DEGES,die Planung der A49 einzustellen. Außerdem appelliert die Besetzung an die Zivilgesellschaft weiter gegen den Bau der A49 und die bevorstehenden Baumfällungen zu protestieren, dies mit vielfältigen Mitteln zu tun, und die Arbeiten vor Ort aktiv zu verhindern.
Dokumentation: Versuchter Brandanschlag auf Autobahn-Baustelle
Treysa/A49, Juli 2020
In der Nacht vom 3. zum 4. Juli 2020 wurden fünf Bagger des Großkonzerns Strabag angezündet. Die Maschinen wurden für den Bau der A 49 bei Treysa, Hessen eingesetzt.
Am 23. Juni hat das Bundesverwaltungsgericht die letzte legale Hürde zum Weiterbau genommen. Auch wenn sich das Gericht nicht in der Lage sah, die Unzulänglichkeit einiger zum Bau notwendiger ökologischer Ausgleichsmaßnahmen zu verneinen, beurteilte es den lang geplanten Weiterbau der Autobahn als zu wichtig, um durch ökologische Bedenken gestoppt zu werden.
Es war lang vor der Gerichtsverhandlung in Leipzig klar, dass die Institutionen des bürgerlichen Staates, ob politisch oder juristisch, nicht in der Lage sind und nicht dazu geformt wurden, um ökologische Desaster zu verhindern. Wo die Kräfte des industriellen Kapitalismus ungehindert diesen Planeten – unsere Heimat – unbewohnbar machen, ist die direkte Aktion notwendig. Angesichts einer sogenannten „Grünen“ Partei und Justiz, die die Eskalation des Konflikts weiter provozieren, sahen wir uns genötigt mit Feuer zu antworten. Mögen das Feuer das den Nachthimmel im Schwalmtal erleuchten, die Wut all derer, die von dieser maßlosen Unverantwortlichkeit betroffen sind – wir alle – in Flammen setzen. Nein zum Bau neuer Autobahnen, Nein zur Kontamination, Nein zur Rodung im Dannenröder Wald, Nein zu ökologischer Zerstörung weltweit. Bleib nicht passiv, lass dich nicht vom Gefühl der Machtlosigkeit herunterziehen. Lasst uns die Kontrolle über unser Leben nehmen, wo der Staat versucht sie von uns zu nehmen!
Autonome Kleingruppe in Solidarität mit den Kampf gegen die A49
Ergänzung: Die Brandsätze waren zu Wochenbeginn entdeckt worden. Laut polizeilichen Ermittlern ist anzunehmen, dass die Brandsätze vermutlich aufgrund der Witterungsverhältnisse wieder ausgingen. Sachschäden an den Baufahrzeugen blieben dadurch aus.