Der Widerstand gegen Abschiebungen bleibt legitim und nötig!

Der Frankfurter Flughafen ist im Ranking der Abschiebeflughäfen dieses Jahr wieder trauriger Spitzenreiter mit 7.909 Abschiebungen, gefolgt von Düsseldorf (5.008) und München (2.495).
Und Hardliner Hessen ist in den letzten Monaten zweimal ganz besonders negativ in die Schlagzeilen gerückt: ein Ehepaar in Schlüchtern sollte nach Willen des Regierungspräsidiums Darmstadt nach 29 Jahren in Deutschland in den Kosovo abgeschoben werden – gegen die Entscheidung der Härtefallkommission, die sich bereits aus humanitären Gründen für einen Verbleib ausgesprochen hatte.

Zweiter Fall war die geplante Abschiebung einer hochschwangeren Frau aus Marburg nach Algerien über den Flughafen Frankfurt. Diese scheiterte erst am Widerstand des Piloten, das ärztliche Attest, das der Frau Fluguntauglichkeit bescheinigte, wurde ignoriert. CDU und Grüne rechtfertigen den Abschiebeversuch auch im Nachhinein. Zynischerweise wird der Frau die Schuld gegeben, für die gescheiterte Abschiebung muss die Familie zahlen: Die Stadt Marburg kürzte jetzt dem Paar die Sozialhilfe um 40%, so dass ihnen rund 165 Euro pro Person im Monat bleiben. Rechtlich stehen der Familie demzufolge der Grundbedarf für Ernährung und Unterkunft zu.

Gewalt und Zwang

Im letzten Jahr wurden bundesweit 23.617 Menschen abgeschoben. Dies betraf vor allem Menschen aus den sogenannten „sicheren Herkunftsländern“ auf dem Balkan. Besonders Dublin-Überstellungen stiegen im letzten Jahr mit 9.209 Fällen stark an. Der Einsatz von Zwang und Gewalt zur Durchsetzung von Abschiebungen hat sich seit 2015 mit 1.231 Fällen im letzten Jahr sogar fast verzehnfacht – bei annähernd gleich gebliebenen Abschiebezahlen, darunter der Gebrauch von Hand- und Fußfesseln, Haltegurten und Klettband. Gewalt und Zwang erfahren vor allem Menschen aus Nord- und Subsahara-Afrika und ist ganz offensichtlich rassistisch motiviert.

Mehr Abschiebungen scheitern

Erfreulich ist die steigende Zahl von Abschiebungen, die „in letzter Minute“ scheitern. Gründe sind Widerstandshandlungen, medizinische Bedenken (107 Male) oder die Weigerung des Piloten (506 Male). Der Widerstand gegen Abschiebungen hat sich im letzten Jahr mit 1.637 Fällen sogar verdreifacht, auch hier liegt der Frankfurter Flughafen mit 947 Beispielen weit an der Spitze.
Da Abschiebungen ja inzwischen regelmäßig nicht angekündigt werden, können Betroffene häufig nur noch in letzter Minute auf etwaige bestehende Abschiebungshindernisse wie medizinische Gründe oder familiäre Bindungen hinweisen. Hilft das alles nichts, setzen sich immer mehr Menschen als letzten Ausweg im Flieger erfolgreich zur Wehr.
Unterstützung für von Abschiebung bedrohten Menschen existieren im Rhein-Main-Gebiet außerdem drei Initiativen des „Bürger*innenAsyls“: In Frankfurt, Darmstadt und Hanau bieten sie kurzfristig Schutz in der eigenen Wohnung an, als Akt des zivilen Ungehorsams und als wichtige Ergänzung zum wichtigen Kirchenasyl.

Diffamierung und Kriminalisierung

Mit der Arbeit der als „Abschiebe-Industrie“ diffamierten Anwält*innen und solidarischen Initiativen soll jetzt nach Auffassung der Politik Schluss sein. Aus dem Innenministerium kommt ein Gesetzentwurf, der die legitime Gegenwehr gegen Abschiebungen kriminalisieren will. Nicht nur will das „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ Menschen mit diversen Verschärfungen endgültig zu rechtlosen Personen 2. Klasse machen, es soll auch gegen Unterstützerinnen vorgehen: Die Veröffentlichung von Abschiebeterminen soll demnach mit bis zu drei Jahren Haft oder mit Geldstrafe bestraft werden, der Vorstoß wird unter anderem unterstützt vom Leiter des BAMF und der GdP. Gegen die „systematische Sabotage“ werden aus der CDU/CSU Stimmen laut, etwa die öffentliche Förderung von Flüchtlingsräten zu beenden oder ihnen die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Stimmung für ein härteres Durchgreifen wird gern auch mit der allgemein hohen Abbruchquote gemacht: Die insgesamt 30.902 bundesweit in 2018 nicht stattfindenden Abschiebungen gehen aber leider gar nicht sämtlich auf das Konto mutiger widerständiger Betroffener und ihren Unterstützer*innen: 89% der Abschiebungen werden storniert, bevor die Bundespolizei überhaupt aktiv wird.
Es wird sich zeigen, was aus dem Angriff auf solidarische Strukturen wird. Womöglich dient diese Passage allein dazu, die vielen übrigen Verschärfungen leichter durchzusetzen. Voraussichtlich im April wird der Entwurf verhandelt. Der Passus gegen die Unterstützer*innen darf keinesfalls gegen die übrigen Passagen ausgespielt werden. Fest steht, dass sich Menschen nicht abschrecken lassen und auf vielerlei Weise weiterhin gegen Abschiebungen – auch unter höherem Druck und erschwerten Bedingungen – aktiv bleiben werden.
Die deutsche Abschiebemaschinerie erweitert derzeit die rechtlichen Möglichkeiten, Menschen im Vorfeld in Abschiebehaft zu stecken. Die Abschiebeknäste werden ausgebaut und mehr Haftplätze geschaffen. Bundesweit finden daher vom 10.-12. Mai Aktionstage statt, hier das Programm in der Region:

Programm der Aktionstage gegen Abschiebehaft im Rhein-Main-Gebiet

Frankfurt

Samstag, 27. April, 18 Uhr im ehem. Polizei- und Abschiebegefängnis Klapperfeld, Klapperfeldstraße 5
Filmscreening „Möglichst Freiwillig“ samt Gespräch mit Filmemacherin Allegra Schneider und zwei Protagonisten, 45 Min. / Dokumentarfilm / D 2018 / Deutsch, Englisch und Romanes mit dt. Untertiteln. Vor dem Film ist von 15 bis 18 Uhr die Ausstellung „Raus von hier“ zu den Inschriften von Gefangenen in Abschiebehaft und Polizeigewahrsam im Klapperfeld geöffnet. Veranstaltet von AK 2. Stock und Hessischer Flüchtlingsrat

Montag, 29. April, 19 Uhr

Veranstaltung „Politik der Abschiebehaft“ im Osthafenforum im medico-Haus, Lindleystraße 15, veranstaltet von Rote Hilfe Frankfurt/medico international e. V./community for all Darmstadt/AK 2. Stock

Samstag, 4. Mai, 17 Uhr

Öffentliche Führung durch das ehemalige Polizei- und Abschiebegefängnis Klapperfeld. Im Mittelpunkt der Führung stehen die Inschriften, die vor allem Gefangene in Abschiebungshaft in den Zellen des Klapperfelds bis zu dessen Schließung im Jahr 2002 hinterlassen haben.
veranstaltet vom AK 2. Stock

Donnerstag, 9. Mai, 19 Uhr

Filmvorführung „Vol Spécial“ in der Pupille – Kino in der Uni, Studierendenhaus, Mertonstraße 26-28, Vorfilm: „Im Kreis. Afghanistan ist nicht sicher“ (16 Min. / D, GR, AF 2018 / Deutsch u.a. mit dt. Untertiteln) Produktion: Fish in Water Films
veranstaltet vom Ak 2. Stock

Mainz

Samstag, 11. Mai 13 Uhr Schillerplatz
Demonstration gegen den Abschiebeknast in Ingelheim (RLP)

Darmstadt

Sonntag, 12. Mai, Knastbeben: 14:00 Uhr Demonstration und Kundgebung zum Abschiebeknast in Darmstadt-Eberstadt. 14:30 Uhr Knastbeben: Musik, Reden und Grüße für die Gefangenen. Treffpunkt 13:30 Uhr in der Marienburgerstr/Ecke Pfungstädterstr. Nähe Bahnhof Darmstadt-Eberstadt (Zugtreffpunkt in Frankfurt siehe www.100-jahre-abschiebehaft.de/aktionen) veranstaltet von Community for all Darmstadt

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