Wer in den letzten Wochen etwas aufmerksam war, hat es sicherlich mitbekommen: Endlich war mal wieder eine Besetzung in Frankfurt! Und gleich dazu viel Presse, gutes Feedback aus dem Stadtteil, breiter Rückhalt von unterschiedlichsten stadtpolitischen Initiativen und Nachbar*innen. Und so manch aufgescheuchte Politiker*innen. Das alles ist nicht einfach mal so passiert, versteht sich. Die Strategie der Besetzung ist jedoch vermutlich eine, die bei einigen auch so manches Fragezeichen ausgelöst hat. Wer ist diese Initiative, die da plötzlich ein Haus besetzt? Warum habe ich denn vorher nichts davon gehört, ich bekomme doch sonst immer alles mit? Und warum zur Hölle erscheint mir so vieles daran so bürgerlich? Auf unsere Ideen und Ansätze wollen wir von der IABF mit diesem Artikel eingehen und einen knappen Diskursbeitrag zur politischen Praxis leisten. Vielleicht lässt das manche Fragezeichen verblassen, vielleicht provoziert es auch so einige Gegendarstellungen. Über beides werden wir uns freuen.
Als Zusammenhang haben wir vor fast zwei Jahren angefangen, uns im Konflikt um das Gebäude einzumischen, Stadtteilarbeit zu leisten und sehr aktiv auf die unterschiedlichsten Menschen zuzugehen. Die Arbeit am Thema war dabei nicht immer durchgängig und in Phasen haben wir uns natürlich auch mal mehr unseren anderen laufenden Projekten gewidmet. Trotzdem sind wir dran geblieben, haben die Entwicklungen verfolgt und uns eingemischt. Wir meinen es ernst damit, wenn wir sagen, dass wir auf Dauer einen neuen Raum in Frankfurt aufziehen wollen. Auch wenn dieser Raum nicht szenetypisch aufgezogen werden soll, ist er nicht als Kritik oder gar Konkurrenz zu den bestehenden Räumen gemeint. Wir sind selbst in den bestehenden Räumen aktiv und schätzen sie als Rückzugs- und Schutzraum, da auch wir nicht immer Lust und Kraft haben, uns mit all der gesellschaftlichen Scheiße auseinanderzusetzen. Trotzdem wollen und müssen wir in genau diese Gesellschaft wirken, um auf Dauer Schritte in Richtung der befreiten Gesellschaft zu gehen. Aus diesem Grund ist unser Konzept für ein neues Zentrum zwar durchaus ein radikales, in Theorie wie Praxis, aber mit einer deutlichen Offenheit gegenüber der Verschiedenheit von Menschen, die auch nicht immer unsere Positionen teilen werden. Wir wollen aber genau auch mit diesen Menschen ins Gespräch kommen, Alternativen gemeinsam finden und aufzeigen. Schritte gehen, die lange überfällig sind. Wir wollen zusammen mit Menschen in einen Prozess gehen, um Verhaltens- und Umgangsweisen auf Dauer zum Positiven zu wenden. Diese Gesellschaft ist in vielen Bereichen toxisch und wir können das nur überwinden, indem wir Menschen einbeziehen und mit ihnen ins Gespräch kommen. Unser Zentrum wird diesem Offenheitskonzept nach im Allgemeinen leider eher kein Schutzraum sein können, wenn auch einzelne Veranstaltungen durchaus diese Funktion erfüllen können. Das heißt nicht, dass wir die Massen an potentiellen Diskriminierungsformen hinnehmen werden, mit denen wir in diesem Prozess vermutlich konfrontiert sein werden. Wir möchten dem allerdings nicht direkt mit Ausschluss, Schuld und Verdammung begegnen. Auch viele von uns haben im Laufe ihres Lebens bestimmt so den ein oder anderen Mist gebaut oder gelabert, aber wir konnten lernen und durch unser Umfeld gemeinsam wachsen. Diese Fähigkeit Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam zu wachsen, wollen wir niemandem absprechen. Es wird ein Raum der offenen Konfrontation mit wohlwollender, aber klarer Kommunikation von Grenzen und Ansprüchen sein.
Dafür erhoffen wir uns, tatsächlich das gesellschaftliche Klima mindestens in unserem Einflussbereich ändern zu können.
Der Raum soll der Nachbar*innenschaft geöffnet werden und zur Umsetzung eigener Ideen einladen. Dabei setzen wir klare Anforderungen und fördern aktiv die Reflexion der gemeinsamen Praxis. Wir wünschen uns, dass die angegangenen Projekte ohne Hierarchien und mit einem kollektiven Verständnis organisiert werden. Natürlich wollen wir dabei nicht die Avantgarde darstellen, die mit erhobenem Zeigefinger den richtigen Weg weißt. Stattdessen werden wir mit unseren eigenen Vorstellungen von Umgang und Gesellschaft auf Augenhöhe auf Beteiligte zugehen, um gemeinsam ein gutes Leben ohne Diskrimierung und Furcht auszuhandeln, eines, in dem wir ohne Angst verschieden sein können. Auf diese Art stellt unser Konzept eines Sozialen Zentrums auch einen sozialen Experimentierraum dar, an dem alle – auch wir – nur wachsen können.
Der Zeitpunkt für unsere Intervention um das Backhaus ist dabei nicht zufällig gewählt. Unserer Analyse nach befindet befindet sich die Stadt Frankfurt in einer schwierigen Position. In Sachen bezahlbarer Wohnraum und klimagerechte Stadt wird auf ganzer Linie versagt und das ist mindestens einigen in der Römerkoalition durchaus bewusst. Die Stadt wächst, der bezahlbare Wohnraum aber nicht. Und was schon gar nicht mit wächst, sind Kultur, kreative und soziale Angebote. Im Gegenteil, die Gelder dafür werden sogar regelmäßig zugunsten anderer Ausgaben zusammengekürzt, wie so oft in sozialen Bereichen. Der Effekt davon ist, dass Kultur und soziale Teilhabe weiter an Exklusivität gewinnt. Aber was erzählen wir euch, bewusst ist uns das sicher allen.
Diese Probleme sind in den vergangenen Monaten nicht unbeantwortet geblieben und haben einiges an Protest nach sich gezogen. Nach entsprechendem Druck setzte die Stadt Frankfurt vor einiger Zeit vermehrt Satzungen auf, die gegen Verdrängung wirken sollen. In Bockenheim und auch im Bereich des Backhaus gibt es dafür gleich zwei davon. Eine Erhaltungssatzung zum Schutz des Stadtbildes und eine Milieuschutzsatzung zum Erhalt der Zusammensetzung der Bevölkerung. Beide sollen auf ihre Art unter anderem gegen Luxusneubau, Luxussanierung und Umwandlung in hochpreisige Eigentumswohnungen arbeiten. Spekulation um Wohnraum als Ware soll damit eingedämmt werden. Leider lassen schwammige Formulierungen den zuständigen Dezernaten so viel Raum zur Auslegung, dass sie rein gar nichts bewirken und nach wie vor vor allem einem auf Profitmaximierung ausgelegten Markt dienen. Naja, wen wundert das schon. Nach einem ganzen Haufen an Skandalen und Protesten von Stadtteilinitiativen, Recht auf Stadt Gruppen und ähnlichen, stehen die zuständigen Behörden unter akuter Erklärungsnot. Was fehlt, sind Vorzeigeprojekte, um die eigene Weste wieder rein zu waschen. Das interessiert uns erst einmal wenig, solange sich an der dahinterliegenden Politik nicht grundlegend etwas ändert. Wenn dabei aber ein neues Soziales Zentrum rausspringt, soll uns das erst einmal recht sein. Der Bedarf dafür ist da, das Bewusstsein um soziale Probleme wächst und ein beachtenswerter Anteil des Stadtteils steht hinter unseren Ideen. Damit können wir arbeiten.
Wir bleiben dran und sind noch lange nicht am Ende – Spekulant*innen, nehmt euch in Acht! Um es mit den Worten eines FR-Artikels zusammenzufassen, der unserer Erfahrung nach vielen unserer Nachbar*innen in Bockenheim aus dem Herzen spricht: Backhaus Besetzung? Find ich gut!
Initiative Anarchistische Bewegung Frankfurt – IABF
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