Aufgrund der Ermittlungen und Prozesse im Hinblick des G20 Gipfels in Hamburg wollen wir nochmals auf die Rolle von Kleidung bei Demonstrationen aufmerksam machen. Denn der Schwarze Block ist klein geworden. In den letzten Jahren hat es wieder zugenommen, dass Aktivist*innen in bunter Alltagskleidung auf Demos und zu Aktionen fahren. Das hat sicherlich seine Vor- und Nachteile. Wir als Rote Hilfe wollen niemandem vorschreiben, was er oder sie anzuziehen hat. Das solltest du entscheiden –und dir nicht von der Szene oder gar der Modeindustrie vorschreiben lassen. Wir wollen allerdings noch einmal darauf hinweisen, dass es in letzter Zeit zu einigen Verurteilungen kam, bei denen die Kleidung eine besondere Rolle gespielt hat. Viele Demonstrant*innen in Hamburg oder auf anderen Aktionen sollen nämlich aufgrund ihres Aussehens von den Polizeizeug*innen später wiedererkannt worden sein – und auch bei den Öffentlichkeitsfahndungen fällt auf, dass die Repressionsbehörden vor allem „auffällig“ gekleidete Menschen ablichten und die Kleidungsmerkmale benennen.
In der Praxis soll sich die Wiedererkennung so abspielen: Ein*e BFE-Bull*in beobachtet eine Einzelperson, wie sie z.B. etwas wirft und fixiert diese nun mit seinen Augen. Als Profi-Voyeurist*in gelingt es ihr, die Person minutenlang im Gewimmel der Gegendemo nicht aus den Augen zu verlieren – gerne auch mal länger als eine halbe Stunde. Dabei helfen ihr Erkennungsmerkmale wie die Schuhe, Jackenembleme oder Turnbeutel. Entfernt sich die beobachtete Person nun von der Demo wird sie von den Kolleg*innen festgesetzt. Bei der anschließenden erkennungsdienstlichen Behandlung werden selbstverständlich auch die nötigen Merkmale festgehalten.
Vor Gericht wird dann gesagt, die werfende Person hätte “rote Schuhe mit weißen Applikationen” getragen, oder hätte eine schwarze Jacke angehabt, bei der “auf Brusthöhe ein weißes, 5 cm großes Logo” zu sehen gewesen sei, bei der der Polizist auf gut 30 Meter erkannt haben will, dass es sich um einen Totenkopf gehandelt hätte. Genau diese Kleidung hätten die Beamt*innen dann später auch bei der beschuldigten Genoss*in gefunden.
So absurd dies klingen mag, ganz abwegig ist es leider nicht. Vor allem das Abfilmen von Demos gelingt immer besser, dank besserer Technik, skrupelloserem Einsatz und wenig Gegenwehr. Auf dem gesammelten Material können dann Personen leicht an ihrer Kleidung wiedererkannt werden – das hilft sicherlich dem Gedächtnis der beobachtenden Bullen auf die Sprünge. Dank der Überzeugungskraft, die solche Bullenaussagen auf die Richter haben, können so leicht Vorwürfe konstruiert werden. Nicht zuletzt, weil dies so einfach ist, nimmt mancher Bulle oder Zivi auch schon mal Leute nur aufgrund ihres auffälligen Aussehens ins Visier und beobachtet so lange, bis diese angeblich eine Straftat begehen; so geschehen bei Blockupy 2015 oder beim G20 Gipfel in Hamburg. Die gute Videographierung hat auch dazu geführt, dass Genoss*innen manchmal auch erst Wochen später auf einer anderen Aktion herausgegriffen wurden.
Wir kriegen bei Prozessbegleitungen auch immer wieder mit, dass die Daten der Mobiltelefone bei den Ermittlungen helfen oder als Beweismittel vor Gericht eingebracht werden. Lasst eure Handys daher zu Hause oder holt euch sichere, unpersonifizierte SIM-Karten in anderen Ländern.
Wir raten euch außerdem unbedingt dazu, ob ihr nun in schwarz oder bunt zu Demos geht, auf keinen Fall immer in den gleichen Klamotten unterwegs zu sein! Denkt über das Konzept “Wechselkleidung” nach, räumt zu Hause regelmäßig auf und vermeidet auffällige Kleidung – wobei “auffällig” leider sehr weit zu fassen ist. Vor allem Schuhe, Jacken und Rucksäcke/Taschen werden dabei immer wieder vor Gericht erwähnt. Wenn ihr euch unsicher seid, dann entsorgt eure Kleidungsstücke! Letztlich solltet ihr euch aber auch nicht vom Staat vorschreiben lassen, was ihr zu tragen habt; also wehrt euch gegen das meist ohnehin illegale großflächige Abfilmen von Demos, schirmt euch und eure Genoss*innen ab, achtet auf Zivis – und lasst euch nicht erwischen.
Die Moral von der Geschichte: It is important to look nice, but it is more important to be nice!
März 2019
ffm@rote-hilfe.de