Ende letzten Jahres erreichte uns die Nachricht: In diesem Jahr wird erstmals eine Delegation der EZLN (Ejército Zapatista de Liberación Nacional – Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung) alle fünf Kontinente besuchen – zunächst Europa. Ziel ist die Stärkung von Kämpfen von unten und links in unseren Regionen sowie die Vernetzung und der Austausch mit ihren eigenen Kämpfen.
Die zapatistische Bewegung
Der Aufstand der Zapatistas von 1994 in Chiapas richtet sich gegen Ausbeutung, Rassismus, Unterdrückung der Frauen und aller benachteiligten Geschlechter, Militarisierung, Umweltzerstörung und die Marginalisierung der indigenen und ländlichen Bevölkerung durch die Herrschaft der Großgrundbesitzer, der politischen Funktionäre und der mexikanischen und transnationalen Konzerne. Dagegen setzen die Zapatistas den Aufbau rebellischer autonomer Strukturen in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Selbstverwaltung, Geschlechtergerechtigkeit, Produktion, Medien und Rechtsprechung. Seit ihrer Rebellion von 1994 konnten sie viele Verbesserungen für ihre soziale Basis und für viele andere Bewegungen erreichen.
Immer wieder haben sie weltweit Anstöße gegeben für eine Vernetzung und Verbindung der Kämpfe von links und unten. Begonnen mit mexikoweiten Treffen im Rebellengebiet und den „Intergalaktischen Treffen“ – die ein wichtiger Startschuss waren für die Anti-Globalisierungsbewegung und die Bildung von Strukturen wie People’s Global Action oder indymedia. 2001 mobilisierten sie mit einer Delegationsreise durch Mexiko Millionen von Menschen. In den letzten Jahren haben sie zu internationalen Frauentreffen geladen und in der „kleinen zapatistischen Schule“ ihre Erfahrungen aus der Selbstverwaltung an tausende Menschen aus der ganzen Welt weitergegeben. Ihre Bewegung ist weitergewachsen, sie haben ihre Autonomie ausgebaut, Samen der Rebellion in ganz Mexiko gesät und sich über den Nationalen Indigenen Kongress (CNI) mit unzähligen widerständigen indigenen Gruppen und Organisationen Mexikos eng vernetzt.
Das Vorhaben der Reise
Im Rahmen der Rundreise von 2021 möchten über 120 Delegierte, davon 75 Prozent Frauen, nach Europa kommen. Eine Vorhut wird per Schiff von Mexiko nach Europa segeln. Alle anderen kommen per Flugzeug, um dann mehrere europäische Länder zu bereisen. Damit wird symbolisch die vermeintliche »Eroberung« Lateinamerikas anti-kolonial konterkariert. Gleichzeitig betont die Bewegung, dass die indigene Bevölkerung niemals unterworfen werden konnte. Am 13. August, exakt 500 Jahre nach der angeblichen Eroberung dessen, was heute Mexiko ist, will die Delegation in Madrid sein.
Die Reise durch Europa beginnt Mitte Juni/Juli und endet im Oktober. Auch Gruppen des linksgerichteten, parteiunabhängigen Nationalen Indigenen Kongresses (CNI) sowie des Zusammenschlusses der Völker in Verteidigung von Wasser und Land in Morelos, Puebla und Tlaxcala werden an der Rundreise teilnehmen.
Mit ihrer neuen Initiative wollen die Zapatistas die Resignation durchbrechen, Hoffnung säen und den Status quo des herrschenden Systems wieder einmal erschüttern und neue solidarische und ökologische Wege finden – gemeinsam mit uns. Sie sagen: »Wir sind Zapatist*innen, Träger*innen des Virus des Widerstandes und der Rebellion. Als solche werden wir die fünf Kontinente bereisen.«
In insgesamt 6 Kommuniqués (das 6. erschien als erstes) hat die EZLN seit Oktober ihre Beweggründe und das Vorhaben der Reise dargelegt und beschrieben. Am 01.01.2021, 27 Jahre nach dem zapatistischen Aufstand, erschien der erste Teil mit dem Titel „Eine Erklärung…für das Leben“, eine gemeinsame Erklärung der EZLN und eines Teils des Europa von unten und links. Bis dato wurde er von etwa 2900 Gruppen, Kollektiven und Einzelpersonen aus 60 Ländern unterzeichnet und täglich kommen neue dazu. Die Unterzeichnenden teilen den Inhalt des Geschriebenen und wollen ihren Teil beitragen sowie an den Treffen und Aktivitäten der Reise teilnehmen. Die Erklärung kann immer noch unterschrieben werden.
Wie wir uns organisieren wollen…
Die Vorbereitungen für die Reise und den Aufenthalt in Europa werden aktuell von einem europaweiten solidarischen Netzwerk organisiert, zu dem auch das Ya-Basta-Netz gehört. Wir haben uns entschieden lokale Strukturen zur Organisierung der Reise in Deutschland aufzubauen. Außerdem schließen wir uns bundesweit thematisch zusammen, und arbeiten zu migrantischer Selbstorganisierungen, queer*feministischer Organisierung, Patriarchat, Naturzerstörung, Klima & Umweltkämpfen, Dekolonisierung, praktischen Internationalismus, mentaler Selbstverteidigung, antirassistischer & antifaschistischer Vernetzung, Militarismus, Landwirtschaft, Agrarwende und weiteren Themen.
Auch in Frankfurt bzw. dem Rhein-Main-Gebiet haben sich zur Planung des Aufenthaltes der Delegation bereits viele unterschiedliche Gruppen und Zusammenhänge von links und unten vernetzt und über Vorhaben und Planungen ausgetauscht.
Klar ist: Auf dem europäischen Kontinent, von dem so viel Zerstörung und Vernichtung ausgegangen ist – und immer noch ausgeht – wollen wir sie willkommen heißen. Auf eine Art, die der beharrlichen Rebellion für das Leben gerecht wird, mit der die Zapatistas so viele von uns wieder und wieder gelehrt haben, dass Aufgeben keine Option ist. Diese Art besteht auch darin, dass wir rebellische Beziehungen zueinander aufbauen. Wir wollen die Zapatistas mit all den Widerständen und Rebellionen verbinden, die es auf diesem Kontinent gibt – die für das Leben kämpfen und gegen die Zerstörung, für die Gleichheit der Menschen und gegen die Unterdrückung und Ausgrenzung. Daher wollen wir uns mit euch verbinden, Beziehungen aufbauen zu den Menschen, die kämpfen, von links und unten. Und damit meinen wir wirklich miteinander in Beziehung zu gehen, denn das ist in dieser kalten, individualisierten, distanzierten Welt wahrhaft revolutionär.
Diese Aufgabe ist groß – und doch nur ein kleiner Schritt auf dem Weg, der vor uns allen liegt. Wir laden euch ein, euch einzubringen und uns zu kontaktieren, wenn ihr Teil davon sein wollt oder wenn ihr mit euren Fähigkeiten und Möglichkeiten die Reise unterstützen wollt. Da für Reisekosten und Logistik viel Geld notwendig sein wird, rufen wir alle solidarischen Menschen, Kollektive und Organisationen auf, dieses historisch bedeutsame Vorhaben auch ökonomisch zu unterstützen. Die Infos dazu findet ihr auf unserer Seite.
Ya Basta Rhein-Main
Kontakt & Infos: yabasta-rheinmain@riseup.net / ya-basta-netz.org / enlacezapatista.ezln.org.mx (Seite der EZLN mit allen Comunicados)