Castor Alarm 2020!

 

…the Return of the living Dead?

Castor-Alarm 2019/2020? Hat sich da nicht jemand im Jahrzehnt vergriffen? Für viele ist der Atomausstieg beschlossene Sache, manche glauben gar, dass alle deutschen Atomkraftwerke bereits abgeschaltet sind. Doch die sieben (ab 2020 vielleicht nur noch sechs) leistungsstärksten Reaktoren laufen noch immer – und ihr Weiterbetrieb wird massiv vorangetrieben. Zugleich rollt – womöglich schon bald – ein Castor-Transport von La Hague nach Biblis und Philipsburg. Deshalb: Ja! Castor-Alarm!

Versprochen ist versprochen und…äh…Wieso eigentlich Castoren nach Biblis und Philipsburg?

Versprechen haben beim Betrieb von Atomanlagen eine lange Geschichte. Ohne sie wäre der Betrieb der Anlagen nicht vermittelbar. Zu den obskursten und zugleich bekanntesten dieser Versprechen gehört die Idee, mensch könne die Hinterlassenschaften der Anlagen verantwortungsvoll endlagern und die Idee, mensch könne sie problemlos wiederverwerten.

Zunächst wurden Atomanlagen in Betrieb genommen ohne sich ernsthaft Gedanken darüber zu machen, wo denn die hochradioaktiven Zerfallsprodukte (beschönigend „Atommüll“ genannt) verbleiben sollten. Als dies als Problem benannt wurde, begaben sich Betreibende und Regierende auf die Suche nach einem Ort, der einstmals „Endlager“ genannt werden könnte. Die Hoffnung, dass es überhaupt ein geeignetes Dauerlager für die Zerfallsprodukte geben könnte, teilten schon damals nicht alle. Dennoch wurde die darauf gestützte Erkundung, etwa von Gorleben, atomrechtlich als Entsorgungsnachweis und somit als Voraussetzung für den Betrieb der Anlagen anerkannt. Die Prophezeiung, irgendwann fündig zu werden, reichte. „Wiederaufbereitung“ hieß das Versprechen, radioaktive Reststoffe nach geeigneter Behandlung in entsprechenden Anlagen (den WAA) wieder in Reaktoren stecken zu können. Auch dieses Versprechen galt als „Entsorgungsnachweis“. So wurde der deutsche Atommüll in die WAA La Hague (Frankreich) und Sellafield (Großbritannien) verschoben, wo er sich inzwischen türmt und von wo er jetzt vertragsgemäß wieder zurückgenommen werden muss. Deshalb soll es jetzt auch Castortransporte nach Biblis und Philipsburg geben.

Wird der Müll dann dort wiederverwendet? Nein. Das Versprechen nuklearer Endloskreisläufe konnte nicht eingelöst werden, aus technischen und politischen Gründen. Aber in Philipsburg und Biblis wurde der Müll einstmals produziert und dort gibt es eines der sogenannten „Zwischenlager“für hochradioaktiven Atommüll. Wie lange wird der Atommüll dort bleiben? Möglicherweise bis ein geeignetes „Endlager“ gefunden wurde. Mit der Suche danach (auf einer „weißen“ Landkarte) wurde gerade wieder begonnen und sie wird in zwanzig Jahren beendet sein. Das ist jedenfalls das neue Versprechen.

Die Rückkehr der Atomkraft verhindern!

Vor rund zweieinhalb Legislaturperioden, kurz nach Fukushima, sah sich die Bundesregierung gezwungen, dem Druck der Straße nachzugeben und die 2011 vereinbarte Laufzeitverlängerung (!) zurückzunehmen und zum zweiten Mal einen Ausstieg zu beschließen. Die acht ältesten AKW wurden stillgelegt, doch gelang es den Atomkonzernen, den Weiterbetrieb der wichtigsten Leistungsreaktoren für ein weiteres Jahrzehnt zu sichern. 2019 liegt Deutschland europaweit immer noch auf Platz 3 der installierten Atomstromproduktion, angesichts der gesamtgesellschaftlichen Anti-AKW-Stimmung eine bemerkenswerte Situation.

Zwar ist versprochen, dass in den nächsten drei Jahren alle sieben noch laufenden AKW abgeschaltet werden, doch scheint der Ausstieg 2022 zweifelhaft. Der Grund: Sachzwänge – geschaffen durch eine Energiepolitik der Unterlassung und geeignet, den Weiterbetrieb der Reaktoren geradezu rational erscheinen zu lassen. Diese Situation war zwar seit 2011 absehbar, dennoch wurde es an vielen Stellen unterlassen, sich auf die Abschaltung der restlichen Großkraftwerke vorzubereiten. Der Ausbau der regenerativen Energien wurde an vielen Stellen behindert, die Förderung der Windenergie zusammengestrichen. Der Zubau von Solar- und Windkraftanlagen ist inzwischen geradezu kollabiert. Gleichzeitig hintertreibt etwa die Bayrische Landesregierung massiv den Ausbau der Stromnetze, der notwendig sein wird, um den regenerativen Strom von Nord- nach Süddeutschland zu bringen. Von einer dezentralen Energieversorgung spricht schon keine*r mehr. Eine Politik mit dem Ziel, die AKW zu ersetzen, müsste anderes aussehen. Hat es sie je gegeben? Oder wurde es von Anfang an darauf ausgelegt, eine spätere Laufzeitverlängerung vorzubereiten?

Gleich wie: es ist höchste Zeit, die Anti-Atom-Bewegung aus dem Abklingbecken zu holen. Die geplanten Castor-Transporte nach Philipsburg und Biblis sind geeignete Anlässe. Wie beim ersten Castor Transport 1995 ist auch diesmal nicht genau bekannt, wann der Castor rollt. Es heißt also: Augen auf!

Für eine Gesellschaft in der Atomanlagen nicht möglich sind!

Für diejenigen, die in der Anti-Atom-Bewegung organisiert sind und waren, ging es nie einfach nur um den Betrieb von Atomkraftwerken. Von Anfang an war mit der Kritik an den Atomanlagen auch verbunden an den Grundfesten dieser Gesellschaft zu rütteln. Atomkraft nein Danke heißt: so kann es nicht weiter gehen! Der Betrieb von Atomanlagen ist konsequenter Ausdruck einer Gesellschaft, die Profite privatisiert und die Kosten des Betriebs der Anlagen konsequent sozialisiert. Sei es entlang kolonialer Linien bei Uranabbau und der Umweltzerstörung dabei oder der Umlegung der immensen Kosten für Forschung und „Entsorgung“ auf die Allgemeinheit. Energiekämpfe sind immer auch soziale Kämpfe darum, wem in dieser Gesellschaft welche Perspektiven möglich sind, und wem diese beschnitten werden. Tag für Tag werden in den Uranabbaugebieten riesige Mengen an Grundwasser verseucht und radioaktiver Abraum in die Landschaft gekippt. Dies trifft uns in Europa weniger als Menschen in Niger, Kanada oder Australien. Die Forderung nach der sofortigen Stilllegung aller Atomanlagen versucht, dieser Situation Rechnung zu tragen. Sie ist nicht einfach bundesdeutsche Verbalradikalität und dicke Hose. Sie ist eine Forderung, die anerkennt, dass diese Umwelt- und vor allem Lebensweltzerstörung keinen weiteren Tag lang zu akzeptieren ist.

Seid bereit – Castor stoppen!

Tragt euch in die Alarmliste ein, um den Tag X nicht vor lauter Alltag zu verpassen: castorstoppen.noblogs.org/alarmliste

Weitere Infos, Termine:
www.castorstoppen.noblogs.org

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