Frankfurt: Grüne Lunge bleibt – Stadt für alle statt Luxuswohnungen!

Am nördlichen Zipfel des Stadtteils Nord-end, nahe des Günthersburgparks, sollen auf dem Gartengebiet der „Grünen Lunge“ mit seiner besonders großen Artenvielfalt und mehreren tausend Bäumen die „Günthersburghöfe“ entstehen. Nachdem bereits in der letzten Swing ein Beitrag dazu zu lesen war („100 Jahre Bauhaus“), soll hier das Stadtentwicklungsprojekt, welches früher unter dem Namen „Innovationsquartier“ firmierte, noch einmal ausführlich betrachtet werden.

Wer baut und für wen?

Instone Real Estate ist der private Hauptinvestor auf dem Gebiet der Grünen Lunge. Die Firma hat bereits einige Grundstücke aufgekauft und sich die Option auf ca. 40 – 45% der Fläche gesichert.
Instone ist ein Projektentwickler, d.h. die Firma kauft Grundstücke in großen Städten, baut dort überwiegend hochpreisige Wohnungen und verkauft diese als Eigentumswohnungen an Einzelne oder an institutionelle Anleger. Die Aufgabe von Instone ist – wie der Name andeutet – (globales Finanz-)Kapital, welches sich auf der Jagd nach lukrativen Anlagemöglichkeiten befindet, in eine materielle renditeträchtige Form zu gießen: In Betongold, wie Luxusimmobilien auch genannt werden. Instone entstand durch eine Fusion der ehemaligen Hochtief-Tochter Formart, die der Finanzinvestor Activum SG 2014 für rund 300 Millionen Euro gekauft hatte, mit dem Rivalen GRK.
In Frankfurt hat Instone zur Zeit mindestens drei Großprojekte – die Grüne Lunge, das ehemalige Marienhospital im Nordend und das ehemalige Firmengelände von Siemens in Bockenheim. Auf dem Gelände des ehemaligen Marienhospitals im Nordend kosten die Wohnungen zwischen 500.000 und 2,5 Mio. Euro (abgesehen von einen kleinen Anteil öffentlich geförderten Wohnraums, der durch Auflagen festgeschrieben wurde). Ein Autostellplatz kostet dort 50.000. Von ähnlichen Preisen ist auch bei der Grünen Lunge auszugehen.
Bis vor kurzem gehörte Instone der Fondgesellschaft (Private Equity) Activum SG mit Sitz auf der Steueroase Jersey Islands. Anfang September 2018 hat Activum jedoch in einer Blitzaktion seine restlichen knapp 50%igen Anteil im Wert von ca. 391 Mio. Euro an die Deutsche Bank verkauft, die selbst inzwischen alle Anteile weiterveräußert hat. Der größte Aktionär bei Instone ist zur Zeit Fidelity Investments mit ca. 8,5% der Aktien. Fidelity ist mit ca. 2,5 Billionen Dollar Anlagevermögen der weltweit drittgrößte Investmentfonds. Firmensitz ist Boston/USA; die deutsche Tochter hat ihren Hauptsitz in Kronberg im Taunus. Der zweitgrößte Aktionär ist seit kurzem Goldman Sachs mit ca. 6,3% der Aktien. Auf Rang drei ist aktuell die T. Rowe Price Group (Baltimore/US; über 900 Milliarden Anlagevermögen): 6,1%. Danach folgen Janus, Capital Group die deutsche DWS und die französische Amundi.
Instone Real Estate selbst sitzt seit vergangenem Jahr nicht mehr in den Niederlanden, sondern in Essen und ist ebenfalls seit vergangenem Jahr an der Frankfurter Börse gelistet. Der Aktienkurs hat sich seit dem Börsengang nach unten entwickelt. Für die Rettung der Grünen Lunge ist dies eine gute Nachricht. Je mehr Protest es gibt, desto deutlicher wird, dass Instone Risikokapital ist!

Klima schützen statt Beton!

Während das globale Klimachaos und das globale Artensterben sich mit rasender Geschwindigkeit verschärfen, wird in Frankfurt Stadtentwicklung des 20. Jhs. betrieben: Autoparkplätze, Beton, Gasheizung und ggf. Kohlestrom. Trotz Protesten möchte der Magistrat aus CDU, SPD und Grünen im ersten Halbjahr das so durchboxen. Dann sollen bald die Kettensägen kommen, die Stellplätze für ca. 1400 Autos gebaut und die Luxusappartments an Reiche und Investoren vermarktet werden. Damit ist der Verlust von Bäumen, zahlreichen Tierarten und der Frischluftschneise für kühlende Nord-Ost-Winde besiegelt. Folgen werden mehr Autoverkehr und CO2, mehr Preistreiberei durch Luxusneubaumieten und schlaflose Nächte für viele Frankfurter angesichts der immer weiter steigenden Mieten sein.

Wohnungsbau vs. Klimaschutz

Die DezernentInnen für Stadtplanung, Josef (SPD), Liegenschaften, Schneider (CDU) und Umwelt, Heilig (Grüne) versuchen, den Protest als borniert und Mieter­Innenfeindlich zu diskreditieren, um den profitgetriebenen Stahlbeton-Städtebau im Interesse transnationaler Kapitalanleger durchzusetzen. Die Mietenexplosion in Frankfurt wird durch das Projekt aber nicht gestoppt, sondern im Gegenteil weiter angeheizt!

Dies wird übrigens auch für den Stadtteil gelten, der nach den Wünschen von CDU/SPD/Grüne nordwestlich von Praunheim beiderseits der Autobahn 5 gebaut werden soll. Auch hier könnten eine wichtige Frischluftschneise und wertvolle Ackerböden zugebaut werden. Neubau (alleine) wird die Mietenproblematik aber nicht lösen. Unter den derzeitigen Bedingungen wird Neubau immer dazu führen, dass die Mieten (in der näheren Umgebung) weiter steigen und MieterInnen vertrieben werden – direkt betroffen wären einerseits das Nordend, andererseits die Stadtteile Praunheim, Hausen und Rödelheim. Wer‘s nicht glaubt, kann sich die Entwicklung der Mietpreise im Gallus nach dem Bau des Europa-Viertels anschauen. Die Entwicklungsprojekte der Stadt sind derzeit vor allem auf eines ausgerichtet: Attraktivität für Investoren, Wachstum und Wohnraum für Reiche. Der massive Protest der letzten Jahre hat dazu beigetragen, dass geförderter Wohnraum bei Neubauten ein Thema ist – aber noch viel zu wenig! Gebaut wurden 2015 im gesamten Land Hessen gerade mal 733 Sozialwohnungen – nicht annähernd so viele wie im gleichen Jahr aus der Preisbindung fielen. Das waren alleine in Frankfurt 1.200 Wohnungen! Auf der anderen Seite sind im Jahr 2015 nur 194 neue Sozialwohnungen in Frankfurt entstanden. Bei 5.200 Baugenehmigungen entspricht dies einer Quote von 4 Prozent. In Sonntagsreden betonen PolitikerInnen immer die Notwendigkeit des sozialen Wohnungsbaus – in der Realität bekämpfen sie Initiativen wie den Mietentscheid, der von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft ABG den Bau von 100% Sozialwohnungen fordert. Der Mietentscheid geht ähnlich wie die Kampagne „Deutsche Wohnen enteignen“ in Berlin in die richtige Richtung. Wir radikalen Linken müssen weg von der Verteidigung des Status Quo hin zu offensiven Forderungen, die sich dennoch mit der Alltagssituation der meisten Menschen vermitteln lassen können.

Grüne Lunge bleibt! Protest gegen diese Stadtpolitik

Zu einer Demonstration am 9. Februar gegen die Pläne für die Günthersburghöfe kamen an die 400 Menschen. Neben Redebeiträgen gab es auch eine Küche für Alle am Endpunkt der Demo und eine Begehung des Biotops. Am Rande entstand eine Baumhütte für den Widerstand. Am 22. März gab es zur Eröffnung der Ausstellung „Neues Frankfurt“ im Deutschen Architektur Museum am Eingang Protest und im Museum eine Unterbrechung der Eröffnungsrede des Stadtplanungsdezernenten durch AktivistInnen mit den Forderungen „Stadt für alle!“ und „Grüne Lunge bleibt!“. Die „Fridays for Future“-Demos liefen in den letzten Wochen mehrmals aus Solidarität zur Grünen Lunge.
Notwendig ist eine ökologische & soziale Neuerfindung der Stadt(entwicklung) von unten. Die Proteste gegen das Projekt „Günthersburghöfe“ sind ein guter Anfang. Unterstützt sie und mischt euch in die Debatte ein!

Infos erhaltet ihr unter anderem hier: climatejusticeffmrheinmain.blackblogs.org

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